AUTOMOBILE / OPEL Sturm der Kadetten
Das lauteste Wort im Konferenzsaal des Frankfurter Palmengartens führte Dr. h. c. Georg von Opel, 52, Frankfurter Geschäfts- und Sportsmann, Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft und des Vereins »Spazierengehen e.V.«. 300 Autohändler aus der ganzen Bundesrepublik applaudierten ihm. Er hatte kräftig gegen eine Firma gewettert, die seinen Namen trägt: die einst von seinem Großvater gegründeten Opelwerke in Rüsselsheim.
Seit 36 Jahren gehört das Unternehmen dem mächtigsten Industriekonzern der Welt, der General Motors Corporation (GM) in Detroit. Der Kronrat dieses Imperiums hat in der Bundesrepublik seine bisher größte Produktions- und Verkaufsoffensive gestartet, um sich, wie vor dem Zweiten Weltkrieg, wieder an die Spitze der deutschen Automobilindustrie zu setzen und sogar das Volkswagenwerk, die größte Automobilfabrik Europas, von seinem Platz an der Sonne zu verdrängen.
Es ist ein Duell der Giganten:
- das Volkswagenwerk: 86 000 Beschäftigte, Tagesproduktion 5600 Wagen, Jahresumsatz 5,8 Milliarden Mark;
- die Adam Opel AG: 52 000 Beschäftigte, Tagesproduktion 2800 Wagen, Jahresumsatz 3,1 Milliarden Mark.
Mit hohem Aufwand hatte sich Opel zur Schlacht gegen die Wolfsburger Käferplantage gerüstet.
Fast drei Milliarden Mark investierten die Amerikaner während der letzten Jahre in neue Werkzeugmaschinen Preßwerke und Montagebänder. In Bochum bauten sie ein neues Autowerk - das modernste Europas. In Rüsselsheim entwarfen sie neue Modelle - für neue Käuferschichten.
Für ihre neuen Wagen reaktivierten sie alte Namen der Opel-Geschichte ("Kadett«, »Admiral") und erfanden einen neuen ("Diplomat").
»Angespornt durch die amerikanische Muttergesellschaft in Detroit, werden zur Zeit alle Register gezogen«, schrieb das Zentralorgan der Händlerschaft, »Das Autohaus«, »um ähnlich wie GM in USA auch in der Bundesrepublik die Spitzenposition zu erreichen. Die Chancen dafür sind gut ...«
In der Drecklinie des Kampfes um den höchsten Marktanteil stehen 1152 Opel-Händler; einer von ihnen ist Georg von Opel, der in Frankfurt und Umgebung 15 große Autoläden besitzt. Die Händler fühlten als erste den Druck der neuen Offensive.
Opels Vorstandsvorsitzender Nelson J. Stork - »ein freundlicher, aber auch
sehr harter Mann« (so Georg von Opel) - beorderte den selbständigen Groß- und Einzelhändlern mehr Opel-Wagen auf den Hof, als sie verlangten. »Wir müssen dafür die hohen Lagerkosten sowie den Kapitaldienst übernehmen« klagte Georg von Opel, denn für jede Lieferpartie verlangt das Werk sofort Vorkasse.
Das Unbehagen der Opel-Händler über den Opel-Vorstand schwappte über, als Stork den langjährigen Weggefährten die alten Verträge kündigte und ihnen immer mehr »Direkthändler« in den Nacken setzte, die unter Umgehung der Grossisten auch in deren Bereichen Kunden werben. Sogar Tankstellenpächter wurden in den Verkaufsring eingereiht und bieten nunmehr neben den Zapfsäulen neue Opel feil.
Stork strich den Händlern -beim Verkauf des Opel Kadett den Mengenbonus, so daß die Grossisten an dem Wagen zwei Prozent weniger verdienen als an den größeren Typen. Die Kaufleute wiesen dem Generaldirektor nach, daß sie beim Kadettgeschäft Geld zusetzten; doch Stork blieb unerbittlich.
Auf Georg von Opels Initiative gründeten darum die Händler im Frankfurter Palmengarten den Verband deutscher Opel-Händler e.V., der die amerikanischen Methoden abwehren will. Georg von Opel trommelte laut: »Wir sträuben uns dagegen, daß die Expansion auf unserem Rücken durchgeführt wird.«
Die Expansion begann, als die Opel- und die GM-Manager über der Schicksalsfrage brüteten, was zu tun sei, um König Nordhoff von seinem hohen Thron herunterzuholen.
1957 entschlossen sie sich zum Frontalangriff auf Wolfsburg. Chefingenieur Hans Mersheimer, 58, bekam den Auftrag, einen perfekten Anti-Volkswagen zu konstruieren. Wie Opels kleiner Vorkriegssprößling sollte er wieder »Kadett« heißen.
Mersheimer, ein gemütlicher Hesse (Hobby: Kochen), tüftelte drei Jahre lang: »Wir haben alle in Frage kommenden Fremdfabrikate gekauft, haben getestet und gerechnet. Sollten wir den Motor vorn einbauen oder hinten? Sollten wir Frontantrieb wählen oder den herkömmlichen Hinterradantrieb?
»Der Heckmotor war die billigste Lösung, aber ich fand: Wenn wir dem VW etwas abjagen wollten, mußten wir dem neuen Kadett das geben, was der Käfer nicht hat: Bequemlichkeit, großen Kofferraum und ausreichende Beschleunigung durch ein günstiges Leistungsgewicht.«
Die Opel-Leute entschieden sich für Mersheimers Rezept nach Art des Hauses: wassergekühlter Motor vorn, Antrieb über Kardanwelle auf eine starre Hinterachse.
Das Testen und Erproben eines Prototyps haben die Rüsselsheimer amerikanischen Bräuchen angepaßt. Was andere europäische Automobilwerke mühsam in Millionen Versuchskilometern ermitteln, vertraut Opel großen elektronischen Prüfständen an, die in Europa nicht ihresgleichen haben.
»Unsere Wagen werden bis zu 85 Prozent auf den Prüfständen gemacht«, behauptet Mersheimer. »Dort können wir vom Bremsverhalten bis zu Windstößen und allen erdenklichen Straßenzuständen alles simulieren. Nur die letzte Abstimmung findet auf der Straße statt.«
Zu diesem Zweck wurden 30 Versuchswagen von Hand gefertigt, zwei von ihnen nach Detroit verfrachtet und von GM-Versuchsingenieuren getestet. Die gesamte Experimentierarbeit kostete rund 50 Millionen Mark, aber dann war Opels neuer Kadett ausgereift. Im Februar 1960 gab Detroit das Plazet für den Bau des Wagens. Aber noch fehlte dafür die Fabrik.
Nach Kriegsende war das alte Kadett-Werk am Main den Sowjets als Reparationsbeute zugefallen. In 59 Güterwagen rollten die abgewrackten Werkzeugmaschinen und Montagebänder nach Moskau, wo sie zehn Jahre lang einen Kadett russischer Prägung, den Moskwitsch produzierten.
Auf dem 2,4 Quadratkilometer großen Werksgelände in Rüsselsheim reihte sich bereits Halle an Halle. Ein neues Terrain mußte gefunden werden. Die Opel-Leute beschlossen eine neue Kadetten-Anstalt über den ausgekohlten Flözen des Bochumer Reviers zu gründen, wo sie unter den ehemaligen Kumpeln stillgelegter Zechen Arbeiter anwerben konnten.
