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»STRAUSS SCHADET DEM GEIST DER ARMEE«

aus DER SPIEGEL 28/1962

DIE ZEIT

Zunächst scheint sie (die FDP) einen Fehler gemacht zu haben, indem sie als einzigen Vertreter ihrer Fraktion ausgerechnet den Abgeordneten Dahlgrün in jenen Untersuchungsausschuß entsandte, der sich mit dem dienstlichen Verhalten des Bundesverteidigungsministers zu befassen hatte. Dahlgrün ist Justitiar, leitender Angestellter eines Großlieferanten der Bundeswehr. Nun besteht nicht der geringste Anlaß, an seiner moralischen Integrität zu zweifeln. Durfte Dahlgrün aber überhaupt zugemutet werden, an der Untersuchung gegen den Chef eines der Großkunden seiner Firma mitzuwirken und obendrein noch als Berichterstatter zu fungieren?

Bei der hochgradigen Interdependenz unserer Gesellschaft muß auf die Inkompatibilitätsprobleme, die sich aus derlei Verquickungen ergeben, mit wachsamer Sorgfalt und Umsicht geachtet werden.

Wie dem auch sei - mit Dahlgrüns Hilfe verfügte die CDU über die Mehrheit im Ausschuß. Man hat bei der Lektüre des Berichts den unabweisbaren Eindruck, daß er entweder von übermäßig großem Wohlwollen diktiert oder aber, in größter Eile ohne genaues Studium der Protokolle abgefaßt worden ist. Die FDP konnte diesen Fehler nur dadurch korrigieren, daß sie Dahlgrün im Plenum desavouierte.

Aufgabe dieses Untersuchungsausschusses war es, das Verhalten des Bundesministers Strauß in der Schloß -Fibag-Affäre festzustellen und aufzuklären, ob sich Strauß in dieser Angelegenheit regierungskorrekt verhalten hat. Beides ist dem Untersuchungsausschuß nicht gelungen - und zwar ausschließlich aus politischen Gründen. Die im Bundestag erhobenen Vorwürfe wegen Lücken in der Beweiserhebung und eklatanter Verfahrensmängel in den Ausschußverhandlungen konnten jedenfalls nicht überzeugend widerlegt werden. Die CDU/CSU war mit Rücksicht auf ihr Mitglied Strauß befangen:

Sie mußte alles gutheißen, was ihm diente, und - alles verwerfen, was ihm schadete. Die zu Strauß in Distanz stehenden Parteien aber waren zu ihrer Kritik an der Ausschußarbeit und am Ausschußbericht nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet. Wenn der Begriff »Untersuchung« in einem Parlament, das in seinen Kontrollmöglichkeiten ohnehin stark eingeschränkt ist, überhaupt noch einen Sinn haben soll, dann muß das Parlament einen unzulänglichen Untersuchungsbericht beanstanden.

THE TIMES

Der ärgerliche Ausbruch des Herrn Strauß am Wochenende ist nur ein Symptom für die Unsicherheit, die gegenwärtig in Bonn herrscht. Der Verteidigungsminister sieht sich selbst als Opfer einer systematischen Kampagne, die ihn politisch zerstören soll - bis

zu einem gewissen Grade hat er recht, aber was ihn in dieser Hinsicht von mehreren seiner Ministerkollegen unterscheidet, ist, daß er mehr Angriffsflächen bietet. Er ist eine umstrittene und impulsive Persönlichkeit und scheint ständig die Gerichte mit Angelegenheiten zu beschäftigen, die von den trivialsten zu der bezeichnenderen, aber aufgeblasenen »Fibag-Affäre« reichen.

Zur gleichen Zeit leitet er ein besonders verwundbares Ministerium. Trotzdem würde er nicht so oft in den Nachrichten erscheinen, wenn er nicht so eng mit den Manövern befaßt wäre, mit denen Bonn versucht, sich dem herannahenden Ende der Herrschaft Dr. Adenauers anzupassen.

