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GLÜCKSSPIELE Strahlender Knilch

1,7 Millionen Dollar entlockten amerikanische Gauner einem Spielautomaten, indem sie dessen Elektronik manipulierten. Experten rätseln, wie das möglich war. *
aus DER SPIEGEL 40/1983

Unermüdlich fütterte Constantine Econopoulos einen der elektronischen Spielautomaten des Kasinos Harrah's Tahoe in dem Städtchen Stateline (US-Bundesstaat Nevada) mit Dollar-Münzen.

Plötzlich erloschen die Bildschirme sämtlicher Geräte im Raum; zwei Mitarbeiter der Spielbank erschienen und gratulierten dem Mann: Er habe soeben 1,7 Millionen Dollar gewonnen - soviel Geld hatte noch nie jemand aus einem Glücksspiel-Gerät geholt.

Noch am selben Tag, es war der 19. August, sendeten amerikanische Fernsehanstalten Interviews mit dem Glücksspiel-Millionär; in Lokalzeitungen erschienen Photos, auf denen ein strahlender Econopoulos neben der Glücksmaschine posierte.

Eine Woche später machte der unscheinbar wirkende Mann wieder Schlagzeilen, diesmal in allen großen Zeitungen der USA. Nicht Fortune, so hatte sich herausgestellt, sondern geschickte Manipulation an der hochkomplizierten Elektronik des Spielautomaten hatten Econopoulos den Supergewinn beschert - für die Besitzer von Amerikas Spielkasinos ein Schock: Elektronische Spielautomaten galten als manipulationssicher.

Mißtrauisch waren die Detektive von Harrah's Tahoe Casino geworden, nachdem sich bei der routinemäßigen Überprüfung der Personalien des Millionen-Gewinners herausgestellt hatte, daß Econopoulos wegen mehrerer Einbrüche vorbestraft war. Die Polizei in San Francisco kannte den nur 1,57 Meter großen Kleinkriminellen unter dem Spitznamen »Gus der Knilch«.

Techniker überprüften den Glücksautomaten, doch sie konnten keinen Hinweis auf Eingriffe in die Elektronik des Gerätes finden. Zähneknirschend überreichte daraufhin der Geschäftsführer des Kasinos Econopoulos vier Schecks, drei zu je 500 000 und einen über 200 000 Dollar - verbunden mit der Einladung, als Gast des Kasinos noch ein wenig in der Stadt zu bleiben.

Gewonnen hatte Econopoulos nicht an einem der herkömmlichen einarmigen Banditen, wie sie zu Hunderttausenden in amerikanischen Spielkasinos stehen; es handelte sich vielmehr um eine neue Generation von Spielautomaten, bei denen Mikrochips über Gewinn oder Verlust entscheiden.

16 dieser 6200 Dollar teuren Automaten sind in Harrah's Kasino nach einem besonderen Spielsystem zusammengeschaltet: Von jedem Dollar, den ein Spieler in eines der Geräte steckt, fließen fünf Cents in den Jackpot - ein gemeinsamer Topf, der demjenigen ausgezahlt wird, auf dessen Automaten-Monitor das Jackpot-Signal erscheint.

Zwei Tage nach seinem Super-Gewinn verschwand Econopoulos, obwohl von Harrah's Detektiven rund um die Uhr beobachtet, aus der Stadt und löste den 200 000-Dollar-Scheck ein. Als er jedoch am 26. August versuchte, auch die 500 000-Dollar-Schecks zu kassieren, fragte die Bank bei Harah's an, ob es damit auch seine Richtigkeit habe. Das Kasino sperrte die Schecks und ließ Econopoulos eine Nachricht übermitteln: »Wir müssen Sie sprechen.«

Tatsächlich meldete sich der Mann bei Harrah's, das Kasino alarmierte die Agenten der staatlichen Spielaufsichtsbehörde, das Gaming Control Board; die verhörten Econopoulos über Stunden hinweg, dann gestand der Spieler: Er sei von Leuten angeheuert worden, die das Gerät manipuliert hätten - wie, das wisse er nicht.

Mit welchen Tricks es der Computer-Gang (wenn es sie gibt) gelang, in die Elektronik des Gerätes einzugreifen, ist selbst Experten bislang rätselhaft. Denn um die Elektronik des Automaten so zu beeinflussen, daß sie den Kombinations-Code für den Maximalgewinn in den Zentralprozessor einspeist, müßte der in Mikrosekunden erfolgende Datenstrom zwischen den Steuereinheiten innerhalb des Gerätes manipuliert werden.

Möglich sei dies allenfalls, meinen Fachleute, wenn Techniker der Automatenfirma, etwa Wartungspersonal, in den Coup mit einbezogen worden wären. »Dann ist es vorstellbar«, so ein Siemens-Techniker,

»daß am Gerät Eingriffe vorgenommen wurden, mit deren Hilfe dann später von außen, etwa durch Funksignale, die Gewinnkombinationen abgerufen wurden« - Manipulationen, die freilich nur durch aufwendige Untersuchungen an Automaten der gleichen Baureihe festzustellen sind.

Solange jedoch die Techniker nicht herausgefunden haben, wie die Elektronik des Spielautomaten frisiert wurde, kann Harrah's Tahoe Casino die Betrüger nicht vor Gericht bringen. Es gebe nicht genügend Beweise, um ein Verfahren zu eröffnen, schmetterte der örtliche Staatsanwalt Brent Kolvett ein Klagebegehren ab.

Millionengewinner Econopoulos freilich muß, wie immer der Fall ausgeht, demnächst vor Gericht erscheinen - wegen eines Ladendiebstahls, den er vor kurzem beging: Gus der Knilch hatte eine Hose im Wert von 85 Dollar geklaut.

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