Sie spekulierten auch darauf, daß sich die Montan-Union mit einem zinsbilligen Kredit an den hohen Baukosten beteiligen werde. »Wenn es Opel nützt, dann nützt es Deutschland«, so argumentierte der damalige Vorstandsvorsitzer Edward Zdunek bei den Kreditverhandlungen - frei nach dem Detroiter Slogan »All that's good for General Motors, is good for the United States«.
Aber mit diesem Opel-Patriotismus verprellte er die Ruhrkohlenbarone. GM -Statthalter Zdunek mußte den Rüsselsheimer Gewinntopf umstülpen und den Rest- der Bausumme durch
ein Schuldscheindarlehen (rund 150 Millionen Mark) beschaffen.
Im Kampf um Deutschlands Markt wagte Opel einen stolzen Einsatz: 1,1 Milliarden Mark - die höchste Investition, die jemals in Deutschland für einen privaten Industriebetrieb ausgegeben wurde.
Es war ein Einsatz mit hohem Risiko. Erfolg oder Scheitern des Unternehmens hing ab von einem einzigen Modell - dem Anti-VW Kadett.
Als die Firmenleitung im August 1962 ihren neuesten kleinsten Sprößling vorstellte, war die erste Reaktion des Publikums kühl. Der karg mit Chrom verzierte Neuling war der breiten Käuferschicht offenbar »kein ausreichend großer Haufen Automobil« (Mersheimer).
Der Kadett war nur als Viersitzer zugelassen. Die Hauptkonkurrenten - wie VW 1200, Ford 12 M und selbst der Prinz von NSU - sind jedoch als Fünfsitzer eingestuft.. Den Fachkritikern mißfiel die knappe Form. Das westdeutsche Journal »Auto, Motor und Sport« meinte, der Kadett wirke im Vergleich mit dem VW 1200 und dem Ford 12 M »wie ein Kleinwagen«.
Insgeheim fragte sich Kadett-Vater Mersheimer schon, wie er später gestand, ob er den Wagen »nicht doch besser ein bißchen aufgeblasen hätte«.
Auch die Händler zeigten sich enttäuscht. Sie schimpften vor allem über die Fehlfarbe »karibagrün«, im Opel-Jargon »kohlrabigrün« genannt. Kadetten dieser Couleur verstopften monatelang die Händlerlager.
Bei der Wahl der Polsterstoffe hatte sich Opel gleichfalls vergriffen. Die nylonglänzenden Gold- und Silberlame-Stoffe hätten besser in das Barmilieu der Frankfurter Kaiserstraße gepaßt als auf die Sitze eines Volksautomobils.
Das Kritisieren und Räsonieren verstummte jedoch, als sich die »inneren Qualitäten« des neuen Opel-Produkts herumsprachen. Im Alltagsbetrieb bewährte sich das 670-Kilo-Leichtgewicht (VW: 740 Kilo) als munteres, wendiges, anspruchsloses Gefährt mit nahezu sportlicher Beschleunigung und guter Straßenlage.
In weniger als einem Jahr hängte der Kadett den Ford 12 M ab.
Bald darauf bekam auch VW-Chef Nordhoff zu spüren, daß ihm der Bochumer Kleinwagen immer größere Stücke aus seinem Kuchen brach. Normalerweise tauchen im Alltagsgebrauch eines neuen Typs technische Kinderkrankheiten auf. So reiften zum Beispiel die Wolfsburger 1,5-Liter-Wagen VW 1500 und VW 1500 S erst während der Serienproduktion völlig aus. VW-Ingenieure mußten an beiden Modellen weit über 100 Fehler ausmerzen und Verbesserungen einbauen.
Beim Kadett hingegen glückte es den Opel-Ingenieuren, ein neues Modell nahezu perfekt in Massenfertigung herauszubringen. Nur drei Übelstände mußten bis heute beseitigt werden: Am Lenkradritzellager wurde eine Gummiglocke angebracht, um das Eindringen von Wasser und die Rostbildung zu verhindern. Bei acht bis zehn Prozent bereits ausgelieferter Wagen waren nachträglich lose Tellerräder an der Hinterachse mit Draht zu sichern.
Bei fast ebensoviel Kadetten traten Rappelgeräusche an den Traglagern der Vorderachse auf. Die Achsschenkel paßten schlecht und waren mangelhaft abgedeckt, so daß sie sich zu stark abnutzten. Durch eine Austauschaktion bekamen die Werksingenieure das Übel in wenigen Wochen unter Kontrolle.
»Die Entwicklung eines Automobils«, sagt Chefingeneur Mersheimer, »ist heute beinahe eine größere wirtschaftliche als technische Aufgabe. Wenn ich pro Wagen 100 Mark mehr aufwenden könnte, würde ich das Geld in die Polster stecken, bessere Bezugsstoffe wählen. Dinge, von denen die Hausfrau etwas
versteht. Das Auto soll ja verkauft werden.«
Ursprünglich wollten die Detroiter Generäle den Bochumer Milliarden-Betrieb als »Ein-Modell-Fabrik« laufen lassen - entsprechend dem VW-Werk in Wolfsburg -, doch Konstrukteur Mersheimer, der gern mit Varianten jongliert, setzte durch, daß außer dem regulären Kadett noch ein von ihm entworfener Kombiwagen, der Caravan 1000, produziert wird.
»Ich habe das Auto den Herren in Detroit in Form von Mustern vorgeführt - sonst kann man ihnen ja nichts verkaufen«, so kommentierte Mersheimer die Einführung dieses Kadett-Modells. Der Chefingenieur muß sein gesamtes Entwicklungsprogramm »alle naslang drüben vorlegen und durchsprechen«. Produktionsplanung darf bei Opel erst beginnen, nachdem die Konzernmutter ihrer deutschen Tochter das O. K. gegeben hat.
Der neue Spezialtyp, den Detroit schließlich genehmigte, entpuppte sich als Verkaufsschlager, besonders für den Export. Als die Kadett-Fertigung noch auf drei weitere Modelle
- den Luxus-Kadett,
das Kadett-Coupe und den Caravan Privat - ausgedehnt wurde, bekannte der Vorstand selbstkritisch: »Wir haben in Bochum kleinmütig geplant.«
Die Kapazität der Bochumer Fabrik war zunächst auf 1000 Wagen pro Tag angelegt worden. Heute produziert die Bochumer Belegschaft in zwei Schichten schon 1120 Wagen. Etwa im gleichen Rhythmus wie Opels Anteil am deutschen Markt 1963 stieg (von 16 auf 23 Prozent), sank der Anteil des VW-Werks
(von 34 auf 28 Prozent). Nur durch erhöhten Auslandsverkauf konnte Nordhoff die innerdeutsche Schlappe wettmachen.
Aber während Rüsselsheim sich auf den Anti-VW-Feldzug konzentrierte, war der Erzfeind aus Detroit auf dem traditionell von Opel beherrschten Feld der Mittelklasse vorgerückt. Fords »Linie der Vernunft« hatte viele potentielle Opel-Käufer verlockt, einen 17 M aus Köln zu erwerben. Opels Vormarsch drohte im Mittelfeld zu stocken.
Um flottzukommen wünschten sich die GM-Manager als Gegenwaffe ein neues Modell, das weitgehend dem sportlichen Ford-Ei« glich. Doch Mersheimer wollte von einer Kopie nichts wissen. Er modellierte eine glattflächige, breit und niedrig karossierte Form, die auf Anhieb nicht nur den Käufern gefiel, sondern sogar der Kölner Konkurrenz.