Neue Zürcher Zeitung

Verteidigungsminister Strauß hat in einem Interview mit der »Welt am Sonntag« im Zusammenhang mit der »Fibag -Affäre« davon gesprochen, daß die »Hintergrundregisseure« einer Kampagne, mit der er aus dem politischen Leben beseitigt werden solle, in Pankow säßen. Diese Kampagne ziele letztlich auf eine Änderung in der Bonner Politik ab, und sie arbeite heute bewußt mit dem Mittel der Diffamierung führender Persönlichkeiten der Bundesrepublik.

Daß eine solche Kampagne seit vielen Jahren geführt wird, ist für jedermann schon längst offenkundig; ob und inwiefern sie in die innerparlamentarischen Auseinandersetzungen um die »Fibag«-Angelegenheit hineinspielt, ist jedoch eine ganz andere Frage. Die Kommunisten haben die obskuren Geschäftsleute, die sich an Strauß heranmachten, und die Empfehlungsbriefe des Ministers für sie schließlich nicht erfunden, und darum vor allem drehte sich ja die parlamentarische Untersuchung, die im Interesse sauberer Amtsführung im Staate geführt wurde.

Mit keinem Wort läßt Strauß in seiner Presseerklärung durchblicken, daß er die leichten Rügen an seinem Verhalten, die im vorläufigen, vom Plenum des Bundestags zurückgewiesenen Untersuchungsbericht formuliert waren, anerkennt; er hält sein Vorgehen vielmehr in vollem Umfang für gerechtfertigt und zieht die aggressive Schlußfolgerung:

Entweder der Verteidigungsminister kümmere sich nicht mehr um wichtige Einzelheiten, zu denen er auch die Pläne der »Fibag«-Leute zählt, und beschränke sich auf politische und repräsentative Aufgaben, oder er könne sein Amt überhaupt nicht mehr führen.

The New York Times

Die Reaktion von Strauß auf die Abstimmung im Bundestag... die einem Tadel gleichkam, zeigte an, daß er entschlossen ist, einen Kampf für sein politisches Überleben zu führen... Die Annahme des Antrags, die parlamentarische Untersuchung gegen Herrn Strauß fortzusetzen, durch die Freien Demokraten, die Koalitionspartner des Kanzlers Adenauer sind, und die in der Opposition stehenden Sozialdemokraten, bedeutete eine Niederlage für die Regierung.

Frankfurter Rundschau

Herr Strauß muß zurücktreten, weil er von einer, wenn auch nur grotesk knappen Parlamentsmehrheit praktisch ein Mißtrauensvotum erhalten hat. Ein Bundesverteidigungsminister, der die Verteidigung des ganzen Volkes zu führen hat, schadet mit seinem Verbleiben im Amt unter solchen Umständen der Verteidigung, schadet damit dem ganzen Volk und hilft damit - ob er es will oder nicht - den Kommunisten! Er muß ferner zurücktreten, weil er zwar bisher eine restlose Klärung der Fibag-Sache gefordert hat, dann aber im Parlament bei der Abstimmung darüber in absolut eigener Sache für ein Abwürgen der Untersuchung gestimmt hat. Franz -Josef Strauß schadet dem Geist der Bundeswehr; denn er ist mit seinen ihm eigenen Praktiken für junge Soldaten nicht mehr beispielhaft.

DIE WELT

An der Person des Bundesverteidigungsministers Strauß haben sich Gefühle entzündet, die mit der Fibag -Affäre allein nicht mehr begründet werden können. Und vielfach hat seine Person auch stellvertretend dafür herhalten müssen, daß zwischen den beiden Koalitionsparteien nicht alles zum Besten bestellt ist, wozu der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen sein Teil beigetragen hat. Daneben sollte auch der Vorsitzende des Ausschusses, der CDU-Abgeordnete Hoogen, für seine von vielen als nicht gerade fair empfundene Form bei der Abfassung des Ausschußberichtes seinen Denkzettel erhalten. Westfälische Zeitung

In früheren Zeiten pflegte man dem gaffenden Volk mit öffentlichen Hinrichtungen ein Gruselvergnügen zu gewähren. Heute sind die Methoden raffinierter: Man macht Mißliebige moralisch tot. Das jüngste Opfer einer solchen Exekution droht der Bundesverteidigungsminister Strauß zu werden, einer der begabtesten, wahrscheinlich sogar der begabteste christlich demokratische Politiker der mittleren Jahrgänge. Warum? Weil seine Nase (und seine Politik) dem anonymen Schreiberkollektiv eines »deutschen Nachrichten-Magazins« nicht paßt, das sich seit Jahr und Tag ohne jede Qualifikation als oberste Sittenbehörde unserer Bundesrepublik aufspielt.

