MILITÄR / USA Stoß ins Herz
In einer Untergrundzeitung für GIs führte der Obergefreite Dennis Davis Krieg gegen die Armee. Titel des Davis-Blatts: »The Last Harass« (Die letzte Schikane).
Die US-Armee wehrte sich -- mit einer letzten Schikane. Sie gab Davis -- 16 Tage vor dem Ende seiner regulären Dienstzeit in Fort Gordon (Georgia) -- den »unehrenhaften Abschied«. Ein solches Zeugnis, behauptet jetzt der Anwalt des wegen Unruhestiftung gefeuerten Rebellen, sei ein Handikap bei der Stellensuche.
Zwischenfälle wie in Fort Gordon meldeten auch andere Garnisonen. Denn bereits auf etwa 20 Militärbasen sprießen und schießen GI-Blätter aus dem Untergrund. Beliebtes Motto: »Gegen Krieg und Rassismus
Die polemischen Blätter sind Ausdruck einer »steigenden Welle des Anti-Militarismus innerhalb der Streitkräfte« ("Newsweek"). Zwar umfaßt die Bewegung nur einen kleinen Teil der fast 3,5 Millionen aktiven US-Soldaten. Und organisiert haben sich die Protestierer fast nur an der Heimatfront -- auf den großen Basen in den Vereinigten Staaten.
Aber diese Minderheit aufsässiger GIs wird immer aktiver, häufig unterstützt von Veteranen im Twen-Alter, pazifistischen Zivilisten und linken Studenten. General Westmoreland, Generalstabschef des Heeres, sieht »entschlossene Anstrengungen, die Zerspaltenheit, die heute in unserer Gesellschaft zu finden ist, auch in die Armee zu tragen«. Die »International Herald Tribune« sieht noch Schlimmeres -- »einen Stoß ins Herz der Armee«.
Gern scharen sich die Rebellen um ein Kampf blatt, das ihre Ansichten artikuliert und die Verbindung zu anderen kriegsmüden Kameraden herstellt. Militärgerichtsverfahren gegen die als Zeitungsmacher entlarvten Soldaten nützten bislang nichts, im Gegenteil: Die Zahl der Leser und Mitarbeiter der GI-Postillen steigt.
So konnte die »Fatigue Press« im texanischen Fort Hood ihre Anfangsauflage von 500 Stück verdoppeln. Und das Blatt »The Bond« erscheint in 20 000 Exemplaren, die bis nach Okinawa und Vietnam gelangen.
Die meisten Geheim-Gazetten gibt es gratis -- für GIs. Den Vertrieb auf den Militärbasen -- in Kasernenstuben, Soldatenklubs und sogar Latrinen -- besorgen Sympathisanten. Selbst das militärische Establishment kommt leicht in Berührung mit dem Untergrund. Ein Offizier in Fort Dix zog aus einem Zeitungsautomaten die »New York Times«. Überraschende Einlage: die erste Ausgabe der linken Streitschrift »Shakedown«.
Geburtshelfer des neuen Organs, so las der Offizier, »sind GIs, die ihr
* 1960 mit seinem Freund Jacques Hébert (2. v. r.) und chinesischen Begleitern.
Bewußtsein von der unfreiwilligen Knechtschaft in der militärischen Maschine befreit haben«.
Stoff finden die Untergrundkämpfer ohne Mühe: Sie attackieren den Krieg in Vietnam, die drakonischen Strafen der Militärgerichte und die Beschränkung der Redefreiheit für Soldaten.
So empört sich etwa »Open Sights«, das jüngste Blatt im militärischen Untergrund, über »ständige Schikanen« gegen ein Fähnlein kritischer Soldaten in Fort Jackson, South Carolina. Die Gruppe« genannt »Vereinigte GIs gegen den Krieg in Vietnam«, wollte auf dem Garnisonsgelände eine offene Diskussion über Krieg und Rassismus veranstalten. Doch der Lagerkommandant nahm ihre Petition nicht entgegen. Als die Soldaten daraufhin demonstrierten, wurden sie ins Militärgefängnis gesperrt.
Folge: Zehn GIs verklagten die Armee. Sie beanspruchen das gleiche verfassungsmäßige Recht auf Protest, das für Zivilisten gilt.
In dem Prozeß soll auch das Lebensrecht der militärischen Protest-Zeitschriften verfochten werden. Die bestehenden Regeln sind eher kurios: Der Standortkommandant, spottete »Open Sights«, könne zwar die Verteilung eines Untergrund-Blatts verbieten »aber es ist völlig legal, eine Ausgabe der Zeitung zu besitzen«.
Um die eigene Zukunft ist den Redakteuren von »Open Sights« nicht bange. Das Blättchen, mit Hilfe geistlicher Pazifisten finanziert und auf Basen in Virginia und Washington verteilt, hat eine Startauflage von 4000 Exemplaren. Der Vertrieb wurde bislang kaum behindert.
Im Jahr 1968, so freut sich »Open Sights«, gab es 57 000 Deserteure. »Aber wir wollen gar nicht, daß jedermann desertiert. Die 57 000 könnten wir ganz gut brauchen -- als Verteiler für unsere nächste Nummer.«