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BAUERN Stattliches Zubrot

Filzokratie in Schwarz: Der Bayerische Bauernverband partizipiert kräftig am CSU-Staat und deckt seine Funktionäre mit Posten, Mandaten und Provisionen ein.
aus DER SPIEGEL 48/1976

Das Haus Nr. 9 in der Münchner Max-Joseph-Straße, errichtet 1894 als originalgetreue Kopie eines römischen Palazzo« war einst berühmt für allerlei obskure Séancen der feinen Gesellschaft. Später diente es der NSDAP als großdeutsche Beitragszentrale. Heute residiert in dem Palais, inmitten von Stuckwerk, geschnitzten Holzvertäfelungen und phrygischem Marmor, der Bayerische Bauernverband (BBV).

Die weiß-blaue Agrarlobby erwarb die prächtige Immobilie schon 1949 preisgünstig vom Freistaat Bayern und kümmerte sich detailgerecht um die Erhaltung des Hauses. »Der Bayerische Bauernverband«, so spotten BBV-Kritiker seitdem beziehungsvoll, »steht unter Denkmalschutz.«

Einmalig in seiner Art ist dieser Verband nämlich auch in organisatorischer Hinsicht. Als einziger der 15 westdeutschen Bauernverbände, unter denen er mit 220 000 Mitgliedern auch der weitaus größte ist, besitzt der BBV den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, verliehen in der Ära des legendären Landwirtschaftsministers und Bauernapostels Alois Hundhammer (CSU). Der Segen -- Befreiung von Körperschafts-, Vermögens- und Kapitalertragssteuern -- kam damals nicht von ungefähr: Er lag in der altbayrischwittelsbacherischen Tradition, Berufsstände mildtätig an den Staat zu binden.

Kaum eine andere berufsständische Vertretung ist aber auch so innig liiert mit den Unionsparteien wie Bayerns Bauernverband mit der im Freistaat seit 19 Jahren regierenden CSU. Die meisten seiner Spitzenfunktionäre, Kreis- und Ortsobmänner im ganzen Land sind aktive Parteimitglieder, voran Verbandspräsident Otto Freiherr von Feury (Mitglied des CSU-Landesvorstands und Landtagsabgeordneter) und die BBV-Bezirkspräsidenten Toni Beck (Niederbayern), Gustav Sühler (Oberfranken), Georg Ehnes (Mittelfranken), Otto Menth (Unterfranken) und Eduard Bachinger (Oberbayern), von dem der Ausspruch stammt: »Wenn es uns schlecht geht, dann beten wir halt wieder.«

»Alles eine schwarze Soße«, urteilt Martin Schmidt (Gellersen), Agrarsprecher der SPD im Bundestag, über den Bayerischen Bauernverband: »Wurmfortsatz der CSU bis ins letzte Glied«, konstatiert Fritz Gentner, SPD-Agrarexperte im Bayerischen Landtag: »Gegen diese Filzokratie sind die Gewerkschaften Waisenknaben.«

Verständlich, daß die Opposition in Bayern wie auch andere BBV-Kritiker erst recht stutzig werden, wenn sich die Landwirtslobby gelegentlich in programmatischen Äußerungen um ein neutrales Image bemüht -- wie beispielsweise Baron Feury es immer mal wieder tut: »Den von seinen Vätern im weisen Entschluß festgelegten Grundsatz der parteipolitischen Unabhängigkeit hat der Verband stets gewissenhaft beachtet.« Den jüngsten, mit großem Aufwand gestarteten Versuch, bei dem der BBV soeben zum erstenmal mit »Leitlinien« zur Gesellschaftspolitik hervortritt, wertet ein ehemaliger BBV-Funktionär freilich als »verbrämtes Treuebekenntnis zur Regierungspartei« und »sonst viel Wischiwaschi«.

Tatsächlich ergeht sich das Programmwerk, an dem die Verfasser monatelang gearbeitet haben, passagenweise in Allgemeinplätzen und

Platitüden ("Ethische Prinzipien und immaterielle Werte sind zunehmend durch eine Ausrichtung am rein Materiellen abgelöst worden"). Wo"s konkreter wird, propagiert der Verband beispielsweise den »Vorrang für den ländlichen Raum« oder ein rigoroses Eigentumsrecht, vornehmlich für Bauerngrund und -boden: »Jeder Versuch der Eigentumsaufspaltung oder der Aushöhlung durch eine übergewichtige Sozialbindung muß auf schärfste Ablehnung stoßen.«

Vor allem: Die neuen »Leitlinien« tangieren in keiner Weise die alten Privilegien und Pfründen der Bauern-Funktionäre, die durchaus nicht nur zum Wohl des ganzen Nährstandes gereichen.

Noch immer darf der BBV beispielsweise turnusmäßig elf gut dotierte Plätze im Senat, der 60köpfigen zweiten Kammer des Landesparlaments -- Spezifikum der bayrischen Verfassung -- besetzen, obschon der Anteil der Land- und Forstwirtschaft an der Bevölkerung des Landes seit den Berechnungen der Verfassungsväter von 30,6 auf 12,4 Prozent zurückgegangen ist. »Wir wissen«, sagt dennoch BBV-Generalsekretär Gebhard Quinger, »wofür wir unsere Sitze verteidigen.« Offenbar in erster Linie für die sieben BBV-Bezirksfürsten, die kraft ihres Amtes automatisch in die Ständekammer einrücken und sich von ihren Bauern gern mit »Herr Senator« anreden lassen.