FANKFURTER Nachtausgabe

Es war eine gespenstische Szene, als Strauß offensichtlich mit Bedacht wartete, bis die Auszählung fast beendet war, um dann als letzter durch den Eingang mit der Aufschrift Nein zu gehen. Damit hatte er ohne zu zögern für sich selbst gestimmt. Wir haben leider häufiger Gelegenheit, das unterentwickelte politische Stil- und Taktgefühl in Deutschland zu beklagen. Aber diesmal war die Verletzung des Anstandes noch gravierender, weil das Verhalten des Ministers wie eine beabsichtigte Demonstration aussah und empfunden werden mußte. Auch schlechte Beispiele können da nicht entschuldigen. Was will es dagegen besagen, daß Konrad Adenauer vor langer Zeit mit seiner eigenen Stimme zum Kanzler gewählt wurde?

Süddeutsche Zeitung

Von einem so scharf umstrittenen, mit offenkundigen Formfehlern behafteten und von beinahe der Hälfte der Ausschußmitglieder mißbilligten Entwurf wie dem Bericht des Fibag-Ausschusses konnten unmöglich sämtliche CDU / CSU - Abgeordneten ehrlichen Herzens glauben, daß er würdig sei, vom Bundestag als abschließendes Votum hingenommen zu werden. Fraktionsdisziplin in Ehren, wenn es um die Beschlußfassung über langfristig beratene gesetzgeberische Maßnahmen geht. In einem Fall aber, wo der Bundestag in corpore als Untersuchungsinstanz auftritt und die Gepflogenheiten eines Regierungsressorts und seiner Bürokratie zur Debatte stehen, muß sich jeder Abgeordnete persönlich als Prüfer fühlen und die Entscheidungsfreiheit eines Mannsbilds in Anspruch nehmen. Er macht sonst die Einrichtung, der er dient, zum Gespött.

Frankfurter Allgemeine

Bundesverteidigungsminister Strauß hat am Wochenende einen neuen Fehler in dieser leidigen und im Grunde schon langweiligen Angelegenheit begangen: Er hat in einem offenbar nicht allzu sorgfältig formulierten Interview die Meinung geäußert, daß die »Hintergrund-Regisseure« der Fibag-Angelegenheit »in Pankow« säßen. Das ist jedoch eine viel zu grobe Vereinfachung, mit der er nur seinen Gegnern aufs neue Gelegenheit gibt, sich als lautere Verfechter von Sauberkeit und Ordnung im öffentlichen Leben hinzustellen.

SUNPRESS

Cleveland (USA)

Jemand, der anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde (durch das Case Institute of Technology in Cleveland) als Sprecher ausersehen ist, soll einen hohen moralischen Standard für die jungen Männer und Frauen setzen, die in den Kampf ums Dasein eintreten. Wir glauben nicht, daß Herr Strauß ein würdiger Sprecher war, weil er in einen nationalen Skandal in Westdeutschland verwickelt ist. Wir warten ab, ob Herr Strauß seine Beleidigungsklage gegen das westdeutsche Magazin verfolgt, welches seine Affäre enthüllt hat. Das Magazin ist jedenfalls nicht so verstört wie das westdeutsche Parlament wegen der ernsthaften Vorwürfe gegen den zweitwichtigsten Mann in der Regierung.

Wir werden an die berühmte Verleumdungsklage von Oscar Wilde erinnert. Nicht nur wurden die in der Klage bestrittenen Tatsachen bewiesen, sondern Wilde mußte wegen eines strafrechtlichen Vergehens ins Gefängnis.

