SPLENDID ISOLATION
(Nr. 10/1967, Atomsperrvertrag und Rudolf Augstein)
Wer da gemeint hat, ein »kleinkariert« denkender Bundespräsident sei ungeeignet, das »Volk der Dichter und Denker« zu repräsentieren, der ist spätestens durch die »Diskussion« über den Atomsperrvertrag eines Besseren belehrt worden. Denn was da von völlig unautorisierten Leuten mit marktschreierischen Gebärden geäußert worden ist, offenbart doch eine (die Tiere mögen mir verzeihen!) Frosch-, Fuchs-, Hunde- oder bestenfalls Ochsenperspektive (Springer, Adenauer, Barzel, Strauß) und entspricht in hohem Maße der unqualifizierten Amtsführung des mitleiderregenden kleinen grauhaarigen Herrn aus dem Sauerland ...
Essen SIEGERIED SOTH
Pastor
Die Aufregung um den Nichtweitergabevertrag ist angesichts der Tatsache, daß in dem Augenblick, wo zukunftsträchtige Forschungsobjekte zum Beispiel in der Luftfahrtindustrie eingestellt und Wissenschaftler entlassen werden, nicht zu verstehen. Die zur Lawine anwachsenden Verpflichtungen aus den Wahlgeschenken und das kleinkarierte Ressortdenken werden wirkungsvoll verhindern, daß in Zukunft jemals die notwendigen enormen Mittel für die anvisierten Forschungszwecke zur Verfügung stehen werden.
Reudern (Bad.-Württ.) EBERHARD STEPHAN
Ich habe durchaus den Eindruck, daß wirkliche Politik dort beginnt, wo die Gedanken unserer Amateur-Politiker mit ihrer spezifisch deutschen Politik der »lauten« Schritte aufhören. Hinterher war es dann nur »Scherz«.
Hannover HORST RIEKE
Sehr geehrter Herr Augstein!
In der Ausgabe des SPIEGEL vom 27. Februar fragen Sie in einer Glosse zum Atomsperrvertrag, ob es denn unter anderem die Sache von Minister Höcherl sei, über einen noch nicht fertiggestellten internationalen Vertragsentwurf ein öffentliches Lamento anzustimmen. Dazu darf ich folgendes bemerken: Sie schreiben zum gleichen Thema als Staatsbürger und Publizist, und es ist Ihr gutes Recht und Ihre Pflicht, das zu tun. Sie machen in Ihrer Glosse von dem Recht der freien Meinungsäußerung weidlich Gebrauch. Sie werden mir als Staatsbürger und Abgeordneter des Deutschen Bundestages ebenso das Recht zugestehen, mich zu allen entscheidenden Fragen zu äußern. Darüber hinaus besteht für mich als Bundesminister die verfassungsmäßige Pflicht, die Meinung der Bundesregierung nach Abstimmung mit meinen Kollegen nach außen und innen zu vertreten.
Schließlich muß ich Ihnen sagen, daß Sie mich falsch zitiert haben. Ich habe auf Anfrage der »Welt am Sonntag« erklärt: »Ich bin der Überzeugung, daß es den Bemühungen des Kanzlers in Zusammenarbeit mit dem Kabinett gelingen wird, dem Vertrag eine zu billigende Form zu geben.«
Bonn HERMANN HÖCHERL
Rudolf Augstein hat recht, wenn er voraussagt, daß alles, was während der letzten Wochen durch deutschnationale Hysterie kaputtgeschlagen worden ist, uns in naher Zukunft wieder in Rechnung gestellt wird. Mein Kollege Karl Wienand hat unmittelbar als Antwort auf die von Ihnen erwähnte erste Attacke gegen den Atomsperrvertrag durch unseren Nato-Botschafter Grewe an die Versäumnisse erinnert, die offenbar in perfekter Weise verdrängt worden sind. Er sagte in einem Interview mit dem Süddeutschen Rundfunk: »Wir hätten nach meinem Dafürhalten die Möglichkeit gehabt, während der Jahre andauernden Vertragsverhandlungen in engster Konsultation mit den Amerikanern und Engländern uns über das zu informieren, was vor sich geht, und hoffen, unserer besonderen Situation Rechnung tragend, unsere Einwände geltend machen zu können.« Hier liegt eine der Ursachen unserer Misere. Während man gebannt auf atomaren Mitbesitz starrte, schlief unsere Abrüstungsdiplomatie den Schlaf der Gerechten. Die neue Regierung wird sich noch energischem diesen Problemen zuwenden müssen, und dabei hat sie den Sachverstand zu mobilisieren, der von seiten der unabhängigen Wissenschaft angeboten wird. Gerade daran scheint es gelegentlich zu mangeln, wenn naturwissenschaftliche Probleme im Zusammenhang mit den Kontrollparagraphen von Laien eine Auslegung erhalten, die offenbar abwegig ist. Entscheidungen aber müssen letztlich von Politikern getroffen werden, wobei folgende Ausführungen im vorgenannten Interview Karl Wienands unterstrichen werden sollten: »Ich glaube, daß Amerika, England auf der einen und Rußland auf der anderen Seite ein legitimes Interesse daran
