RÜSTUNGS-LOBBY Still wieder heim
Die Durchführungsbestimmungen über die Vergabe öffentlicher Auftrage im Bereich des Bundesministers für Verteidigung« vom 3. Juli lassen erkennen, daß Westdeutschlands Bundeswehrlieferanten das vergangene Halbjahr genutzt haben: Das in diesen Bestimmungen enthaltene Bestechungsverbot und die angedrohten Strafen sind nur noch halb so schlimm, wie sie am 6. Januar 1961 angekündigt wurden.
Die eindrucksvolle Bekanntmachung
zum Jahresbeginn hatte auf einer vierjährigen
Arbeit basiert, mit der das Referat des Oberregierungsrats Karl Helmut Schnell Westdeutschlands einschlägig interessierter Wirtschaft einen »Knigge für den Umgang mit der Bundeswehr«
(Schnell) an die Hand geben wollte.
Die Grundsatz-Fibel sah vor, daß sogenannte Dritte den Amtsstuben des Bundesverteidigungsministeriums und seiner Dienststellen künftig ferngehalten werden sollten. Das prophylaktische »Hausverbot« war gleichermaßen den ungebetenen Lobbyisten wie den mit der Industrie verbundenen Bundestagsabgeordneten zugedacht.
Um die Jagd nach Bundeswehraufträgen in geregelten Bahnen zu halten, war weiter vorgesehen, daß die Firmen ihren Vertretern keine Provisionssätze pro Abschluß zahlen, sondern sie auf Gehalts-Basis arbeiten lassen sollten.
Der wichtigste Grundsatz schließlich nahm in Aussicht, jeden Fall von Bestechung eines Strauß-Bediensteten durch einen Lobbyisten der Wirtschaft unbarmherzig mit Vertragsstrafen in Höhe von zehn Prozent der Angebotssumme zu ahnden.
Um besonders abschreckend zu wirken, sollte diese Strafgebühr nicht nur nach der Summe der einzelnen Offerten berechnet werden, deren Annahme der Firmenvertreter durch Bestechung fördern wollte, sondern nach den Summen aller Kontrakte, die von der betreffenden Firma innerhalb der folgenden zehn Jahre mit dem Bundesverteidigungsministerium abgeschlossen würden.
Die Lobbyisten, bei der Bewerbung um Bonner Aufträge oft einander spinnefeind, wehrten sich geschlossen gegen die drohende Unbill. Sie gaben sich beleidigt, »da beim Kleinen Mann nun der Eindruck entsteht, daß ein solches Individuum (von Firmenvertreter) auf nichts anderes bedacht ist, als der Bundeswehr schlechtes Gerät zuzuschieben und dabei riesige Gewinne einzuheimsen«.
Daß ein besonders erfolgreicher Kontaktpfleger während der letzten Jahre immerhin mit fast vier Millionen Mark Provision an der Straußschen Aufrüstung teilhaben konnte, bezeichneten die Mittler in Bonn als eine Ausnahme.
Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der Centralvereinigung Deutscher Handelsvertreter - und Handelsmakler-Verbände machten sich daran, in eindringlichen Besprechungen die drakonischen Bestimmungen aufzuweichen.
Als das Ministerium in der vorletzten Woche im Bundesanzeiger die Durchführungsbestimmungen zu der Januar -Bekanntmachung veröffentlichte, zeigte sich, daß die Lobbyisten Erfolg gehabt hatten.
Entgegen der ursprünglichen Absicht dürfen Handelsvertreter nun doch wieder in der Bonner Ermekeilkaserne und anderen Amtsstellen antichambrieren, sofern ihr Vorjahresumsatz »mit der jeweiligen Dienststelle der Bundeswehr« 500 000 Mark nicht überstiegen hat.
Auch das Erbsünden-Verdikt, auf alle binnen zehn Jahren nach einer Bestechung erzielten Abschlußsummen einen Strafsatz von zehn Prozent zahlen zu müssen, ist aufgegeben worden. Mit der Zehn-Prozent-Strafe sollen nunmehr im Falle einer aufgedeckten Bestechung jeweils nur die seit dem 11. Januar 1961 getätigten sowie die gerade »in Vorbereitung befindlichen Aufträge« belegt werden. Von zehn Jahren ist nicht mehr die Rede.
Den Firmen soll künftig auch wieder erlaubt sein, mit solchen Vertretern Bundeswehr-Geschäfte zu betreiben, die kein Gehalt, sondern Provisionen beziehen. Voraussetzung dafür ist nur, daß die Firma dem Bundesverteidigungsministerium die »in angemessenem Rahmen« liegende Höhe der Provision bekanntgibt.
Vor allem aber hat das Maß der Vertragsstrafen unter dem Einfluß der Gespräche zwischen Straußens Ministerialbürokraten und der Wirtschaft beachtliche Veränderungen erfahren. Lediglich in seltenen Ausnahmefällen wird eine Firma den Strafsatz von zehn Prozent der Auftragssummen an die Bundeskasse abführen müssen. Weist die Unternehmensleitung nach, daß sie bei der Bestallung ihres Lobbyisten den »Auswahl-, Aufsichts-, Belehrungs- und sonstigen Sorgfaltspflichten« genügt hat, so braucht sie im Falle einer Bestechungshandlung ihres Vertreters nur eine Vertragsstrafe zu zahlen, die der Hälfte der Jahresbezüge ihres Kontaktmannes entspricht.
Trennt die Firma sich aufgrund der Verfehlung von ihrem Lobbyisten, so braucht sie sogar nur eine Summe in Höhe zweier Monatsgehälter des Kontaktmannes an die Staatskasse abzuführen.
In jedem Falle bedürfte es nur eines unauffälligen Arrangements der Strauß -Belieferer mit ihrem Kontaktpfleger. Sagt er aus, ihm sei von seiner Firma jegliche Bestechung untersagt worden, so kostet selbst die größte Durchstecherei statt einer Millionensumme (Schnell: »Zehn Millionen Mark wären bei einem Unternehmen fällig gewesen, wenn wir diese Verordnung schon früher gehabt hätten.") nur ein Halbjahresgehalt des Schuldigen.
Kommentiert die »Zeit": »Angenommen, die Vertragsstrafe macht eine Million Mark aus, das halbe Jahresgehalt aber nur 20 000 Mark - welche Chance! ... So kehrte unser Bundesverteidigungsminister, der mit vollen Segeln in den stürmischen Ozean hinausgeschifft war, still, mit dem Kahn, den ihm die Lobby und deren Auftraggeber bauen ließen, wieder heim.«
Das neue Journal
Beschaffungsoffizier der Bundeswehr auf Firmenbesuch