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Briefe

SPIEGEL-DEUTSCH
aus DER SPIEGEL 53/1970

SPIEGEL-DEUTSCH

(Nr. 46/1910, Vereine)

Aus der Sicht des Sprachpflegers ist der Inhalt dieses Berichtes ziemlich dürftig und recht belanglos: Er stimmt zwar (fast) ausnahmslos mit den von uns erfragten und dem »Sprachpfleger« entnommenen Tatsachen überein, vermengt aber Wichtiges mit Unwichtigem, Wesentliches mit Unwesentlichem, so daß sich die Leser aus dieser Darstellung schwerlich ein zutreffendes Bild vom Wirken unseres Vereins machen konnten.

Bedeutsamer will uns dünken, was sich der SPIEGEL-Berichter in sprachlicher und rechtschreiblicher Hinsicht »geleistet« hat -- und dies ausgerechnet da, wo er einem Sprachpflegerverein eins auswischen wollte. Folgende 22 (wörtlich zweiundzwanzig) Fehler und Mängel (um nicht zu sagen: Böcke und Schnitzer) sind uns auf den knapp zwei Spalten aufgefallen, die Sie uns »gewidmet« haben:

(Die jeweils erste, vor dem Beistrich -- »Komma« -- stehende Zahl in einer Klammer gibt den Absatz an, die dem Beistrich folgende(n) die Zeile(n) innerhalb des betreffenden Absatzes.)

1. (4,1) Einsatz: Das Wort entstammt dem bekannten »Wörterbuch des Unmenschen« von Sternberger, Storz, Süskind, 1962, 5. 40-45.

2. (4,4) animiert: Es handelt sich um ein leicht vermeidbares, also auch entbehrliches Fremdwort: »anregen, ermuntern, aufmuntern, ermutigen, anspornen, anstiften, anfeuern, bewegen« sagen es ebensogut, falls nicht besser.

3. (4,4; 14/15-12,1) Vorsitzender, Vereinsvorsitzender: Der Verein für Sprachpflege kennt nur einen »Vorsitzer«; auch der ehemalige »Deutsche Sprachverein« ist, nach anfänglichem Gebrauch des Wortes »Vorsitzende(r)«, aufgrund sorgfältiger Überlegungen schließlich zum »Vorsitzer« übergegangen. Auch in der Gegenwart bedienen sich sprachbewußte Vereinigungen ausschließlich des kürzeren und auch aus anderen Gründen vorziehenswerten Ausdrucks »Vorsitzer«. Das auch im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm mit der Bedeutungsangabe »der Leiter einer beratenden, richtenden, verhandelnden Gesellschaft« gebuchte untadelige Wort wird an der genannten Stelle ausdrücklich als »richtig gebildet« und »viel gebraucht« gewürdigt.

4. (4,7) ... »sehr gewachsen« ist. So sehr, daß ...: Nach »ist« darf kein Punkt stehn, es muß vielmehr ein Beistrich gesetzt werden; denn das folgende »so sehr (usw.)« ist eine Umstandsbestimmung (der Art und Weise) zur vorausgehenden Satzaussage »,sehr gewachsen' ist« (oder auch eine verstärkende oder vergenauernde Wiederaufnahme der in dieser Satzaussage enthaltenen Umstandsbestimmung »sehr"), und von keinem dieser Bezugssatzglieder darf sie getrennt werden; sonst gibt es »Hackepeterstil«.

5. (4,11/12) ... (Heeger), zum Preis von ...: Der Beistrich hinter »(Heeger)« ist sinnlos, unberechtigt, falsch, steht ohne jeden erkennbaren Grund da, stört den Leser empfindlich.

6. (4,12) von 50 Pfennigen: Selbstverständlich muß es heißen »von 50 Pfennig«; denn nicht eine bestimmte Anzahl von Pfennigstücken ist gemeint, sondern der Geldwert oder Geldbetrag; bequem kann man sich hierüber in jeder leidlichen deutschen Sprachlehre Rats erholen -- übrigens auch in den »Hauptschwierigkeiten der deutschen Sprache« (= Großer Duden, Band 9) unter dem Wort »Pfennig«.

7. (4,12) pro: Statt »pro« sagt man In gepflegtem Deutsch »je«, also zum Beispiel: »zum Preis von 90 Pfennig je Hundert«.

8. (4,13/14) ... verkauft werden konnten. Aber doch nicht so sehr ...: Nach »konnten« darf kein Punkt stehn, es muß vielmehr ein Beistrich gesetzt werden; denn das folgende »aber doch nicht so sehr« ist immer noch, wie auch schon das vorausgegangene »so sehr«, nähere Bestimmung, also ein Satzglied, des ersten Satzes dieses Absatzes, und zwar eines, das, nicht anders als auch »so sehr, daß ...«, entweder auf »,sehr gewachsen' ist« oder auch nur auf »sehr« bezogen werden kann. 9. (4,18/19 u. 1-6) Dutzendmenschen -- Zwölfter: Wenn wir, trotz Kenntnis und sonstiger Benutzung des Eigenwortes »Zwölfter«, dennoch den Ausdruck »Dutzendmensch« »Mensch, wie zwölf auf ein Dutzend gehn« benutzt haben, so einfach deswegen, weil sich mit diesem Wort eine feste Vorstellung (s. die Wörterbücher!) verbindet, die vielleicht auch unserer Ausfragerin geläufig war, mit »Zwölf termensch« hingegen (noch?) nicht.

