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Stern von Hawaii

aus DER SPIEGEL 21/1947

Die Fahnenfabrikanten in den Vereinigten Staaten freuen sich schon auf das große Geschäft. Zu den 48 Sternen im USA-Banner - für jeden der achtundvierzig Staaten der Union einer - sollen weitere hinzukommen. Drei Bewerber liegen in dem Rennen um die Ehre, der 49. Stern zu sein: das von hohen Schneebergen und tiefen Tälern durchzogene Alaska im Nordwesten des Kontinents, das sonnige Puertorico im Atlantik und die schöne Inselgruppe der Hawaiis im Stillen Ozean.

Das Tropenparadies sehen viele in diesen Inseln, auf denen leichtgeschürzte Hula-Hula-Mädchen zu den süßen Klängen einer weichen Musik singen und tanzen. Schlanke Palmen stehen an dem Strand von Waikiki. Frauen mit wunderbar tiefen Augen machen den Männern das Herz schwer und hängen ihnen Blumenketten um den Hals.

Hawaii ist ein Paradies. Aber dieses Paradies wird heute regiert von der Wirtschaft. Höher als die Gipfel elastischer Palmen ragen die Schornsteine von Zuckerfabriken. Und die Klänge der Gitarren werden übertönt von den Sirenen der Ananasfabriken. Weißes Gold und gelbes Gold. Zuckerrohr und Ananas, sind die Hauptprodukte der Inselgruppe. Weißes Gold und gelbes Gold verwandelten Naturmenschen, die in Grashütten lebten, in wohlhabende Aktionäre.

Das alte Paradies der Südsee ist verschwunden. Nur noch für die Touristen hat man einige Kulissen stehen lassen oder auch aufgebaut. Auf dem Paradeplatz von Honolulu lächelt von marmornem Sockel herab das Standbild von Hawaiis erstem König Kamehamea. Er trägt den alten Federhelm und Federmantel und blickt auf das Gewimmel moderner Kraftwagen, die über den Platz flitzen. Er blickt auf den dunkelhäutigen Verkehrspolizisten, der mit weitausholenden Bewegungen die Richtung freigibt.

Hinter der Kulisse des romantischen Hawaii ist ein modernes Paradies entstanden. Der weiße Mann hat die braune Kultur vernichtet, um eine neue Kultur aufzubauen. Unter amerikanischem Protektorat leben hier die verschiedenen asiatischen, polynesischen und weißen Rassen, einträchtig beieinander. Wie in den Staaten selbst, so haben auch hier, die USA

ihre kolonisatorische Begabung gezeigt. Auf Hawaii gibt es kein Rassenproblem mehr. Jeder, der auf Hawai geboren wird, ist automatisch amerikanischer Staatsbürger. Nur noch 13 Prozent der insgesamt 450 000 Einwohner der Inseln sind Hawaiier, 40 Prozent sind japanischen Ursprungs, 20 Prozent kommen von den Philippinen, 8 Prozent sind Chinesen.

Politisch ist Hawaii seit April 1898 USA-Territorium. An der Spitze steht ein Gouverneur, der von Washington ernannt wird. Die USA haben lange gezögert, die Hawaii-Inseln zu annektieren. Seit 1826 versuchte das USA-Marineministerium, zu einem Staatsvertrag mit Hawaii zu kommen. Das Interesse für die Eilande war jedoch in Amerika zunächst nicht sehr groß. Kamehamea hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts sein Königreich der Krone Englands angeboten. Hawaii sollte englisches Protektorat werden, Großbritannien sollte dafür die Inseln verteidigen. England lehnte dieses Angebot ab.

Auch Kamehamea ist ein Spiegelbild dieses verwandelten Paradieses. Als junger König sprang er im Lendenschurz über die Korallenbänke, die die Inseln umgeben und stach mit dem Speer Fische. Alt und schwach saß er mit Krawatte, steifem Kragen und Gehrock in seinem Arbeitszimmer und wartete vergebens darauf, daß Großbritannien sein Königreich annektierte.

Am 14. Februar hatte Präsident Truman in einer Botschaft an den Kongreß vorgeschlagen, Hawaii als neuen Bundesstaat aufzunehmen. Neun Mitglieder des Repräsentantenhauses und ein Senator hatten ähnliche Anträge eingebracht. Innenminister Julius Krug versprach im Thronsaal der früheren Könige von Hawaii, im Iolani-Palast in Honolulu, wo er kürzlich zu Besuch weilte, er werde sich im Kongreß dafür einsetzen, daß Hawaii nicht länger Territorium bleibe. Er hat sein Wort gehalten.

Andere begründen ihre Haltung damit, daß Hawaii in den fünfzig Jahren unter der Schutzherrschaft der USA die Lehren der Demokratie gründlich gelernt habe, jetzt seien die Hawaiier fähig, die volle Verantwortung für sich selbst zu übernehmen Außerdem sei Hawaii - wie Gouverneur Ingram M. Stainback erklärte - in der Lage, allen »wirtschaftlichen Anforderungen« zu begegnen, die einem Bundesstaat der USA zufallen.

Die Kulisse:

Hula-Hula für die Fremden

Hinter der Kulisse:

Frühstück aus dem Eisschrank

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