SÜDOSTASIEN / LAOS-KRISE Strich am Mekong
In Laos ist geschehen, was Kanzler Adenauer für Berlin befürchtet: Präsident Kennedy hat der Welt seine Entschlossenheit bewiesen, notfalls auch gegen den Widerstand eines strammen antikommunistischen Verbündeten von einst die Neutralisierung eines Vorpostens im weltpolitischen Niemandsland durchzusetzen, wenn er von der militärischen und politischen Unhaltbarkeit jenes Vorpostens überzeugt ist.
Ein maritimer Kraftakt des US-Präsidenten im Golf von Siam mit 125 Kriegsschiffen, 650 Flugzeugen und 60 000 Soldaten - sie zusammen machen die VII. US-Flotte im Pazifik aus - richtete sich zwar äußerlich gegen prokommunistische Truppen, die in der vorvergangenen Woche den Waffenstillstand in dem südostasiatischen Dschungelstaat Laos durch eine Offensive gebrochen hatten.
Der Aufmarsch galt jedoch zugleich der antikommunistischen Partei im laotischen Bürgerkrieg, die den kommunistischen Angriff durch eine Kriegslist provoziert hatte.
Gleich nach Eintreffen der ersten Hiobsbotschaften aus Laos hatte sich des amerikanischen Präsidenten der Verdacht bemächtigt, Amerika drohe dem Intrigenspiel eines Mannes zum Opfer zu fallen, der hartnäckig bemüht ist, die widerstrebenden USA samt Divisionen und Atomwaffen in den laotischen Bürgerkrieg zu verwickeln.
Dieser Mann ist der 42jährige Generalmajor Phoumi Nosavan, der als stellvertretender Ministerpräsident und Verteidigungsminister die antikommunistische Regierung von Laos beherrscht jene Regierung, die lange Zeit von US -Präsident Eisenhower unterstützt wurde, heute jedoch von Kennedy wegen ihres Starrsinns befehdet wird.
Mehr noch: Phoumi Nosavan beeinflußt auch die Politik des US-Verbündeten Thailand, dessen Regierungschef, Marschall Sarit Thanarat, ein Onkel Phoumis ist und die Disengagement -Politik des Präsidenten Kennedy im Nachbarland Laos ebenso fürchtet wie Neffe Phoumi.
Der Bruch zwischen den Laoten und Washington datiert vom Frühjahr 1961, seit der Stunde, da sich Kennedy entschloß, das bereits zu zwei Dritteln von den Roten eroberte Laos aus der amerikanischen Schutzherrschaft zu entlassen.
Anlaß dieses Disengagements: das Urteil des US-Generalstabs, Amerika könne den Krieg im allzu fernen Laos (mit 237 000 Quadratkilometern fast so groß wie die Bundesrepublik) nur dann gewinnen, wenn der Präsident bereit sei, amerikanische Atomwaffen einzusetzen, 300 000 GIs zu entsenden, einen zehnjährigen Krieg und eine etwaige Intervention Rotchinas in Kauf zu nehmen.
Kennedy erwirkte daraufhin im Mai 1961 einen Waffenstillstand in Laos und verlagerte den Kampf an den Verhandlungstisch einer 18-Mächte-Konferenz in Genf. Kennedys Projekt: Ausklammerung der Laoten aus dem West -Ost-Konflikt.
Die Sowjets zeigten sich verhandlungsbereit, und bald war ein Vertrag unterschriftsreif, der die Bildung einer Koalitionsregierung der drei Parteien des laotischen Bürgerkriegs vorsieht:
- der antikommunistischen Gruppe,
- der prokommunistischen Gruppe und
- der neutralistischen Gruppe.
Antikommunist Phoumi aber war entschlossen, die Genfer Vereinbarungen zu sabotieren. Den Amerikanern blieb, nicht lange verborgen, daß sich Phoumi insgeheim rüstete, den Kampf gegen die prokommunistischen Truppen wiederaufzunehmen.
Darum verweigerte Präsident Kennedy im Februar die Auszahlung der drei Millionen Dollar, die Amerika monatlich zum laotischen Staatshaushalt beiträgt und mit denen allein die 60 000-Mann-Armee Phoumis besoldet wird.
Doch der widerspenstige Bürgerkriegsgeneral ließ sich nicht einschüchtern. Der thailändische Phoumi-Onkel Sarit sprang mit einer Finanzhilfe ein, während die Laoten drastische Sparmaßnahmen und Importbeschränkungen für amerikanische Waren beschlossen. Phoumi ging auf Reisen, um bei Washingtons ostasiatischen Verbündeten Hilfe zu suchen.
