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RHEINLAND-PFALZ Starker Wind

aus DER SPIEGEL 47/1970

Verdrossen blickte Helmut Kohl, Regierungschef in Rheinland-Pfalz, auf die Mattscheibe und mokierte sich über »haarsträubende Dummschwätzer« im Fernsehen.

Denn alle Welt sprach = am vorletzten Sonntag -- von der Hessenwahl, kaum jemand von den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz. Erst zu später Stunde und zudem nur im dritten Kanal des Südwestfunks« hatte der Mainzer Ministerpräsident Gelegenheft, auch seine Christenunion ins rechte Licht zu rücken.

Vor der Kamera rühmte der CDU-Landesvorsitzende die Kantersiege seiner Partei im Raum Koblenz-Trier, wo sie in allen sechs Kreistagen, die zur Wahl standen, die absolute Mehrheit errungen oder ausgebaut hatte. Kohl: »Ein Bombenerfolg für uns.«

Kohls Koalitionspartner hingegen, FDP-Landeschef Hermann Eicher, dessen rheinland-pfälzische Liberale mit ihrer CDU-Treue allmählich Seltenheitswert erlangen, blieb bescheiden: »Wir waren nicht gerade umwerfend.« Und auch SPD-Landesvorsitzender Wilhelm Dröscher aus Kirn, dessen Genossen von jeher im schwarzen Norden des Landes keinen Platzvorteil haben, verzichtete auf die in Wahlnächten übliche Gewinnrechnung und verkündete lapidar: »Wir haben doch überall vorwärts gemacht.«

Sichtbar vorwärts geht's, wie es scheint, im Rüben- und Rebenland nur noch mit Kohls CDU. Während 3,17 Millionen Hessen einen neuen Landtag wählten, stimmten rund 600 000 Rheinland-Pfälzer -- vorwiegend Eifelbauern, Moselwinzer und Bimsarbeiter, insgesamt rund ein Drittel der Wähler des Landes -- über die künftige Zusammensetzung ihrer Kommunalparlamente ab: sechs Kreistage, 31 Stadt- und Gemeinderäte sowie 68 Verbandsgemeinde-Vertretungen, deren Territorien der Mainzer Landtag letzten Juli in einer umfassenden Gebiets- und Verwaltungsreform neu geschnitten hatte, standen zur Wahl.

Und das Ergebnis, oft wegen lokaler Besonderheiten nur regional von Belang, signalisiert schon heute den Ausgang der Mainzer Landtagswahl am 21. März.

Dröschers Sozialdemokraten, an Rhein und Mosel die ewigen Zweiten, dürfen -- am Wahlergebnis vom 8. November gemessen -- auch im Frühjahr nur mit schwachem Aufwind rechnen. Zwar hofft der Landeschef: »Der starke Rückenwind aus Bonn, der kommt erst noch.« Doch die Christdemokraten, die letzthin schon ihre Traumzahlen in Hunsrück und Eifel (82,9 Prozent bei der letzten Bundestagswahl Im Raum Kelberg) abbröckeln sahen, können demnächst mit einer absoluten Mehrheit rechnen -- die sie 1967 mit 49 von 100 Landtagssitzen nur knapp verfehlten.

Denn die Verwaltungsreform, vor allem die Fusion von Zwergdörfern zu leistungsfähigen Verbandsgemeinden mit mindestens 7500 Einwohnern, erweist sich trotz zahlreicher Proteste von Bürgermeistern, Einzelhändlern und Vereinspräsidenten als CDU-Wahlschlager: in 53 der 68 neuen Verbandsgemeinden siegte die Kohl-Partei, 44mal mit absoluter Mehrheit. im Durchschnitt erreichte die CDU in den Verbandsgemeinden 52,7 Prozent (SPD: 30,4, FDP: 5,4, Wählergruppen: 11,4). In den sechs Kreistagen, wo die Sozialdemokraten bei 31 Prozent stagnieren, hält die Christen-Union fast die doppelte Zahl an Sitzen. Resigniert Wilhelm Dröscher: » Die haben sich halt bei der Verwaltungsreform bewußt ihre Mehrheiten auf dem Reißbrett zurechtgeschneidert.«

In der Tat machte die CDU oft nur deshalb guten Schnitt, weil sie -- wie etwa in Rüdesheim und Sobernheim an der Nahe -- bei der Grenzziehung von Verbandsgemeinden rote Hochburgen mit CDU-treuen Dorfbastionen zusammengelegt hatte, was künftige Wahlresultate beeinflussen mußte.

Nur in Mittel- und Kleinstädten, deren Parlamente nach der Eingemeindung von Umlanddörfern neu zu wählen waren, führt die SPD mit durchschnittlich 45 Prozent vor 44,6 Prozent CDU-Stimmen. In Neuwied etwa behaupteten die Sozialdemokraten ihre absolute Mehrheit, in der Stadt Mayen, wo die Verwaltungsreform besonders heiß umkämpft war, kamen sie auf 49,5 (CDU: 40,4> Prozent.

Verdruß in Stadt und Land bescherte Kohls goldener Schnitt den Freien Demokraten, die im Koalitionskabinett die Territorialreform nach Kräften gefördert hatten. In vier der sechs neuen Kreistage ist die FDP nicht mehr vertreten. Und nur, weil Eichers Liberale im Rhein-Hunsrück-Kreis noch 14,7 (1969: 19,6) Prozent erreicht haben, liegt ihr Gesamtergebnis für alle sechs Kreise bei der 5,6-Prozent-Marke. Im Landkreis Bitburg-Prüm erreichte die FDP gar weniger Stimmen (2038), als ungültige Wahlzettel (2159) abgegeben worden waren.

Zwar rechnet sich FDP-Präside Eicher, Kohls Finanzminister, trotz solcher Niederlagen noch immer »mindestens acht Prozent für die Landtagswahl aus, weil diese Kommunalwahl ja nicht in FDP-Hochburgen stattgefunden hat« -- doch mit linken Sympathisanten wie in Hessen, die mit ihrem FDP-Votum den Bonner Regierungskurs stützen wollten, kann CDU-Gehilfe Eicher im Frühjahr kaum rechnen. Zudem schöpfen die Freidemokraten, seit Helmut Kohl seiner Landespartei einen liberalen Anstrich verschafft hat, zunehmend aus demselben Wählerreservoir wie die Christdemokraten.

»In den Armen des großen Partners«, prophezeit SPD-Führer Dröscher, »werden die rheinland-pfälzischen Liberalen den gleichen Tod erleiden wie die FDP an der Saar.«

* Bei einer Demonstration gegen die rheinland-pfälzische Gebietsreform in Koblenz.

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