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Briefe

STAAT IM STAATE
aus DER SPIEGEL 38/1962

STAAT IM STAATE

Man könnte meinen, daß es für Beamte ein äußerst erstrebenswertes Ziel sei, Parlamentarier zu werden. Allein so »lukrativ«, wie Sie meinen, sieht die Sache im allgemeinen doch nicht aus. Wenn Sie beispielsweise schreiben, daß die Beamten und Richter nach Annahme der Wahl mit vollen Dienstbezügen in den Ruhestand treten, so unterliegen Sie hier, soweit es die Mehrzahl der Parlamentarier betrifft, einem erheblichen Irrtum. Der Beamte tritt in den Ruhestand und erhält nur die Ruhegehaltsbezüge, die er bis dahin Verdiente hat. Das kann bei einem jüngeren Beamten unter Umständen weniger als 50 Prozent seines Gehaltes sein. Ehe ein Beamter überhaupt das Höchstruhegehalt von 75 vom Hundert der vollen Dienstbezüge erreicht hat, muß er eine Dienstzeit von 35 Jahren abgeleistet haben.

Oldenburg (Oldenbg.) GÜNTHER SCHNUPP

Wer die Entwicklung in unseren Parlamenten sorgsam verfolgt, begrüßt es, daß die ebenso wichtige wie leidige Frage der Zusammensetzung unserer Volksvertretungen aufgegriffen wird. Der Öffentlichkeit war es bisher viel zuwenig bekannt, daß eine ihrer Gesamtzahl nach verschwindend kleine Gruppe von Beamten, entgegen dem Grundsatz der Gewaltenteilung, das gesamte übrige Heer der Staatsdiener und sich selbst von den gesetzgebenden Körperschaften her letzten Endes besoldet, befördert und ihre Rechtsstellung maßgeblich beeinflußt. Ich bin überzeugt davon, daß die große Masse der Beamten diesen sachlich

ungerechtfertigten Vorrang einiger weniger Angehöriger des Beamtenstandes entschieden ablehnt,

erst recht, wenn er mit so erheblichen Vorteilen für diese wenigen verbunden ist wie in Bayern und Bremen.

Es ist kein Wunder, daß dem Abgeordneten Riedel, einst Mitglied der verfassunggebenden Landesversammlung Bayerns, der Kragen geplatzt ist, als für sein so dringliches Änderungsgesetz in seiner bisherigen Fraktion, der CSU, wenig Verständnis zu finden war. Bei Riedel mag auch das, wie es heißt, »konfessionelle Unbehagen« mitgespielt haben, als er, der sich besonders auch in evangelischen Kreisen großer Achtung erfreut, vor kurzem aus der CSU austrat und Mitglied der Freien Demokratischen Partei wurde. München DR. PAUL WÜLLNER

Was den sogenannten »Trieb der Beamten ins Parlament« betrifft, so muß dieser naturgemäß um so größer erscheinen, je mehr zielbewußte Männer und Frauen anderer Berufsgruppen dem Materialismus außerhalb der parlamentarischen Arbeit frönen.

Hamburg HANS-JOACHIM PORPS

Die Mehrheit der Deutschen wünscht keine Beamten als Abgeordnete, sie wünscht aber noch weniger, daß diese Beamten gleich zweimal Steuergelder kassieren.

Bamberg K. HARTMANN

Jetzt sind mir die ganzen Nazi-Affären mit ihren großen Nachzahlungen mit Pensionen erst richtig klargeworden. Ich brauche mich auch gar nicht zu wundern, daß das 131er Gesetz nicht für das Deutsche Reich von 1937, sondern für das Großdeutsche Reich mit seinen Satelliten vom 8. Mai 1945 Gültigkeit hat, einschließlich aller jetzt nicht so leicht erreichbaren »Alten Kämpfer«!

Weil (Rhein) RUDOLF SCHARF

In Deinem Artikel »Diener zweier Herren« triffst Du die Feststellung, die Beamten setzten ihre Gehälter und Pensionen selbst fest. Mir scheint, da fehlt der Nachsatz: Und die Abgeordneten der übrigen Berufsgruppen ihre Steuern, Profite und Subventionen. Wo ist da der Unterschied? Höchstens doch der, daß diesen zusätzlich noch einflußreiche Lobbyisten zur Verfügung stehen.

