SPIEGEL-Leser schrieben nicht nur Briefe und Gedichte, sie
äußerten ihre Meinung auch mit dem Zeichenstift. Hier eine Auswahl der Einsendungen des Jahres 1984: Kohlismus (Nr. 1-52/1984, Wendepolitik) *
Vorschlag für einen neuen Bundesadler ...
Göttingen DR. RER. NAT. KURT WEBER
Der Gaullismus hatte zum Ziel, Frankreich in der Welt zur Größe zu erheben. Das ist nur bedingt gelungen. Der Kohlismus dagegen ist eifrig dabei, das Ansehen Deutschlands der Lächerlichkeit preiszugeben. Und das klappt! Es sage mir niemand, dieser Kanzler sei nicht effektiv!
Eberbach (Bad.-Württ.) HANS BIEDERMANN
Der Kanzler hat recht: Entscheidend ist, was dabei hinten herauskommt.
Mainz GERHARD MESTER
Adenauer, der Kanzler der Alliierten, Kohl, der Kanzler der Geschmierten?
Nürtingen (Bad.-Württ.) H. MAYER
Und was verzapft der Kanzler im Reich der Mitte? Chinakohl und Mittelmaß.
Kronberg (Hessen) CH. HENTSCHKE
In diesem unsrem Lande regiert ein kluger Mann, den ließ die fromme Bande als Bundeskanzler ran.
Der zweite Mann im Staat ist ständig hoch in Form, hat Rückgrat und Format; sein Tatendrang: enorm!
Hat unser großer Täter tagsüber hart geFLICKT, dann wird - mit Kaviar - später Frau Hannlor' beglückt.
Er ist fürwahr ein rechter Beau, die Birne frisch und froh; der reinste Pfälzer Cicero auf Muttideutsch-Niveau!
Und sollt' er mich mal winken zu sich nach Oggersheim, werd' ich begierig trinken von seinem Phrasenschleim.
Hamburg GÜNTHER TRIEDWINDT
Was sagen uns die Wahlen Im Land Nordrhein-Westfalen? »Schlappohr, Bauch und Brille, Sind nicht des Volkes Wille!«
Neidenstein (Bad.-Württ.) JÜRGEN LIPSCHITZ
»Zu Pöllemann und Pimmermann gesellt' sich jüngst Herr Pangemann. Ein gar lustig Dreigespann.
Pöllemann leiert groß Geschäfte an; Pimmermann kündigt groß Gesetze an.
Und denk' ich an Herrn Pangemann, dann wird mir auch ganz Bange, Mann. Es weiß doch schließlich jedermann, daß Pangemann kein Wirtschaftsmann.
Nun lernt der Pangemann, doch selbst wenn er sich strengt sehr an,
so daß er irgendwann was kann, sind die doch lange nicht mehr dran.«
Landau (Rhld.-Pf.) WERNER SAIPT
Diesen drei Politikern, die sich wie keine anderen um das närrische »Tollhaus« Bonn verdient gemacht haben, aus akutem Anlaß ein dreifaches »Kölle Alaaf, Kölle Alaaf, Kölle Alaaf«.
Köln RÜDIGER THELEN
Schaukeln über Fünf-Prozent-Hürden.
Bielefeld RUDI FEIERABEND
Ich und du Lambsdorffs Schmu Friderichs' Crew Wörners Clou Kanzlers Ruh Was kommt nu?
Ich und du Black Pennys Fru Barzels Coup Möllemanns Esel das bist du.
Die Ba-na-nenre-pub-lik Bee-err-dee Wer macht Musik? Flick! Klick! Du Filou? Raus bist du.