Befreit von Steuerlast, erwirtschaftete das BBV-Generalsekretariat in den letzten Jahren ein Kapitalvermögen von -- nach eigenen Angaben -- 15 Millionen Mark, angelegt vornehmlich in Wertpapierkonten, »auf jeden Fall mündelsicher« (Quinger). Der Verband besitzt mittlerweile in ganz Bayern Immobilien mit einem Verkehrswert von etwa 30 Millionen Mark. Eigene Betriebe wie das Gut »Goldene Weide« im Schwäbischen (Maisanbau und Bullenmast) oder wirtschaftliche Beteiligungen, etwa am Bayerischen Landwirtschaftsverlag oder der Südfleisch GmbH in München, werfen stattliches Zubrot ab.

Immerhin zwanzig Prozent seiner Einnahmen (BBV-Haushalt 1976: 20 Millionen Mark) bezieht der Berufsverband nicht aus Mitgliederbeiträgen, sondern aus Zinserträgen und Gewinnen. Dennoch gibt sich der BBV gegenüber der Regierung gern bedürftig -- und kriegt denn auch noch Geld aus dem Säckel: derzeit 2,5 Millionen Mark aus dem Etat des bayrischen Landwirtschaftsministeriums als »Zuwendungen zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben«. Das ist mehr als das Doppelte dessen, was dem BBV nach eigenem Bekunden jährlich an Personalkosten anfällt.

Diese seit 1970 gesetzlich verbriefte Aufwandsentschädigung soll Leistungen abgehen, etwa Sozialberatung oder Bildungshilfen, die der Bauernverband anstelle der in Bayern abgeschafften Landwirtschaftskammern auch für Nicht-Mitglieder erbringt -- obschon der weitaus überwiegende Teil der früheren Kammertätigkeit längst vom Staat selbst, etwa durch die Landwirtschaftsämter, ausgeübt wird. Nebenbei nimmt der BBV aber bei einschlägigen Versicherungsberatungen in den BBV-Geschäftsstellen noch »Unkostenvergütungen« von den berufsständischen Sozialversicherungsträgern ein: letztes Jahr 400 000 Mark.

Noch dubioser erscheinen Einnahmequellen, die für den Verband und einzelne Verbandsmitglieder mehr im Verborgenen sprudeln und auf umfangreiche Interessenverflechtungen weisen. Dutzende von BBV-Funktionären sitzen in Aufsichtsräten, Ausschüssen und Beiräten privater und genossenschaftlicher Unternehmen, der Banken und Erzeugergemeinschaften, voran wiederum Baron von Feury (26 Ämter) und der Franke Ehnes, CSU-Landrat in Ansbach. Aber auch in den Gremien der Sozialversicherungsträger, deren Beitragserhöhungen sie unter Bauern lautstark beklagen: etwa BBV-Vizepräsident Sühler, Vorsitzender der Vertreterversammlung der landwirtschaftlichen Krankenkasse Oberfranken, die ihre Prämien im vergangenen Jahr dreimal heraufschraubte.

Im Landesausschuß der monopolisierten Bayerischen Schlachtviehversicherung« bei der die Bauern mit heftig umstrittenen Einheitsprämien in der Pflicht sind, werden die Landwirte nur »von Repräsentanten des BBV« vertreten, so Direktor Ludwig Bledl von der Bayerischen Versicherungskammer. Die Viehversicherer beschlossen vor zwei Jahren zusätzlich zu den üblichen Vergütungen für Ausschußmitglieder eine jährliche »Zuwendung für Werbetätigkeiten« von 40 000 Mark an den Bauernverband -- womöglich als Stillhaltebonus für die Berufsvertreter, denn just zur gleichen Zeit entbrannte die Diskussion um die Schlachttier-Pflichtversicherung« aus der sich der BBV denn auch mehr oder weniger heraushielt.

Auch Direktor Erich Wagner von der Allianz-Versicherungsgruppe in München schätzt die »engen Beziehungen« zu »unseren Partnern« vom Bauernverband, an der Spitze erneut der Baron von Feury im Allianz-Aufsichtsrat und der Niederbayer Beck im Beirat. Doch gerade im Fall Allianz-BBV zeigt sich, daß derlei Beziehungen mehr außerhalb berufsständischer Interessenwahrnehmung liegen und dabei Honorare fließen als Entgelt für oder in Erwartung von Gegenleistungen.

Erfreulich für die Versicherung, daß »eine Reihe von Obmännern des Bayerischen Bauernverbandes«. so Direktor Wagner, »unsere Vertreter geworden sind«, denn »gerade im landwirtschaftlichen Geschäft« wolle die Allianz »mit Hilfe dieser Verbindung« die »Stellung behalten, die wir seit Jahrzehnten dort haben«.

Der Erfolg scheint ihr ziemlich sicher: 1800 Orts-Obmänner oder von ihnen benannte Vertreter stehen laut BBV-Auskunft unter Empfehlungsverträgen mit der Allianz und verdienen sich »einen Teil ihres Einkommens durch Vermittlung von Versicherungen« (Wagner).

Auch hier langt der Bayerische Bauernverband noch einmal selber hin und kassiert eine »Superprovision«, letztes Jahr 170 000 Mark. Eigentlich für nichts oder für die guten Beziehungen oder, so BBV-Syndikus Günther Meindl, »wie ein Obervertreter, wenn ich das mal so sagen darf«.

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