»'Wie kommt Opel nur dazu, so ein schönes Auto zu bauen?', fragte uns ein Ford-Mensch fassungslos«, berichtete »Auto, Motor und Sport«, als der neue
Opel Rekord 1963 auf dem Markt erschien. »Die Seelen-Masseure des Kölner Werkes hatten alle Hände voll zu tun, um ihre Schäfchen wieder aufzurichten.«
Kenner stuften den neuen Opel freilich gleich als »Rekord im Nachempfinden« ein. Er wies in der Tat eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Kompaktwagen Chevy II auf, den Opels amerikanische GM-Schwester Chevrolet eineinhalb Jahre früher gestartet hatte.
»Nach bewährtem Opel-Rezept«, erläuterte die Fachzeitschrift »Automobil«, »war die neue Waffe mit viel Blech, viel Raum und wenig technischen Neuerungen geschmiedet worden.« Genau besehen, war die Karosserie um drei Millimeter kürzer und um 6,8 Zentimeter breiter als früher. Die Verkaufspropagandisten prahlten: »Dieser Wagen hat einen größeren Innenraum und mehr Komfort als der Kapitän von 1953. »
Aus dem fast 30 Jahre alten Motor, den viele Fachtester längst am Ende seiner Entwicklungsmöglichkeiten wähnten, kitzelten die Ingenieure durch einige technische Kunstgriffe noch einmal fünf zusätzliche Pferdestärken heraus.
Mit dem neuen Rekord war die Bedrohung durch Ford gebannt. Auch im Mittelklassefeld rückte Opel wieder Monat für Monat voran. Im Jahr 1962 waren etwa 146 000 Rekord neu zugelassen worden; 1963 waren es schon rund 168 000.
Stetig zurück gingen die Zahlen aber nun bei dem repräsentativsten Wagen, den das Werk anbot, dem Opel Kapitän. Seit 1949 war er der einzige in Deutschland hergestellte Sechszylinder, der kaum mehr als zehntausend Mark kostete. Die Laufruhe und Geschmeidigkeit seines Motors galten als unübertroffen - aber sein Renommee war zerzaust. Opel-Fahrern, die repräsentieren wollten, klang der hämische Witz-Slogan im Ohr: »Wer Opel fährt, nimmt auch Trinkgeld.« Im Januar dieses Jahres wurden noch ganze 80 Kapitäne neu zugelassen (220er Mercedes: 1922 Stück), im Februar 62 (Mercedes: 2145), im März 55 (Mercedes: 2397).
»Bei Opel«, so Mersheimer, »sah man auch höheren Orts ein, daß wir dem deutschen Geschäftsmann endlich ein paar höhere Sprossen auf der Leiter anbieten mußten.«
Um dem Kapitän wieder den Anstrich eines deutschen Arbeitgeberwagens zu verschaffen, beschloß Generaldirektor Stork im Einvernehmen mit seinen Vorgesetzten in Detroit, den großen Opel neu aufzutakeln und in zwei Versionen zu offerieren: als Kapitän für den biederen Geschäftsmann und als Admiral mit mehr Make-up für den gehobenen Unternehmer.
Clou und Krönung des Opel-Programms aber sollte eine 17 000-Mark -Version des Kapitän sein. Mit dem Weltläufigkeit suggerierenden Namen »Diplomat« und einem Achtzylindermotor sollte erstmals ein Opel-Fahrzeug in Käuferschichten vorstoßen, die bislang auf den guten Stern aus Schwaben schworen.
Jede deutsche Automobilfirma hätte für die Erweiterung ihres Programms nach oben einen neuen Motor entwickeln müssen - ein Unterfangen, das Jahre dauert, Millionen verschlingt und in der Anlaufzeit mit dem Risiko technischer Kinderkrankheiten belastet ist. Opel dagegen konnte sich vom Chevrolet-Fließband des Detroiter Stammhauses einen bewährten V-8 -Motor (4,6 Liter; 190 PS) zum Einbau in den Diplomat liefern lassen - und eine erprobte Getriebeautomatik dazu.
»Geldsparende technische Aushilfen sind in der GM-Organisation auch sonst üblich«, sagt Opels Vorstandsvorsitzer. »Eine Fabrik kauft von der anderen. So beziehen wir auch die Servolenkung für unsere Spitzenklasse von drüben. Den Vorteil nimmt der Kunde wahr.« Daimler-Benz zum Beispiel konstruierte eine eigene Getriebeautomatik, die für einen Aufpreis von 1400 Mark erhältlich ist. Opels automatisches Getriebe kostet nur 975 Mark.
»Eine Getriebeautomatik selber zu entwickeln, wäre für uns viel zu teuer und daher unrentabel«, interpretiert Mersheimer die Geschäftspolitik seines Chefs. »Durch unseren Amerika-Kontakt können wir sie billig verkaufen das verbessert unsere Marktposition.«
Die Marktposition des amerikanischen Konzerns ist so günstig wie nie seit Kriegsende. Die meisten Automobilfirmen in Europa leiden darunter, daß ein Käufer nicht firmentreu bleiben kann, wenn er mit fortschreitendem Alter und steigendem Einkommen auf immer größere Wagen übersteigen möchte. Ist der VW 1200 wegen des niedrigen Kaufpreises sein erstes Auto, der VW 1500 nach ein paar Jahren sein zweites, so könnte er bestenfalls noch zum VW 1500 S aufsteigen, ehe er sich für den weiteren Aufstieg nach dem Wagen einer anderen Firma (?)ehen müßte etwa einem Mercedes 190 oder einem Ford 20 M. Das Volkswagenwerk, das ihm keinen größeren Wagen bieten kann, verliert endgültig einen Kunden.
Ebenso ergeht es beispielsweise einem BMW-Käufer, der über den BMW 700, den BMW 1600 und den BMW 1800 aufgestiegen ist: Auch BMW kann in der Preisklasse zwischen 10 000 Mark und 20 000 Mark kein größeres, repräsentativeres Fahrzeug bieten. Er muß zu Mercedes oder Opel abwandern - ebenso wie der Ford-Kunde, der über den 20 M hinauswachsen möchte.
Nur eine Firma vermag heute den Käufer durch alle Schichten des sozialen Aufstiegs markentreu an sich zu binden: Opel. Das Rüsselsheimer Werk offeriert ihm erstmals in diesem Jahr vom Kadett über Rekord, Kapitän, Admiral und Diplomat ein Programm, das lükkenlos das Übersteigen - von Preisklasse zu Preisklasse - in einen größeren Typ gewährleistet. Wobei der Kunde jeweils seinen zu klein gewordenen Wagen in Zahlung geben kann.
Die Methode, nach der Opel dieses Typenprogramm komponierte, ist ein Musterbeispiel rationeller Planung. Aus einem Baukasten von sieben Karosserien, sieben Motoren und drei Fahrwerken produzieren die Opel-Ingenieure:
- neun Modelle des Typs Kadett für
die untere Mittelklasse;
- zwölf Modelle des Typs Rekord für die Mittelklasse und die gehobene Mittelklasse;
- drei Modelle der Oberklasse (Kapitän, Admiral, Diplomat).
