STEUERBILANZ
Herzlichen Dank für Ihren Artikel »Ein Deutscher am Steuer verwandelt sich«. Man weiß wirklich nicht, ob man lachen oder weinen soll, denn die Beobachtungen des Herrn Brügge treffen zu. Für Deutschland scheint das Auto zu einem Heiligtum, die Straße zur Rennbahn und der Fußgänger zum Freiwild zu werden.
Mainz DIETER SCHRÖDER
In Ihrer vorletzten Nummer brachten Sie treffliche Ausführungen über die bedauerliche Mentalität bundesrepublikanischer Kraftfahrer. Die von uns betreuten Nichtmotorisierten können ein Lied davon singen. In der Tat bringen die Fußgänger diesen motorisierten
Disziplinlosigkeiten bekanntlich die höchsten Blutopfer. Für solche Fahrer, wie sie Ihr Aufsatz schildert, sind Fußgänger nur Verkehrshindernisse.
Köln RICHARD DUBELMANN
Vorsitzender des
Schutzverbands der Fußgänger e.v.
Ich fahre zuweilen bewußt offensiv und gelte dann vermutlich bei manchen Leuten als »rücksichtsloser Fahrer«. Ich überhole, wenn es geht, ganze Kolonnen, nütze jede Überholgelegenheit konsequent aus und brauche, weil mir schnelles Kurvenfahren Spaß macht, alle 10 000 km neue Reifen. Aber: Ich habe noch nie den nachfolgenden Verkehr durch zu langsames Fahren aufgehalten, ich habe noch nie durch unentschlossenes Überholen zur Bildung einer Schlange beigetragen, ich bin noch nie an einer Ampel so schläfrig losgefahren, daß mein Nachfolger stehenbleiben mußte.
Stuttgart HELMUT CUNTZEN
Ihr Artikel entspricht völlig den Tatsachen. Es gibt im öffentlichen Leben kaum eine Diskussion zwischen Normalverbrauchern, die nicht das Auto zum Mittelpunkt hat. Wenn die Umgangsformen dieser Leute so gut wären wie ihre vorgegebenen Fahrkenntnisse wäre es erträglicher.
Erlangen WALTER LENTZ
Bei uns Deutschen ersetzt das Auto heute die Uniform, die wir früher doch ach so gerne angezogen - mit möglichst vielen Orden natürlich - und die uns dann zu Männern machte. Sie gab uns manche Rechte, diese Uniform, und wir machten gern Gebrauch davon, oft ohne Maßhalten. Mit der »Auto-Uniform« ist es doch nicht anders bei den
jungen Männern von heute, die eine
»Stoff-Uniform« gar nicht mögen. Diese Uniformliebe ist sicher auch ein integrierender Teil unseres Deutschtums und ist in allen Landesteilen mehr oder minder vertreten.
München ADOLF SCHEPP
Wenn deutsche Männer die Frauen ebenso verehren und anbeten würden wie ihre Autos, wären die Germanen die idealen Liebhaber.
München MARLIES HAGEN
In dem Artikel von Peter Brügge über Bundesbürger und ihre Automobile ist nicht gerade selten von Erziehung die Rede, wenn auch nur von »Verkehrserziehung«. Peter Brügge zeigt die Unzulänglichkeit einer »Vielfalt erzieherischer Angebote« und beklagt den »Mangel an erzieherischer Eindeutigkeit«. Vielleicht hängt das, was er im Blick auf die herrschende Praxis beklagt, damit zusammen, daß man hierzulande Polizeipräsidenten, Verkehrspsychologen und »ehrenamtliche Schlagwort-Herausgeber« da für kompetent hält, wo es um Fragen der (Verkehrs-) Erziehung geht.
Es könnte zumindest nichts schaden, wenn man einmal die Erziehungswissenschaft befragte. Es könnte überhaupt nichts schaden, wenn sich herumspräche, daß es in Deutschland diese Wissenschaft gibt, die nicht nur das Versagen der sogenannten Verkehrserziehung und das Unbehagen der Lehrerschaft an dieser Unart von Erziehung zu erklären, sondern auch Besseres vorzuschlagen weiß.
Berlin ADOLF-EUGEN BONGARD
Wissenschaftlicher Assistent
am Erziehungswissenschaftlichen Seminar der Pädagogischen Hochschule
Warum machen Sie sich über die Fahrkunst der deutschen Autofahrer lustig? Im Gegensatz zu den Franzosen sind wir wirklich Kavaliere der Landstraße; bei Vergleichen mit italienischen Fahrern sind wir - trotz einiger unausbleiblicher Fehler - wahre Meisterfahrer.
Kiel KLAUS HOHMANN
Aus meiner jahrzehntelangen Frankreich-Erfahrung-ich fahre schon sechs Jahre unter »F« - kann ich aber sagen: Nicht nur der Deutsche verwandelt sich am Steuer, auch der Franzose und, so will es scheinen, der Mensch überhaupt.
Hier wird aus Zorn und Rachsucht häufig von Familienvätern mit »Stock -Car«-Praktiken gearbeitet. Man drängt mit brüsken Steuerbewegungen den Gegner zum Straßengraben. Man fährt ihm vor und tritt brutal auf die Bremse. Auf den Champs Elysées hat mich ein neben mir Fahrender durch blitzartiges Aufreißen seiner scharfkantigen Tür bestrafen wollen, indem er mit ihr meinen Kotflügel anratschte, ohne selbst Schaden zu erleiden. Der gallische Charakter ist hier, im Gegensatz zum anzeigefrohen und lehrerhaften deutschen, der einzige fühlbare Unterschied. Demgegenüber hat das öfter beobachtete Blecken der Zunge bei Franzosen und Französinnen keinerlei Folgen im Gegensatz zu den in Deutschland so beliebten Anzeigen aus dem Publikum, welche hier unbekannt sind.
Sèvres (Frankr.) SIEGMUND FRHR. V. WELSER
Es fällt auf, daß dieselben Deutschen, wenn sie zum Beispiel ein Jahr in England wohnen und dort auch fahren, sich den üblichen Gepflogenheiten anpassen. Ebenso ist es in Amerika. Damit ist bewiesen, daß der Fahrstil wandelbar ist. Nun haben unsere amerikanischen Freunde ein hartes System, die Disziplin im Straßenverkehr zu erzwingen. Wer einmal 50 Dollar bezahlt hat, weil er eine Zigarettenschachtel auf die Straße geworfen hat, wird das vermutlich nicht ein zweites Mal tun. Und wer für einen Überholfehler 500 Dollar auf den Tisch legen muß, am selben Tag noch, der ist wohl für einige Zeit geheilt. Man kann nicht nur das Fließband und die Autobahn importieren, man muß auch den Mut haben, die bewährten Mittel zum Schutz der gutwilligen Bürger zu übernehmen.
Koblenz RAI STUPLICH
Fahrschule
Autofahrer mit »deutschen« Manieren würden in den USA und Kanada wohl
einem Psychiater vorgeführt. Ich schäme mich vor jedem Ausländer, der gezwungen ist, in Deutschland Auto zu fahren.
Hannon (Kanada) RUDOLF SCHNEIDER
Jeder aus Berufsgründen auf die Straßenbenutzung angewiesene Kraftfahrer muß die Ausführung von Peter Brügge über Bundesbürger und ihre Automobile unterstreichen. Es ist eine einem Angestellten kaum mehr zuzumutende Forderung, wenn er sich in Berufsausübung Tag für Tag in das deutsche Verkehrschaos begeben soll.
Fischerhude (Bremen) HEINRICH PEPER