Bonn PROF. DR. HANNES SCHMIDT
Ich finde es recht überzeugend, wenn die »Boss«-Inhaber Jochen und Uwe Holy meinen: »Den Kanzler könnten wir besser anziehen.«
Kiel THOMAS REHER
BRIEFE
»Wörner bleibt«
(Nr. 2-14/1984, Affäre Wörner/Kießling) *
Von der Rolle der Geheimdienste ließ sich SPIEGEL-Leser Friedrich Krieger aus Berlin inspirieren:
Dies wäre mein Vorschlag für SPIEGEL Nr. 6 gewesen ...
Hannover HANS RAUSCHNING
Oh, Du gnadenlose Zeit, wieder mal ist es soweit, daß man einen General lügnerisch jetzt bringt zu Fall.
Warum wollt den Mann Ihr fällen, an den Pranger ihn jetzt stellen, wo er nur seine Pflicht getan ... schaut ihn richtig Euch doch an.
Niemand glaubt je den Geschichten, Die Augenzeugen stolz berichten ... Und da fällt mir plötzlich ein, »Wer« wird von »Euch« der Nächste sein.
Düsseldorf ANNELIES DATHE
Der MAD ist stets bereit, geht es um die Sicherheit. Greift er auch oft daneben, genug Minister wird's schon geben.
Denn so ein Überwachungsvorgang, hat vor allen Dingen Vorrang.
Auch wenn es um die Ehre geht, der eigenen Generalität.
Der Minister wird schon wissen, was die Pflicht von ihm verlangt, und bald darauf sein Amt vermissen, um das er furchtbar jetzt schon bangt.
Laichingen (Bad.-Württ.) RUDI ELSENHANS
Auch ich heiße Günter und verlauf' mich schon mal Im besoffenen Kopp in 'nem Homo-Lokal.
Ob »Tom-Tom« dransteht oder »Davidwache«, Das tut doch schließlich nichts zur Sache.
Meine eigene Sekretärin nannte mich ein Schwein. Aber Sie, Herr General, Sie könnten doch nicht einmal Cäsars zweite Gattin sein. Denn Sie sind nicht vom Verdachte rein!
Und wie wollen Sie denn, allhie auf Erden, Jemalen selbst ein Cäsar werden?
Recklinghausen (Nrdrh.-Westf.) GÜNTER ERICH HOLZ
BRIEFE
»Spende - Wende - Ende?«
(Nr. 1-52/1984, Affäre Flick) *
Ein Barzel wollte Bares sehn, ein Schmierflick war dabei. Fürs große Ganze sollt's geschehn, die üble Flickschusterei. Und die Moral von der Geschicht'; Larve ist alles, nichts das Gesicht.
Lauffen (Bad.-Württ.) HANS DIEGA
Nach dem Rücktritt wechselte Barzel auch seine Adresse:
Wuppertal JÜRGEN SCHÄFER
Stuttgart DIETMAR GRUNER
Ich schlage vor, einige Veränderungen der Titel, Flaggen und Ehrenzeichen dieser Bananenrepublik (Hauptstadt Bonnz) vorzunehmen, so zum Beispiel:
Viersen (Nrdrh.-Westf.) A. LAUPICHLER
Mein Kommentar zur Flick-Affäre.
Canberra (Australien) MATTHIAS HEITMANN
... zu Kanzler Kohls Journalisten-Schelte.
Kuddewörde (Schlesw.-Holst.) DR. WOLFGANG LEGLER
Zur geplanten Amnestie für rechtswidrige Parteifinanzierung ...
Starnberg (Bayern) MICHAEL JOHN WEBSTER
BRIEFE *KASTEN
MEIN SCHÖNSTES »FLICK«-WERK *
Es schlägt mein Herz für euch, ihr Flick-Genossen, ihr seid im Handaufhalten sehr begabt. So manche Träne hab' ich schon vergossen, weil ihr für Flick euch aufgeopfert habt. Das Lied der Deutschen wird jetzt Brauchitschs Weise, die BRD wird BRFlick benannt. Ich denke nach, mal lauter und mal leiser, doch wie's ganz oben aussieht, ist mir nicht bekannt.