Wie vielfältig wiederum die Wahlmöglichkeiten der Opel-Kunden innerhalb einer Klasse sind, zeigt etwa das Beispiel des Opel Rekord: Er kann wahlweise mit vier (statt zwei) Türen, mit vier (statt drei) Gängen, mit automatischer Kupplung, in mehreren Motorstärken, 13 Farben, 28 Farbkombinationen, neun Polsterstoffmustern und sechs Kunstlederbezugmustern geliefert werden.
Opels Rekord hält unschlagbar den deutschen Rekord in Variationsmöglichkeiten: Er bietet, alle Farb- und Polsterkombinationen inbegriffen, theoretisch 12 180 Versionen - mehr als jeder andere deutsche Autotyp.
Jetzt hat die hessische GM-Tochter nur noch eine Sorge: verkaufen. Vorstandsvorsitzender Nelson J. Stork organisiert gegenwärtig Opels Händlernetz um. Jungen Talenten soll Gelegenheit gegeben werden, sich als Verkaufsaktivisten zu bewähren.
Um die Händler noch mehr gegeneinander ausspielen zu können, möchten die amerikanischen Konzernherren am liebsten unverbindliche Richtpreise festsetzen, die jeder Verkäufer nach Belieben unterbieten kann. Denn Opel will bis zum Jahresende den triumphalsten Produktions- und Verkaufsrekord melden, den das Werk je erzielte: 675 000 Wagen. Seit 1898, dem Geburtsjahr des ersten Opel-Autos, hat die Firma 5,2 Millionen Kraftfahrzeuge hergestellt.
Als der Enkel des Werksgründers, Georg von Opel, erfuhr, daß sich sogar der Detroiter GM-Boß Frederic G. Donner als Einpeitscher in die Verkaufskampagne eingeschaltet hatte, murrte er: »Wir sehen von Osten die politische Diktatur und vom Westen die wirtschaftliche Diktatur auf uns zukommen. Wir sitzen mitten drin.« Der Wirtschafts-Aristokrat (sein Vater wurde im Ersten Weltkrieg geadelt) hat es nie verwunden, daß die Fabrik vor 36 Jahren vom General-Motors-Konzern geschluckt wurde.
»Ich lebte damals bereits in der Vorstellung«, gestand er freimütig, »einmal ein großes Werk führen zu können, Ideen durchsetzen, Mitarbeiter für etwas begeistern zu können - vorbei. Ich war plötzlich nur reich.«
Georg von Opel besitzt heute außer seinen Autoläden noch die Volkskraftstofftankstellen und ein dickes Aktienpaket der Continental Gummi-Werke AG. Die Amerikaner zahlten den Familienmitgliedern über 120 Millionen Mark.
Am 27. September 1928 traten die GM-Manager ihr Regime an. Wenige Monate später inspizierte ihr Präsident Alfred P. Sloan die neue Akquisition und ließ sich im Hof der Rüsselsheimer Fabrik mit seinem Stab photographieren. 14 Männer bauten sich vor einer unförmigen Kamera auf. Der Photograph bat die Herren, ihre ernsten Züge zu lockern. Dann kroch er unter sein schwarzes Tuch und preßte den Auslöseball. Neben dem Boß aus Amerika stand mit säuerlichem Gesicht der alte Geheimrat Wilhelm von Opel, den der neue Großaktionär noch jahrelang im Aufsichtsrat thronen ließ.
Der Ausverkauf unter dem grauen Himmel der herannahenden Wirtschaftskrise mutete damals wie ein nationales Unglück an, denn der Name Opel hatte wie der von Krupp und Siemens hehren Klang. Der legendäre Aufstieg der Industriegründer hatte patriotischen Lesebuchschreibern unerschöpflichen Stoff geliefert, darunter auch die Historie des Schlossergesellen Adam Opel, der 1862 im 16-Quadratmeter-Stall des Bauern Diehl in der Rüsselsheimer Ochsengasse Nähmaschinen bastelte. Diese Fertigkeit hatte er in Paris gelernt.
Als Adam Opel mit einer seiner ersten Konstruktionen zu einem Kunden nach Flörsheim über den Main schipperte, erwarteten ihn am anderen Ufer aufgebrachte Schneidergesellen mit Steinen und Knüppeln. Sie fürchteten, Opel werde sie mit seinen Maschinen, die zehnmal schneller als der perfekteste Handarbeiter nähten, brotlos machen.
Die Nähmaschinenstürmer konnten jedoch nicht verhindern, daß Opels Stallproduktion reißend Absatz fand. Bruder Georg half ihm beim Werkeln, weitere Leute mußten eingestellt werden, und 1868 bauten sich die Opels eine zweistöckige Fabrik, deren Maschinen von einer 15-PS-Dampfmaschine angetrieben wurden. Als der Fabrikant dann eine wohlhabende Bürgerstochter, Sophie Scheller, heiratete, die 10 000 Taler in die Ehe mitbrachte, konnte er seinen Betrieb vergrößern.
Sophie Opel war eine resolute und sehr sparsame Frau. Sie zog ihre fünf Söhne mit Ziegenmilch groß - Kuhmilch war ihr zu teuer. »Die Erziehung der fünf verlief sehr spartanisch«, weiß Enkel Georg von seinem Vater. Jeden
Samstag wurden sie von Mudder Sophie nacheinander in einer Badewannenfüllung abgeschrubbt. Mein Vater hatte Glück; er war der Älteste und kam zuerst an die Reihe.«
Flügge geworden, zeichneten sich die Opel-Jungen durch kräftige Wadenmuskeln aus. Sie bastelten sich aus englischen Bauteilen ungefüge Velocipeds zusammen, starteten damit bei Radrennen und siegten. 1887 begann Adam Opel, außer Nähmaschinen auch Fahrräder herzustellen.
Jeder Sieg der fünf Rüsselsheimer brachte neue Aufträge. Die Fabrik mußte abermals erweitert werden, um genügend Zweiräder der Marken »Opel -Blitz« und »Extra-Post« liefern zu können. Von einem anderen modernen Verkehrsmittel, dem Automobil, wollte Vater Opel jedoch nichts wissen. »Diese Stinkkutschen«, so knurrte er seine Söhne an, als sie ihm die Tüftelei mit Benzinmotoren nahelegten, »aus denen wird nie mehr werden als ein Spielzeug für Millionäre.«
Nachdem Autogegner Adam Opel 1895 an Typhus gestorben war, bauten die Söhne zusammen mit dem Ingenieur Lutzmann den »Opel-Patent-Motorwagen System Lutzmann«. Als der Konstrukteur seinen Prototyp unter Prusten und Knallen vom Bahnhof Rüsselsheim in die Nähmaschinen- und Fahrradfabrik bugsierte, kehrte ihm Sophie Opel wütend den Rücken und fauchte: »Nur, ein Haufen altes Blech.«
1911 stellten die Opels nach einem Fabrikbrand ihre millionste und letzte Nähmaschine her. Dann ließen sie ein neues Werk errichten, um die Autofertigung zu forcieren. Ein Jahr später hatten sie bereits 3200 Kraftwagen produziert.
Im Ersten Weltkrieg rüsteten sie Kaiser Wilhelms Armee mit Autos, Fahrrädern und Flugmotoren aus; danach brach über das Werk eine böse Zeit herein. Um das festgefahrene Firmenschiff nach der Inflation wieder flottzumachen, nahmen sich die Opel -Brüder vor, den preiswertesten Gebrauchswagen zu schaffen, der sich in möglichst hohen Stückzahlen herstellen ließ.