Da erfuhr Phoumi im April, Washington erwäge noch schärfere Repressalien gegen ihn. Das State Department hatte vorgeschlagen, jegliche Militärhilfe für Laos einzustellen; Amerika solle
- alle Lieferungen von Waffen, Munition
und Benzin stoppen,
- die amerikanischen Instruktionsoffiziere bei den laotischen Einheiten zurückziehen und
- den Helikopter-Dienst einstellen, der allein Phoumi erlaubt, seine weit auseinandergezogenen Verbände im straßenlosen Laos zu versorgen und zu transportieren.
Doch Kennedy zauderte, angesichts der mißtrauischen US-Verbündeten Thailand und Südvietnam einen alten Bundesgenossen Amerikas derart hart anzupacken.
Das Zögern Kennedys nutzte nun Phoumi, den Amerikanern eine Falle zu stellen: In der Hoffnung, ein Bruch des Waffenstillstandsabkommens durch die Kommunisten werde Amerika zu einer Militärintervention zwingen, war der General bereit, die Kommunisten zu provozieren.
Feldherr Phoumi ließ seine Truppen im Nordwesten des Landes verstärken - allein die Garnison der Feste Nam Tha wurde auf eine Stärke von 5000 Mann gebracht - und zwei gewagte Vorstöße in das von den Roten besetzte Gebiet unternehmen. Vergebens warnte die US-Militärmission vor Phoumis selbstmörderischer Taktik - de General gab Befehl, die lästigen Warner kaltzustellen.
»Die Regierung von Laos arbeitet nicht mehr mit ihren amerikanischen Militärberatern zusammen«, kabelte der Ostasien-Korrespondent der Londoner »Daily Mail«. »Sie lehnt ab, ihnen Lagekarten zu zeigen oder den Standort der Truppen mitzuteilen.«
Die Kommunisten aber ließen sich nur allzugern provozieren. Anfang Mai begannen die prokommunistischen Truppen eine Offensive in Nordlaos, eroberten die wichtigsten Basen der antikommunistischen Laoten im Nordwesten und schlugen die im Laufen wohltrainierten Phoumi-Söldner in die Flucht. Höhnte ein Sprecher des Generals: »Jetzt fragen wir uns, was wohl unsere amerikanischen Freunde sagen, die den Kommunisten so vertrauen.«
Verärgert reagierte ein Sprecher des State Department, der Angriff der prokommunistischen Truppen sei provoziert worden. Dann, aber rüstete sich Präsident Kennedy zu einem militärischdiplomatischen Gegenschlag, der den ausgedienten Antibolschewisten Phoumi noch stärker in die Enge trieb.
John F. Kennedy hatte erkannt, daß Phoumis Intrige die ganze amerikanische Südostasien-Politik zu gefährden drohte. Dies war die Zwickmühle, in die Amerika zu geraten schien: Entweder engagierten sich die USA militärisch im aussichtslosen Laos-Konflikt, oder aber sie verloren das Vertrauen ihrer beiden anderen südostasiatischen Verbündeten, Thailand und Südvietnam.
Staatschef Kennedy fand einen Ausweg: Bald tickten die Fernschreiber des Pentagon Befehle an den Admiral Harry D. Felt, den Oberbefehlshaber der US -Streitkräfte im Pazifik. Felt sollte die ihm unterstellte VII. Flotte in den Golf von Siam einlaufen und 5000 Soldaten des US-Marinekorps ("Ledernacken") in Thailand landen lassen.
Mit dieser amerikanischen Flugzeugträger-Diplomatie verfolgte Kennedy drei Ziele: Die Demonstration sollte
- die prokommunistischen Truppen in Laos veranlassen, ihren Vormarsch zu stoppen,
- die US-Verbündeten Thailand und
Südvietnam beruhigen sowie
- dem Antikommunisten Phoumi klarmachen, daß Amerika nach wie vor die Neutralisierung von Laos gegen jeden Widerstand durchsetzen will.
Kennedy betrachtet das laotische Neutralisierungsprojekt als unentbehrlich für seine Südostasien-Strategie; das machte er bei einer Geheimkonferenz im Weißen Haus deutlich. Auf einer Laos-Karte zog er einen dicken Strich entlang des Mekongflusses, der den größten Teil der thailändischen Ostgrenze bildet und dann etwa 50 Kilometer östlich der Grenze durch Nordlaos verläuft: Erst wenn die prokommunistischen Truppen diese Linie überschreiten, werden die in Thailand stationierten GIs ihren Einsatzbefehl bekommen.
Kennedys martialischer Akt hatte Erfolg: Antikommunist Phoumi erklärte sich telegraphisch bereit, eine Koalitionsregierung mit Neutralisten und Kommunisten zu unterstützen, und Sowjet-Diplomaten ließen in Washington wissen, daß Nikita Chruschtschow sein Wiener Abkommen mit Kennedy über ein neutrales Laos honorieren will.
Amerikanischer Flottenaufmarsch: Ledernocken für Onkel Sarit