10. (6,1) (Vereins)organ: Auch hier handelt es sich um ein leicht vermeidbares, also entbehrliches Fremdwort: »Blatt, Zeitblatt, Zeitung; Sprachrohr (des Vereins)' sagen es ebensogut, vielleicht sogar besser.

11. (7,6) (sich) echauffieren: Auch hier handelt es sich um ein leicht vermeidbares, also entbehrliches Fremdwort: »(sich) erhitzen, (sich) ereifern, (sich) aufregen, (sich) entrüsten; in Hitze (Zorn, Eifer, Feuer, Aufregung) geraten; heftig werden, Feuer fangen, außer Atem geraten, außer sich geraten' sagen es mindestens ebensogut.

12. (7,13/14) denen Sprachpflege »gleich gültig, leider!« sei: Der Satzbau (die Wortstellung) ist verunglückt; wenn man schon auf wortgenaue Wiedergabe gewisser Äußerungen so großen Wert legt, dürfen die Sätze, in die man Anführungen einschachtelt, nicht darunter leiden; glücklicher wäre etwa gewesen zu sagen: »die sich um Sprachpflege wenig kümmerten; sie sei ihnen »gleichgültig, leider!.«

13. (8,1-3) Vor allem aber meldet sich die »verantwortliche Blattleitung« in Person des Heinrich Heeger zu Wort: »Die »verantwortliche Blattleitung« in Person des Heinrich Heeger« meldet sich nicht (nur) zu Wort, vielmehr kommt sie im Vereinsblatt tatsächlich »zu Wort«; offenbar liegt hier eine Ausdrucksverquickung ("verbale Kontamination") des SPIEGEL-Berichters vor: eine Vermischung der Fügungen »sich melden« und »zu Worte kommen«.

14. (8,4) moniert: Schon wieder ein leicht vermeidbares, also auch entbehrliches Fremdwort: »rügen, tadeln, bemängeln, beanstanden; auszusetzen haben« drücken das Gemeinte zweifelsfrei ebenso treffgenau aus.

15. (9,4) wieder zu beleben: Diese Stelle ist nicht nur fehlerhaft angeführt (im »Sprachpfleger« 1-2/1970, 5. 7, steht: »wiederzubeleben"), sondern sie ist auch sinnlos und widerspricht der deutlichen einschlägigen Bestimmung des »Dudens« durchaus. Der SPIEGEL-Fechter vermag offenbar zwischen den zwei Ausdrucken wieder beleben und wiederbeleben, womit offensichtlich zwei ganz verschiedene sprachliche Inhalte verbunden sind, nicht zu unterscheiden. Dabei unterscheidet doch sogar der Rechtschreibungsduden ganz deutlich:

a) wieder beleben »erneut beleben, zum Beispiel: »er hat die Wirtschaft wieder belebt«;

b) wiederbeleben »zu neuem Leben erwecken', zum Beispiel: »in der Renaissance wurde die Antike wiederbelebt«.

16. (9,6) zahlreiche »Fremdwörter ...: Auch diese Stelle ist unrichtig angeführt; im »Sprachpfleger« 1-2/1970, S. 8, steht: »Zehnte von Fremdwörtern«! 17. (9,7) wenn schon: Auch diese Stelle ist wieder unrichtig angeführt; im »Sprachpfleger« 1-2/1970, S. 8, steht: »wennschon«! Hier vermag also der SPIEGEL-Fechter zwischen wenn schon (Betonung auf wenn und schon) und wennschon (Betonung auf wenn oder schon) nicht zu unterscheiden. 18. (9,8/9) bis auf einen letzten gar kümmerlichen Rückzugsaufenthalt: Diese Stelle ist auch wieder unrichtig angeführt; im »Sprachpfleger« 1-2/1970, 5. 8, steht zwischen »letzten' und »gar« ein Beistrich: »bis auf einen letzten, gar kümmerlichen Rückzugsaufenthalt« -- die Kunst der Zeichensetzung will eben auch gelernt sein! 19. (10,1) In 108 zweizeiligen Reimpaaren: mit diesen »zweizeiligen Reimpaaren« setzt der SPIEGEL-Fechter seinen Sprach- und Begriffskünsten den Kranz auf: hat man auch schon von dreizeiligen »Reimpaaren« gehört, oder gar von einzeiligen?

20. (10,2-4) sucht er das Wort »Zwehlchen« ... anzupreisen: Sucht er es wirklich nur anzupreisen? Mit seinen 108 Zweizeilern preist er es tatsächlich an, tut"s also ganz wirklich! Sprachliche Entgleisung oder -- Versuch einer inhaltlichen Herabminderung? Bestenfalls ein Versuch, aber ein mißglückter!

21. (12,4) ... kann sich Heinrich Heeger... betätigen: Er lehrt Nach dem »Duden« muß das erste Wort des zweiten Satzes klein geschrieben werden: »Klein schreibt man nach einem Doppelpunkt, der vor einem angekündigten Satzstück oder vor einer Zusammenfassung oder Folgerung steht.« (Der Große Duden, Band 1: Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter, Regel 128, 5. 40.) 22. (Wortlaut zur Scherzzeichnung) Männer-Zwehlchen: Dieses Wort muß nach dem »Duden« (Regel 146, 5. 45) zusammengeschrieben werden, also: »Männerzwehlchen«!

Hamburg HEINRICH HEEGER

Erster Vorsitzer des Vereins für Sprachpflege

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