Aus den USA übernahmen sie eine entscheidende produktionstechnische Neuerung: das Montagefließband.
Das erste Produkt dieser Fließbandfertigung war ein Laubfrosch. So wurde 1924 Opels erstes Volksautomobil genannt. Es war ein grünlackierter Zweisitzer mit Bootsheck, hochgezogenen Kotflügeln und speichenlosen Rädern. Preis: 4500 Rentenmark.
Der kleine nur 700 Kilo wiegende Wagen mit zwölf PS Motorleistung hatte wegen seines geringen Gewichts ein erstaunliches Anzugsvermögen und übertraf in diesem Bereich selbst Konkurrenzmodelle mit dreimal stärkeren Maschinen. Er wurde ein voller Erfolg; die Tagesproduktion von 25 Wagen mußte bald verdoppelt werden.
Dennoch brach abermals Ungemach über die Firma herein. Die französische Automobilfirma Citroen strengte einen Prozeß an: Opel habe ihr Modell 5 CV kopiert, das wegen seiner knallgelben Farbe »Die Zitrone« genannt wurde. Hunderte »Zitronen« sind noch heute in Betrieb. Ihre Besitzer schlossen sich im »Classic Club de France« zusammen.
Tatsächlich hatten die Rüsselsheimer vor 40 Jahren eines der wenigen Plagiate der Autogeschichte begangen. Opel verlor den Prozeß und mußte den Laubfrosch in geänderter Form herausbringen. Man modelte ihn zum Viersitzer um und senkte 1926 den Preis radikal auf 2950 Mark.
»Es war die kühnste Preissenkung in der Geschichte der deutschen Autoindustrie«, verkündete eine Opel-Hauspostille, »denn sie bedeutete, daß Opel jeden von den 50 Wagen, die täglich das Werk verließen, zunächst ohne Gewinn verkaufte. Aber man rechnete in Rüsselsheim anders: 'Mit dieser Preissenkung erschließen wir uns abermals eine neue, breitere Käuferschicht. Wenn wir diese Schlacht gewinnen, dann werden wir statt 50 Wagen täglich 100 Wagen bauen und mehr. Erst dann nützen wir unsere Fließband-Fabrikation richtig aus.'«
Zugleich führte Opel als erste deutsche Autofabrik den Kundendienst mit Scheckheften, Festpreisen und einem Service- und Händlernetz in ganz Deutschland ein. Die Rüsselsheimer konnten bis 1928 ihre Produktion verdreifachen; der Nachfrage folgend, mußten sie aber auch die Fabrik stark vergrößern. Bis auf den letzten Pfennig flossen alle Einnahmen in die Erweiterungsbauten.
Schließlich opferten die Opel-Brüder Wilhelm und Fritz die letzten Reserven ihres Privatvermögens. Als dann die Weltwirtschaftskrise heraufdämmerte, gerieten sie in arge Bedrängnis. Um das Schlimmste zu verhüten, griffen sie nach der Rettungsleine, die ihnen das größte Automobil-Unternehmen der Welt, die amerikanische General Motors Corporation, zuwarf. Sie verkauften an die Amerikaner.
Die GM-Leute hatten bis dahin ihre mit großvolumigen Motoren bestückten Wagen in Deutschland nur montiert. Sie suchten aber nach einer eigenen Produktionsstätte, um kleine Wagen herzustellen, die das verarmte Europa damals brauchte.
Zunächst ernteten die Amerikaner in Deutschland nur Verluste - bis 1932 waren es 16,4 Millionen Mark -, aber mit ihrer Kapitalkraft konnten sie die Durststrecke überwinden. Während der Hitler-Ära lief die Opel-Produktion auf vollen Touren. Das Werk am Main stieg 1937 zum größten Autoproduzenten Europas auf und verzichtete dann auf den Ruhm, größter Fahrradproduzent der Welt zu sein.
Opel stellte die Fahrradfertigung ein und baute nur noch Autos. Dabei spekulierte der Vorstand auf einen zeitgemäßen Boom: Seit seiner Machtübernahme verfolgte Hitler die Idee, das Volk mit Hilfe eines staatlich geförderten preisgünstigen Kleinwagens zu motorisieren. Obwohl der luftgekühlte, strömungsgünstig geformte KdF-Wagen Ferdinand Porsches schon weit gediehen war, trieb Opel ein ähnlich preiswertes, wassergekühltes Modell im Jahre 1935 zur Serienreife. Es war der eckig und altmodisch geformte »P 4« zum Preise von 1450 Mark.
Ein sprachlicher Schnitzer des greisen Aufsichtsratsvorsitzenden Wilhelm von Opel machte jedoch alle Hoffnungen des Detroiter Großaktionärs zunichte. Mit den Worten: »Heil Hitler, Herr Hitler! Und das, mein Führer, ist unser Volkswagen!« präsentierte Wilhelm von Opel dem obersten Deutschen auf der Berliner Autoschau 1936 den »P 4«.
Hitler schwieg vergnatzt und verließ den Opel-Stand, ohne das Automobil näher zu betrachten. Wenige Tage später beauftragte er Robert Ley, für Porsches Volkswagen in Wolfsburg eine Produktionsstätte zu errichten.
Arbeitsfront-Chef Ley agitierte später während eines Betriebsappells in Rüsselsheim, an dem auch Geheimrat von Opel teilnahm: »Unverantwortliche Elemente haben dieses schöne Werk an die Amerikaner verschachert.«
Die GM-Bosse bauten in ihrer Main-Dependance weiter ihre Typen, die kurz vor Kriegsausbruch ein komplettes Programm ausmachten: vom Kleinwagen über die Mittelklassewagen Olympia und Super 6 bis zu den Luxusgefährten Kapitän und Admiral. Als die Amerikaner 1940 Deutschland verließen, diente das Werk nur noch der Kriegsfertigung.
Der siegreichen amerikanischen Armee folgten 1945 die Kundschafter der Weltmacht General Motors auf dem Fuße. In Rüsselsheim angekommen, konnten sie ihrem Präsidenten nur melden, daß von den Werksanlagen nicht mehr viel übriggeblieben sei. Nachdem sich der Betrieb aus Schutt und Trümmern herausgearbeitet hatte, setzten die GM -Dirigenten große Hoffnungen auf einen ehemaligen Opel-Direktor namens Heinz Nordhoff. Mit Sitz und Stimme im Vorstand hatte Nordhoff im dritten Kriegsjahr das Opel-Zweigwerk Brandenburg, Europas größte Lastwagenfabrik, übernommen und der großdeutschen Wehrmacht monatlich 4000 Transporter geliefert.
Nach Kriegsende hielt sich Nordhoff mit Kollegen in der Nähe der Rüsselsheimer Werkstrümmer zum Wiederaufbau bereit. Doch er durfte nicht zupacken: Die US-Militärregierung wollte dem früheren Rüstungsmanager bis zu seiner Entnazifizierung nur Steineklopfen erlauben.
Da wies General Motors die Opel-Händler an, den leitenden Herren die schwierigen Zeiten überbrücken zu helfen. Auf speziellen Wunsch des damaligen GM-Vizepräsidenten nahm die Inhaberin der größten deutschen Opel-Großhandlung, Lisa Praesent, den beschäftigungslosen Nordhoff samt Frau und zwei Töchtern im Herbst 1945 mit nach Hamburg. Nordhoff wohnte in der Bibliothek der Händlervilla an der vornehmen Blumenstraße und war als Berater für die Firma tätig.