Kassel CONRAD LÖWE

Sie dienen nicht zwei Herren, sondern in jedem Falle dem Land. Erstaunlich, daß so viele Beamte, ihren Kopf für die Allgemeinheit hinhaltend, die Ochsentour ins Parlament gehen.

Lahr (Schwarzwald) ERHARD HOFSTETTER

Keine Gewerkschaft hat bis jetzt das ausgehandelt, was dem deutschen Beamten seit eh und je zugestanden wird: Bezahlter Urlaub bis zu 5 Wochen, Gehaltsfortzahlung im Krankenfall auf unbegrenzte Zeit und natürlich Pension. Dazu kommen noch zahlreiche Sonderzulagen wie Wohnungsgeld, Freifahrtscheine bei der Bahn und so weiter.

Rodenkirchen bei Köln WALTER NELLEN

Wer die Geschichte »Diener zweier Herren« liest, der muß den Eindruck gewinnen, als stünden die Beamten überall in deutschen Landen unmittelbar vor der »Machtergreifung«. Indessen sieht man an der außerordentlich zögernden Art und Weise, in der die Landtage und der Bundestag jeweils über Beamtenforderungen befinden, daß die Beamten (und die öffentlichen Bediensteten, Pensionäre, Bürgermeister usw., die Du alle In einen Topf wirfst) weit davon entfernt sind, eine »Fraktion« zu bilden. Sie sind nämlich - soweit sie wirklich echte Berufsbeamte sind - von ihrer Tätigkeit her so stark aufs Gemeinwohl bezogen, daß sie als Parlamentarier an alles andere denken, nur nicht daran, sich ihre eigenen Beamtengehälter aufzubessern.

Das ist das eine. Das andere ist, daß diese insgesamt 31,8 Prozent »Beamte«, von deren sinistren Machenschaften Du (zusammen mit dem Deutschen Industrie-Institut, von dem diese Untersuchung ja stammt) da redest, zum großen Teil ihres Sachverstandes wegen die Parlamente zieren, zum anderen Teil aber nur als Beamte in Anführungszeichen zu betrachten sind. Der Hinweis, daß die »Personalpolitik der SPD« bisweilen dafür sorgt, daß »altgediente Genossen« als Staatsbedienstete und Parlamentarier versorgt werden, weist schon in diese Richtung.

Wir möchten nur einwenden, daß solche Übung sich in den letzten Jahren durchaus nicht auf die SPD beschränkt hat - Professor Eschenburg hat sogar von »typischen Patronageparteien« gesprochen.

Der Deutsche Beamtenbund ist zur Zeit mit einer Untersuchung beschäftigt, die den Anteil der echten Berufsbeamten, also der Beamten, die einmal Beamte auf Lebenszeit sind, zum anderen aber tatsächlich den Beamtenberuf zu ihrem Lebensberuf gewählt haben, feststellen wird. Dann wird sich herausstellen, daß die Beamtenfraktion in den Landtagen und im Bundestag zusammenschrumpft.

Bad Godesberg DEUTSCHER BEAMTENBUND

Möglicherweise ist die Zeit nicht mehr fern, in der den Anwärtern auf den kommunalen Dienst bereits bei ihrem Eintritt das Parteibuch der jeweils einflußerhebenden Partei bei der entsprechenden Behörde ausgehändigt wird. Mit dem praktischen und theoretischen Rüstzeug versehen, wird er der einzige Beruf in Deutschland bleiben, dem man bereits bei Berufsbeginn nahelegt, sich nach einer zweiten Steuerkarte umzusehen, damit er, je nach Veranlagung, sich das Gleis, auf dem er einmal fahren will, selbst aussuchen kann und wenn er Virtuose dieser Kunst ist, bei entsprechend zu honorierender Bezahlung, auch auf zwei Gleisen fahren kann.

Duisburg-Hochfeld W. HEINZE

... betonen Sie mit Recht die Teilung der Gewalten - Gesetzgebung, Verwaltung, Justiz - im Sinne von Montesquieu und Plato. Wie aber sieht es in der Bundesrepublik aus? Der beamtete Minister bleibt Abgeordneter. Das ist doch eine Vermischung der Verantwortlichkeiten; denn der Minister ist dem souveränen Bundestag verantwortlich, aber nicht sich selbst. Wir haben zur Zeit eine Ministerhypothek auf der Souveränität.

Frankfurt DR. ROBERT SIEGERT

FDP-MdL Wüllner

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