Ruhr-Nachrichten

Die Fragwürdigkeit dieser Sorte parlamentarischer Ausschüsse, die nach parteipolitischen Gesichtspunkten besetzt werden, ist längst erwiesen. Und wenn es möglich war, daß der SPD -Abgeordnete Dr. Heinemann gleichzeitig Interessenvertreter des SPIEGEL und Mitglied des Fibag-Ausschusses sein konnte, dann weist allein diese Tatsache auf die Fragwürdigkeit solcher Untersuchungsverfahren hin.

KIELER MORGEN ZEITUNG

Auf der Strecke des Fibag-Ausschusses blieben bis jetzt ein Ministerialdirigent und die landläufige Auffassung von dem, was ein Minister »eigentlich zu tun hat«. Den Beamten opferte Strauß wie ein Schachspieler einen Bauern. Erknickte ihn einfach in die Pfanne, indem er ihm die politische Verantwortung zuschob, die dem Minister zu tragen gebührt.

Man hat gesagt und erzählt, was »man« früher tat. Früher, als »man« eine andere Auffassung von Ehre, Verantwortlichkeit und Staat hatte. Das waren jene sagenhaften Zeiten, in denen ein Minister aus wesentlich nichtigeren Anlässen ging.

Heute klagt man darüber, daß dieses Bewußtsein fehle. Woher soll es kommen, solange Strauß Doktorhüte in Empfang nimmt, statt seinen Zylinder zu nehmen?

NEW YORK

Herald Tribune

Die ewig umstrittene Figur, Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß, befindet sich jetzt in einer Position, in der durch ihn die Regierung seines Kanzlers zu Fall kommen kann.

STUTTGARTER

ZEITUNG

Wegen der Propagandaoffensive des Ostens bleibt einem Verteidigungsminister, nach Strauß, nur die Wahl, Gegenstand von »Pseudoskandalen« zu werden oder eine rein repräsentative Figur zu sein. Dabei vergißt der Inhaber der Kommandogewalt, daß es ja nicht sein Interesse für die Fibag-Pläne war, die ihn ins Zwielicht rückten, sondern die Art, wie diese Pläne im Ministerium behandelt wurden. Daß sie nicht wie andere geprüft, sondern, weil sie vom Minister kamen, mit größtem Wohlwollen bearbeitet wurden, das hat Kritik ausgelöst.

Zwischen der Behandlung der Fibag -Affäre und dem Nichtstun gibt es noch einen Mittelweg, den offenbar doch die meisten Minister in Bund und Ländern beschreiten. Auch Strauß sollte ihn gehen.

Le Monde

In einer Demokratie nach angelsächsischem Muster, der auch ein ungerechtfertigter Verdacht genügt, einen Politiker im Amt zu kompromittieren, wäre Herr Strauß bereits seit langem zum Rücktritt gezwungen gewesen. Herr Strauß wird nicht zurücktreten Aber das steht hier nicht zur Diskussion. Für ihn kommt es darauf an, zu wissen - um hier einmal ohne sonstige Analogien, das sei ausdrücklich bemerkt, aus dem Titel eines Brechtschen Theaterstückes zu zitieren - »ob sein politischer Aufstieg unaufhaltsam oder aufhaltbar« ist. Kurz gesagt, ob er zum Bundeskanzler berufen ist.

Er hat immer noch gewisse Chancen, die sich jedoch von Monat zu Monat verringern. Trotz der Intelligenz und Energie, welche die Triebfedern seiner unbestreitbaren Dynamik als Politiker sind, tun ihm seine impulsive Natur, seine Rechthaberei und seine Neigung zur Schikane (man hat es aufgegeben, die von ihm angestrengten Beleidigungsprozesse zu zählen, wobei er selbst genau das Gegenteil einer vorsichtigen oder wohlwollenden Zunge besitzt) erheblichen Abbruch.

Stuttgarter Zeitung

Der einzige, der den Kopf nicht in den Sand steckt, ist der Strauß

Die Zeit

Mende: Spare in der Zeit, so hast

du in der Not

Frankfurter Rundschau

Der »Unschulds-Engel«!

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