Doch das Ziel der Hilfsaktion, den bewährten Industrieboß wieder in die Spitzengarnitur einzureihen, wurde nicht erreicht. Zwar ging Nordhoff 1947 ohne Makel aus der Entnazifizierung hervor; die US-Militärregierung verweigerte ihm jedoch - offenbar auf Betreiben der damals eingesetzten Opel-Treuhänder - die Rückkehr auf einen leitenden Posten in Rüsselsheim. So kam es, daß Nordhoff am 4. Januar 1948 eine Offerte der britischen Militärregierung annahm: Der in Detroit trainierte Opel-Produktionsmanager baute die zerbombte Wolfsburger KdF-Wagen-Fabrik wieder auf und wurde zum Kummer der GM-Chefs Opels schärfster Konkurrent.
Die Detroiter Statthalter konnten zunächst nur das alte Olympia-Modell von 1935 anbieten. »Da die Opel-Werke ihre Monatsproduktion in Kürze auf 300 Personenwagen erhöhen wollen«, so schrieb der Hauspropagandist 1948, »ist die gefällige, schmucke Limousine in kurzer Zeit lieferbar, wovon sich jeder, der über einen Bezugsschein und 5900 Reichsmark verfügt, an Ort und Stelle überzeugen kann.«
Als sich wenige Jahre nach der D-Mark-Geburt die Morgenröte des Big Business am westdeutschen Geschäftshimmel abzeichnete, wurden die Amerikaner plötzlich quicklebendig und kargten nicht mit Investitionsgeldern.
Freilich wurde dieses Geld größtenteils von Opel selbst verdient. »Unser Unternehmen ist gesund bis ins Mark«, triumphierte unlängst die Werksleitung. »Das Anlagevermögen ist zum größten Teil aus eigenen Mitteln gedeckt, den Rest besorgen langfristige fremde Mittel.«
Über eine spezielle Finanzierungsquelle schweigt sich Generaldirektor Stork gern aus. Die Vorstandsherren verstanden es vortrefflich, eine Lücke auszunutzen, die ihnen das deutschamerikanische Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung offenhielt. Danach werden die Dividenden der deutschen Tochtergesellschaften amerikanischer Konzerne, wie Opel und Ford, nur mit 15 Prozent Kapitalertragssteuer belastet; sonst sind 25 Prozent üblich.
Da der Fiskus von allen Gewinnen, die nicht ausgeschüttet werden, sondern dem Unternehmen als Finanzreserve bleiben, 51 Prozent- Körperschaftsteuer kassiert, kehrten die Amerikaner jedes Jahr den größten Teil ihrer Profite als steuerbegünstigte Dividenden aus. Opel bewilligte seinem Alleinaktionär General Motors sogar Jahresrenditen bis zu 83 Prozent, während die Durchschnittsdividende aller westdeutschen Aktiengesellschaften in den letzten Jahren nur rund zwölf Prozent betrug.
Allerdings floß nur ein Teil der Superdividende nach Detroit, denn Opel brauchte für neue Fabrikbauten, Preßwerke und andere Neueinrichtungen alljährlich viele hundert Millionen Mark. Das steuerbegünstigte Geld blieb überwiegend, in der Bundesrepublik und stärkte hier die Position des größten Industrieunternehmens der Welt.
Den westdeutschen Unternehmen war dieser Weg der billigen Selbstfinanzierung versperrt. Hätte beispielsweise die Tochtergesellschaft eines Ruhrkonzerns ihrer Muttergesellschaft eine solche Superdividende bewilligt, um sie sich dann -als neues Grundkapital oder als Darlehen zur Verfügung stellen zu lassen, wäre sofort eine Nachversteuerung von 36 Prozent fällig gewesen.
Die Amerikaner aber blieben ungeschoren. Opel erhöhte in den letzten zehn Jahren sein Grundkapital von 200 auf 590 Millionen Mark allein durch Nachschüsse aus dem steuerbilligen Dividendentopf.
»Alles halb so wild«, behauptet Generaldirektor Stork. Über Opels Finanzpolitik sei viel zu viel Geschrei erhoben worden. Die Kritiker vergäßen stets zu erwähnen, daß die Dividenden in den USA als Konzerneinnahmen versteuert werden müßten.
Unabhängige Finanzexperten haben jedoch errechnet, daß Opel, verglichen mit großen deutschen Steuerzahlern, durch den angewandten Trick zehn Prozent an Abgaben sparte - bei einem Gewinn von 200 bis 300 Millionen Mark - immerhin alljährlich 20 bis 30 Millionen Mark. Die vor der Fiskalschere bewahrten Beträge liefen zu stolzen Summen auf, die den Neid der ganzen Branche erregten. Da die deutsche Konkurrenz laut Alarm schlug, soll den Dividenden-Investoren der Kapitalertragsteuer-Vorteil nach Absprache zwischen Bonn und Washington künftig genommen werden.
Mit dem dicken Gewinnpolster und General Motors im Rücken fällt es den Opel-Leuten nicht schwer, ihre Produktions- und Verkaufsoffensive so lange durchzuhalten, wie' es die Konzernleitung befiehlt.
Die Offensive in allen Klassen machte psychologische Kriegführung erforderlich. Denn noch aus der Vorkriegszeit hatte Opel ein Image, das bei dem Vorstoß in neue Käuferschichten hinderlich war.
»Mit Opel verbindet sich die Vorstellung«, so analysierte der Werbepsychologe Willi Bongard, »dies sei der Wagen des etwas älteren, ein wenig biederen, konservativen Herrn oder gar des verhinderten Arrivierten.« Die Rüsselsheimer Karossen wurden als »Chrom-Kaleschen«, »Schrumpf - Mercedes«, »Blechkästen«, »Mercedes-Ersatz« oder »Schlenkerkutschen« bespöttelt.
Besonders der meistverbreitete Opel -Typ, der 1953 aus dem Modell »Olympia« hervorgegangene Mittelklassewagen »Rekord« (Auflage: 2,9 Millionen), galt als typisches Sonntagsfahrer-Auto.
Eine Ursache dafür war, daß Opel seine Wagen nach amerikanischer Manier auf Geltungsnutzen trimmte. Eine, zweite Ursache lag im technischen Bereich. Opel-Autos hatten schlechte Fahreigenschaften. Nur mit drei anstatt vier Gängen ausgestattet, ließen die Wagen sportliche Beschleunigung nicht zu; sportliche Fahrweise und forsches Kurvennehmen verübelten sie, ihre Federung galt als schwammig.
Noch 1960 deutete Autotester Dieter Korp spezifische Opel-Eigenheiten, als hätten die Kunden sie verlangt: »Tatsächlich gehören viele Opel-Fahrer zu jenen Menschen, die sich beim Autofahren nicht zu verausgaben gedenken ... Entsprechend einer sehr realistischen Verkaufs- und Erlösrechnung wird bei einem Opel niemals das geändert, was die sorgfältig erkundeten Wünsche der Kundschaft übersteigen würde.«
Die Fachkritiker kreideten den Opel -Technikern immer wieder an, daß sie - wie auch die Kölner Ford-Leute - an einer als überholt geltenden Bauart der starren Hinterachse festhielten.
