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FUNKWERBUNG Spiel mit Dauerwelle

Nächstes Jahr werden Radio Luxemburg und ZDF über Hörfunk und Bildschirm erstmals gemeinsam Reklame senden. Die ARD zögert noch, dem zweifelhaften Pakt beizutreten.
aus DER SPIEGEL 42/1978

Der ZDF-Intendant Karl-Günther von Hase bekennt gern, »daß ich mich im öffentlich-rechtlichen Rahmen wohl fühle«.

»Die beste Verteidigung dieser Organisationsform«, auch das weiß der Herr der Mainzelmännchen in seiner »Verpflichtung gegenüber dem Ganzen«, »ist eine optimale und qualitativ hervorragende Programmgestaltung.« Nur sie könne allen, »die an einer Änderung der Rundfunkstruktur unseres Landes interessiert sind, den Weg schwermachen«.

Doch ausgerechnet im kommenden Jahr, wenn auch die gemeinnützige Anstalt in Mainz von der staatlich genehmigten Gebührenerhöhung (von 10,50 auf 13 Mark) für das öffentlich-rechtliche Massenmedium profitiert, kommt von Hase den Systemkritikern entgegen: Seine Werbefunker dürfen -- erstmals in der deutschen TV-Geschichte -- mit der »Radio-Télévision-Luxembourg« (RTL) kurz Radio Luxemburg genannt, gemeinsame Werbesachen machen.

Die ominöse Koproduktion läuft unter dem Titel »Spiel mit -- gewinn mit«, wird von den beiden Sendern als »unterhaltsame Werbung mit Spiel, Spaß und Spannung« angepriesen und soll an jeweils vier Samstagabenden im März und Oktober 1979, stets »acht vor sieben«, genau: siebeneinhalb Minuten vor dem »heute«-Start um 19 Uhr. in den zweiten Kanal geschleust werden.

Inszeniert wird der Reklame-Klimbim im Zwergstaat Luxemburg. Dort, beim einstigen Erzfeind der öffentlichrechtlichen Gralshüter, führt der frühere RTL-Sprecher Horst Tempel als »flott moderierender, dynamischer Präsenter« im »dekorativ ausgestatteten Studio« zehn verschiedene Markenprodukte vor. Diese »sind«, garantieren die Veranstalter. »die Hauptmitwirkenden der spannenden Quiz-Handlung«.

Um diese stummen Protagonisten hocken ein paar Studio-Gäste, die RTL gegen Spesenhonorar zur Produktion einlädt und denen der blonde Präsenter ein paar dumme Fragen stellt. Höhepunkt des bunten Treibens: für die richtigen Antworten winken den Anwesenden Sachpreise.

Allerdings soll auch die ZDF-Kundschaft beim Betrachten der aufgezeichneten Lustbarkeit nicht leer ausgehen. Für sie hat Quizling Tempel eine extra Frage und besonders »attraktive Preise« parat: ein »Einkaufsauto« und hundert mal hundert Mark in bar.

Als »ungewöhnlich werbewirksam« soll sich das gemischte Doppel von RTL und ZDF allerdings erst in dem »starken Medienverbund« erweisen: An drei Tagen vor der ZDF-Ausstrahlung wollen die Luxemburger auf ihren »vier fröhlichen Wellen« jede Stunde sechzig Sekunden lang auf das Ratespiel hinweisen; und an den vier Tagen nach der TV-Reklame strahlt RTL zusätzlich eine »hörfunkgerechte Umsetzung des Werbequiz mit werbewirksamer Produktpräsentation« aus.

Für die erstmalige Synchron-Werbung über Kommerz-Radio und öffentlich-rechtliches Fernsehen muß jeder Marktartikler 76 200 Mark aufbringen: 61 600 Mark kassiert das ZDF für anteilige 45 Sekunden, 14 600 Mark fordert RTL für die Begleitpropaganda. Außerdem müssen sich die Auftraggeber mit je 6100 Mark an den Produktionskosten beteiligen und »Studiogewinne in Form von Naturalien zur Verfügung stellen«.

Den Flirt mit den Luxemburger Radiowerbern hat Horst Buckwitz, der Chef des Mainzer Werbefernsehens, auf dem Gewissen. Der »ewigen Spots müde«, begann er im letzten Frühjahr die Suche nach »jugendlichen, dynamischen, frischen Formen« der Bildschirm-Reklame:., Doch wo findet man dafür schon die richtigen Leute?«

Buckwitz fand sie bei Radio Luxemburg und auch gar nichts dabei, mit den Marktschreiern aus dem Nachbarland zu kooperieren: »Das ist ein Rundfunksender wie jeder andere.«

Wenig Anklang fand Buckwitz allerdings bei den Werbegesellschaften der Landessender, die er auch noch in den ungewöhnlichen Medienverbund locken wollte. Vor allem die Hörfunk-Werbung des Bayerischen Rundfunks und des SFB, deren Sendegebiete RTL mit seiner reklamedurchsetzten Dauerwelle nicht bestreichen kann, hätten die Mainzer gerne als Zusatz-Verstärker ihres Werbeblocks eingeschaltet. »Aber auf mein schriftliches Angebot vom Juni«, mokierte sich Buckwitz letzte Woche, »kam bislang keine Antwort.«

Am kommenden Mittwoch nun will die »Arbeitsgemeinschaft Rundfunkwerbung« (ARW), eine Art Reklame-ARD, auf ihrem Jahrestreffen im Frankfurter Sheraton Hotel über die Mainzer Offerte beraten. Der amtierende ARW-Vorsitzende Hans-Bodo von Dincklage glaubt allerdings kaum, daß sich auch noch ARD-Anstalten vor das ungleiche Werbeduo spannen lassen. »Ganz privat« lehnt er »jede Zusammenarbeit mit Radio Luxemburg ab": »Dagegen habe ich stärkste rundfunkpolitische Bedenken.«

Die teilt, wenn's ums Geld geht, in Mainz offenbar niemand. Schon reisen die Werbeagenten von RTL durch die Bundesrepublik, führen ihren Kunden eine Pilotsendung des angeblich heiteren TV-Konsumartikels vor und verkünden rosa Zeiten: »Wenn das einschlägt, werden wir so was ab 1980 jede Woche machen.« Dann würde sich Radio Luxemburg endgültig in jenem öffentlich-rechtlichen Rahmen einnisten, in dem Intendant von Hase sich so wohl fühlt.

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