haben, daß ein solcher Vertrag zustande kommt. Dabei haben sie auch, vielleicht im Osten mehr, bei den Verbündeten weniger, daran gedacht, ähnlich wie es bei der Nato und der WEU war, die Bundesrepublik im Griff zu behalten. Es wäre töricht, wenn wir das leugnen wollen. Derjenige, der es heute leugnen wollte, der würde damit unter Beweis stellen, daß er die vergangenen 16 oder 18 Jahre der Bundesrepublik und ihrer Bündnispolitik nicht verstanden oder bewußt falsch verstanden hat.«
Bonn HANS IVEN
In Ihren Bericht über den geplanten Atomsperrvertrag hat sich, soweit er die Haltung der Freien Demokraten betrifft, ein falscher Zungenschlag eingeschlichen. Als Vorsitzender des außenpolitischen Arbeitskreises der FDP-Bundestagsfraktion hatte ich Gelegenheit, am 21. Februar 1967 abends an der Unterredung mit dem Bundeskanzler teilzunehmen. Das Schwergewicht der Verhandlungen lag eindeutig auf der Frage, ob die Freien Demokraten zum Thema Atomsperrvertrag auf einer »aktuellen Stunde« bestehen blieben. In diesem Zusammenhang wurde vom Bundeskanzler auch der Gedanke erwogen, ob die FDP-Abgeordneten nicht ihre mündlichen Fragen zurückziehen könnten. Wir erklärten darauf, daß wir auf eine Beantwortung der Fragen nicht verzichten könnten, schon damit die verbreiteten Spekulationen und tendenziösen Berichterstattungen über den Vertrag in der Öffentlichkeit wieder geradegerückt werden.
Von dem Ergebnis der Antworten der Regierung werde es abhängen, ob die FDP eine »aktuelle Stunde« im Plenum beantrage oder nicht. Unter anderem nur wurde dem Bundeskanzler klargemacht, daß es technisch gar nicht mehr möglich war, die Fragen nicht zu stellen, sie waren ja schon ausgedruckt!
Bonn FRITZ-RUDOLF SCHULTZ
Man sollte in der Diskussion um den Nonproliferation-Vertrag mehr auf die Experten (in diesem Falle Atomphysiker) als auf die Weltpresse hören. Sollte uns aus diesem Vertrag für die Zukunft ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen, so werden wir zwar in den Augen des Auslandes atomar unschuldig bleiben, von dem wirtschaftlichen Nachteil würde uns dann wohl aber niemand befreien.
Idar-Oberstein JÜRGEN BEIER
Kein Industrieland der Welt wird sich selbst den Strick drehen wollen, und so wird der Vertrag schließlich nach langem Palaver an sich selbst zugrunde gehen.
Neuß GERD SENGE
Selbst wenn ein für »Nichtatomare« akzeptabler Modus für das Kontrollverfahren gefunden wird, bleibt doch die Machtanmaßung des anglo-amerikanischen Machtpols einerseits und des russischen Machtpols andererseits. Diese beiden Machtpole wollen sich selbst rechtlich zugebilligt wissen, was allen anderen verboten sein soll. Das läuft eindeutig auf eine Verfestigung der bipolaren Machtstruktur hinaus, der die Völker der Erde unterworfen sind beziehungsweise noch unterworfen werden sollen. Die Abhängigkeit aller Staaten von ihrem jeweiligen Machtpol soll durch die Möglichkeit weit überlegener waffentechnischer Bedrohung für alle Zeiten gesichert werden. Außerdem bedeutet dieser Vertrag die erste Legalisierung der amerikanisch-russischen Weltherrschaft auf internationaler Ebene.
Dieser ungeheuerlichen Machtanmaßung, die unter der Tarnung treuäugiger Friedensverheißung in Erscheinung tritt, sollte der SPIEGEL mit etwas weniger Naivität begegnen. Sonst besteht die Gefahr, daß die beste politische Wochenzeitschrift, die wir haben, auf hinterwäldlerisches Niveau absinkt. Straubing (Bayern) HELMUT WILD