Die hintere Achse ist für die Straßenlage eines Automobils von entscheidender Bedeutung. Sie wird bei Opel nur durch zwei Blattfederbündel gehalten. Dadurch kommt es zu Situationen, die Techniker, als Eigenlenkverhalten bezeichnen: Die Achse kann sich seitlich verschieben und »lenkt« dann mit, ohne daß der Fahrer das Lenkrad bewegt. Diese Bauart, die manchen Fahrer auf holprigen oder nassen Straßen in Verlegenheit bringt, ist die schlechteste Hinterachskonstruktion überhaupt, aber auch die billigste. Die als »pflaumenweich« verschriene Federung bewirkte, daß vielen Opel-Passagieren in Kurven oder bei weitem Durchfedern auf Bodenwellen übel wurde.
Jahrelang hatte das Werk die Kritik gleichmütig erduldet. Im Zuge der neuen Offensive entschloß es sich bei den Vorarbeiten zum Kadett und zum 1963er Rekord, die ärgsten Mängel zu beseitigen - obwohl Mersheimer seine Kunden in Verdacht hat, daß »die meisten von den Fahreigenschaften zu wenig verstehen«.
-Die Rüsselsheimer Ingenieure rückten die Verbindungspunkte der Achse auf den Federblättern weiter nach vorn, und durch diese asymmetrische Aufhängung wurde die Feder steifer; sie wirkte jetzt als eine Art Führungsstrebe.
Daß die neue Anordnung das Fahrverhalten deutlich verbesserte, wurde sogar von der Konkurrenz anerkannt. Der Leiter der Versuchsabteilung von Daimler-Benz, Direktor Rudolf Uhlenhaut, fuhr in Rüsselsheim den Diplomat, den Kapitän und den Rekord und veranstaltete außerdem auf dem Untertürkheimer Prüfgelände Vergleichtests zwischen zwei Opel-Wagen und dem Mercedes 220 S.
Uhlenhaut bestätigte Mersheimer, daß zwischen einer modernen Schwingachse und der verbesserten (starren) Opel-Hinterachse auf ebener Straße kaum noch Unterschiede bestehen. Nur auf welliger Fahrbahn und Schotterstraßen, fand Uhlenhaut, sei der Unterschied noch erheblich.
Auch die Gilde der Autotester war verblüfft vom veränderten Charakter der Opel. Nun war ihnen die Federung plötzlich zu hart. »Vom heutigen Rekord kann man sagen, daß er eine vorbildliche Straßenlage hat«, lobte zum Beispiel »Auto, Motor und Sport« - mit der Einschränkung: »Aber eine vorbildliche Federung hat er nicht.'
Immerhin: Harte Federung galt im Automobilgeschäft von jeher als sportlich. Und einen sportlichen Look sollten fortan alle- Opel-Autos tragen. Nur so konnte das Werk hoffen, die Käuferschichten zu gewinnen, die bislang die sportlichen Modelle von VW, BMW und Ford ("TS") bevorzugt hatten.
Das sportliche Temperament des großen Opel-Autos schreckte sogar die Untertürkheimer Direktoren auf. Seit langem hatten sie in Deutschland unangefochten die schnellsten Serienlimousinen gebaut. Ihr Parademodell, der 300 SE, fuhr mit 180 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit allen Konkurrenten davon. Mit dem 4,6-Liter-Diplomat tauchte auf den Autobahnen erstmals ein Rivale auf, der schneller war: 200 Stundenkilometer. Die Spitzenstellung der Mercedes-Leute schien erschüttert, ihr Renommee bedroht.
Eilends antworteten sie auf die Herausforderung aus Rüsselsheim. Die Motorleistung des 300 SE wurde erhöht, und das Werk verhieß seinen Kunden: Auf Wunsch und ohne Aufpreis könne der 300 SE so ausgerüstet werden, daß er ebenfalls 200 Stundenkilometer schaffe.
Als die ersten Diplomaten auf den Autobahnen aufkreuzten, gab es auch unter Sportwagenbesitzern Erstaunen, wenn die riesigen Rüsselsheimer davonpreschten. Von null auf 100 Stundenkilometer beschleunigten die Diplomaten in zehn Sekunden (Porsche SC: 10,7 Sekunden, Fiat 2300 Coupe: 10,8 Sekunden).
Der Verkauf des kraftvollen Feudal-Opels, der von dem kurzlich aus Detroit nach - Rüsselsheim entsandten neuen Stylisten Clare MacKichan modelliert worden war, ließ sich günstiger an, als die Rüsselsheimer erwartet hatten. Bis Ende September wurden 500 Diplomaten produziert. Dann mußte das Werk auf Druck der Händler den täglichen Ausstoß erhöhen: Die zunächst auf zehn Exemplare festgesetzte Tagesquote soll bis Ende des Jahres auf 30 bis 35 Einheiten gesteigert werden.
»Die Automobilisten, die zehn Jahre lang die konventionellen Typen gefahren haben, sind satt«, sagte Amateurkoch Mersheimer, als er den Diplomat aufgeputzt hatte. »Jetzt suchen sie nach Extras - alle wollen Filet und Schnitzel.«
Der technische Feinschmecker - hatte sein Privatautomobil, ein Rekord-Coupé, schon vor längerer Zeit sportlich umgerüstet: Er bestückte es mit einem V-8.
Motor des Oldsmobile F-85, der dem Coupé eine fast raketenartige Beschleunigung verlieh - von null auf 100 Stundenkilometer in 6,5 Sekunden.
Voll Begeisterung über sein rasantes Einzelstück, mit dem er auf der Autobahn Jaguar-, Porsche- und Mercedesfahrer verwirrte, schlug der Chefingenieur der Werksleitung vor, den 100-PS-Motor des Kapitän serienmäßig in das Rekord-Coupé und die viertürige Rekord-Limousine einzubauen. Die Generalmanager in Detroit gaben ihre Zustimmung, nachdem Mersheimer ihnen versichert hatte, daß besondere Investitionen nicht erforderlich seien.
Das Fahrwerk der beiden Modelle mußte allerdings derart verstärkt werden, »daß es sich nicht mehr um Rekord-Wagen handelte, sondern in Wahrheit um zusammengeschobene Kapitän -Chassis mit Rekord-Karossen drauf«.
Da der Kapitän-Motor für den Motorraum des Rekord zu lang war, montierte man den Kühler nicht vor die Motorstirn, sondern daneben.
Opels neues Sechs-Zylinder-Coupé beschleunigt - fast ebenso flink wie der Mercedes 220 SE - in 13 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer. Mit 170 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit schlägt er den Kapitän und Admiral glatt um 15 Kilometer.
»Es war nur ein Versuchsballon, weil wir sehen wollten, wie die Leute darauf ansprachen«, sagt der Konstrukteur. Der »Rekortän', wie der spritzige Mischling im Werk genannt wird, erwies sich sogleich als Marktschlager. Offenbar ist den Opel-Leuten mit dieser Kombination eine Art Europa-Auto geglückt, das sich der heutigen Verkehrsdichte gut anpaßt. Da die konservative Werksleitung den Bastard in viel zu niedriger Stückzahl auflegte, hadern die Verkäufer ständig mit dem Werk, weil sie die vielen Kunden, die diesen Typ wünschen, nicht befriedigen können.
Vorgesehen war, in zwölf Monaten 5000 bis 6000 Limousinen und Coupes des Spezial-Rekord zu fertigen. Als die Nachfrage losbrach, ließ sich die Produktion nur verdoppeln, weil die Leistungsfähigkeit der Motorenabteilung
ausgeschöpft war. Als Lückenbüßer mußte die Ersatzteilfertigung einspringen und eine zweite Schicht für das Sonderprogramm einlegen.