Cadenberge (Nieders.) WERNER KRETZSCHMAR
BRIEFE
Gespenstisch öd
(Nr. 1-52/1984, Umweltverschmutzung) *
Schau dir mal diese Karte an, Du denkst es ist ein Größenwahn, Daß dieses Deutschland muß das sein, Es ist auf dieser Welt doch klein, Die sich als Rennbahn dargestellt, Für die Verrückten auf der Welt. Die Engel werden uns das danken, Wenn sie dann durch die Wüste wanken.
Stuttgart CORNELIUS SCHULER
Benzin ist ein besondrer Saft; er suggeriert enorme Kraft, die meist der Mensch, da schwächlich matt, fürs Selbstbewußtsein nötig hat.
Sein rechter Fuß im Blechmobil tritt fest nach unten und skurril das Fahrzeug, nun ein Raszeug, rast, derweil es hinten kräftig gast.
Flörsheim (Hessen) HEINZ HERGENHAHN
Über allen Wipfeln ist Ruh', bald, lieber Wald, ruhest auch Du!
Buchholz C. GUTACKER
Ganz klar, mit Vollgas fährt er nur auf Piste, in der linken Spur, und Fahrer beiderlei Geschlechts drängt lichtblinkhupend er nach rechts.
Dem friedlichsten als Munition dient so PS und Aggression, und Minderwertigkeitsgefühle verpuffen im Verkehrsgewühle.
Zu beiden Seiten, stumm in Trauer, gespenstisch öd und ziemlich sauer, klagt schon die letzte Garnitur von dem, was ehemals Natur.
Bereits wirkt - schrecklich ungebührlich - das Umweltchaos fast natürlich. Und jeder deutet, schön geduldig, auf all die andern - die sind schuldig.
So donnert man in Seelenruh der abgrundtiefen Zukunft zu und fragt, naiv, brüskiert verwundert: »Wieso, warum denn Tempo 100?«
Flörsheim (Hessen) HEINZ HERGENHAHN
Frei nach Paul Gerhardt:
Geh' aus mein Herz und suche Freud', denn Du hast nicht mehr lange Zeit, Dich an Natur zu laben Schau an der schönen Gärten Zier, solange Blume, Baum und Tier noch Raum zum Leben haben. Die Bäume stehen voller Laub, doch die Chemie senkt ihren Staub herab auf Wald und Heide. Narzissus und die Tulipan, die weichen heut' der Autobahn, im Abgas wächst Getreide. Die Lerche schwingt sich in die Luft, bis auch ihr kleiner Leib verpufft im Sog der Düsenwerke. Die hochbegabte Nachtigall kämpft gegen den Transistorschwall und unterliegt an Stärke. Ich selber kann und mag nicht ruh'n, denn jeder muß das Seine tun, so groß sind die Gefahren. Ich singe mit, wenn alles singt, voll Hoffnung, daß es uns gelingt die Schöpfung zu bewahren.
Ellingen (Bayern) GEORG ROLAND MULL
Heute stirbt der Wald - und morgen unsere Kinder.
Passau (Bayern) STEPHAN MAYER Passauer Friedensforum
Bielefeld MARTHA FINK
BRIEFE
»Unruhiger Wanderer«
(Nr. 1/27/30/34/39/1984, Jugend-Arbeitslosigkeit) *
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren laß die Winde los. Wer jetzt noch keine Lehrstelle hat, ist jetzt allein, und wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Bewerbungsbriefe schreiben, und wird in den Alleen des Arbeitsamtes hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter fallen. (Nach Rilke)
Stuttgart R. HUGHES
BRIEFE
Sternen-Krieger
(Nr. 4, 6, 13, 29, 34, 46/1984, Ronald Reagans Pläne für die Rüstung im Weltraum) *
Die ideologische Übereinstimmung von Star Wars und der augenblicklichen Lage von Amerika ist unübersehbar.
Gütersloh JÜRGEN DOLASEK