Durch den Verkaufserfolg angespornt, versuchte Mersheimer auch dem Bochumer Kadett ein Super-Herz - den Rekord-Motor - einzusetzen Aber die Transplantation mißlang: Der Getriebetunnel des Kadett war zu eng.
Indes, das Ziel dieser Experimente - die Aufbesserung des Opel-Images - war erreicht. Die technische Leistung der Sportwagen-Friseure begeisterte selbst alte Pisten-Routiniers wie den Versuchsfahrer Appell: »Das ist endlich mal was, solche spritzigen Autos, aber wenn der Mersheimer nicht wäre, hätten wir das nicht.«
Mersheimer selbst konstatierte bescheidener: »Unsere Wagen haben einen gänzlich neuen Charakter bekommen. Das Kriterium ist ihr geringes Leistungsgewicht.« (Es kennzeichnet den
Anteil des Wagengewichts, der auf eine Pferdestärke entfällt und läßt Rückschlüsse auf das Temperament des Automobils zu - je geringer das Leistungsgewicht, desto größer die Beschleunigung.)
Ein Vergleich neuer Opel-Leistungsgewichte mit den entsprechenden Daten fremder Fabrikate zeigt deutlich, daß Opel eine ungewöhnliche Etappe seiner Firmengeschichte erreicht hat. So braucht der Opel Kadett mit 40-PSMotor je PS nur 16,8 Kilogramm zu schleppen, der VW 1200 kommt auf 22,4 kg/PS. Opels Kadett mit dem 48-PS -Supermotor hat 14 kg/PS, der VW 1500 hingegen 18, der DKW F 11 sogar 21 kg/PS.
Opels Rekord mit Sechs-Zylinder-Motor (10,9 kg/PS) und der Diplomat (8,2 kg/PS) gehören schon zu sportlichen Kategorien wie der neue Porsche 901 (7,7 kg/PS) und der Mercedes 300 SE (9,2 kg/PS).
Um die Spitzenposition mit weitem Abstand von Opel wieder zu sichern, bereitet Daimler-Benz für 1965 neue, schnellere Modelle vor.
Auch die übrigen Konkurrenten haben sich bereits gegen die Rüsselsheimer Typenoffensive gewappnet. Ford weitete sein Typenprogramm vor wenigen Wochen bis auf zwei Liter aus und versucht, dem alten Rüsselsheimer Rivalen durch ungewöhnlich niedrige Preise beizukommen: der neue Ford 20 M mit Zwei-Liter-Maschine (7990 Mark) ist billiger als Opels 1,7-Liter-Luxus-Typ. Außerdem nahmen die Ford-Leute den amerikanischen Ford-Sportwagen Mustang (in Deutschland: T 5) als Gegenstück zum Opel Diplomat in ihr Verkaufsprogramm.
Das Volkswagenwerk hält einen »Großen Volkswagen« mit Sechs-Zylinder-Motor parat, um den Angriff des Opel Rekord abzuschlagen. Sobald es den Wolfsburgern in der unteren Mittelklasse zu brenzlig wird, wollen sie einen Paralleltyp des VW 1200 mit moderner Karosse und verstärktem Motor herausbringen.
Selbst die Hans Glas GmbH in Dingolfing beeilt sich, einen Sechs-Zylinder-Motor zu konstruieren und einen »Großen Glas« auf die Räder zu heben. Die Opel-Zentrale konterte mit verstärkter Werbung; sie gibt in diesem Jahr zum erstenmal mehr als 20 Millionen Mark für Reklame aus. Dabei bedienen sich die Propagandisten eines alten Slogans - »Opel, der Zuverlässige« -, der werksintern längst als überholt gilt. »Zuverlässig«, gesteht Mersheimer, »ist heute jedes Auto.«
Das breite Publikum hat es offenbar noch nicht bemerkt. Von Januar bis Juni dieses Jahres wurden 69 Prozent mehr Opel zugelassen als im ersten Halbjahr 1962.
Mit Macht sind die Rüsselsheimer auch auf den europäischen Markt vorgestoßen. Seit dem vergangenen Jahr hat sich die Ausfuhr von Opel-Wagen in die Länder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mehr als verdoppelt, der Export in die Länder der Freihandelszone wuchs um mehr als die Hälfte. An der Spitze der Abnehmerländer steht Schweden, es folgen Belgien, Italien, Frankreich, Österreich, die Schweiz und Dänemark.
In Frankreich hat Opel alle ausländischen Automarken überrundet«, schrieb die Wochenschrift »L'Express« zur Eröffnung des Pariser Autosalons. Und: »Die Zahl der hier neu zugelassenen Opel-Wagen hat sich in einem Jahr verdreifacht. Opel ist nur theoretisch ein deutsches Unternehmen. Tatsächlich sind die Opel 'kleine Amerikaner', die in Deutschland hergestellt werden und die man in Frankreich zu einem europäischen Preis kaufen kann.«
»Die deutsche GM-Tochter ist heute der größte Auslandslieferant des gesamten Konzerns«, freut sich Generaldirektor Stork. Mit Vorbedacht schaltete die Muttergesellschaft ihre Overseas Operations Division in das lukrative Geschäft ein. Sie übernimmt etwa 50 Prozent der gesamten Opel Produktion und vermeidet durch ihre geschickte Verkaufs- und Preispolitik, daß Opel den GM-Cars im Ausland Konkurrenz macht.
Der weltweite Aktionsradius der GM -Zentrale übertrifft alle europäischen Vorstellungen. Schon mehr als einmal kollidierte die General Motors Corporation wegen ihrer Machthypertrophie mit der amerikanischen Antitrust-Gesetzgebung. Ihr früherer Großaktionär - der hundertköpfige Familienelan Du Pont, der außer dem Chemietrust Du Pont de Nemours auch GM kontrollierte - war wegen seiner wirtschaftlichen Rauhreitermethoden berüchtigt. Erst als die Du Ponts ihr GM-Aktienpaket schlachteten und in Etappen an ein breites Publikum verkauften, konnten die GM-Manager den Konzern vor der drohenden Zwangsaufspaltung bewahren.
Heute gehört die General Motors Corporation und damit ihr deutscher Satellit Opel einer anonymen Masse von rund einer Million Aktionären, vorwiegend Amerikanern der mittleren Sozialschicht. Sie konnten sich unlängst über eine fette Dividendenzuteilung freuen: Die Gesellschaft schüttete nach dem brillanten Geschäftsergebnis des Vorjahres (66 Milliarden Mark Umsatz) insgesamt 1,136 Milliarden Dollar (4,544 Milliarden Mark) aus. Jede Stammaktie im Nennwert von 1,67 Dollar brachte vier Dollar, also 239 Prozent Gewinn.
Um der gewinnbringenden Offensive die Stoßkraft zu sichern, will Opel auch künftig an dem Prinzip festhalten, die Modelle in dreijährigem Rhythmus zu wechseln - auch wenn die Besitzer älterer Opel-Fahrzeuge durch jede Modelländerung Einbußen beim Weiterverkauf erleiden.
»Die Leute zehn Jahre mit demselben Auto verheiratet sein lassen - nein, das wollen wir den Wolfsbürgern überlassen«, sagt Chef-Ingenieur Mersheimer. »Aber die werden sich wohl auch bald ändern.«
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