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Südliches Afrika: Der Wind schlägt um

Nach dem Scheitern der Friedensgespräche auf den Kapverden wird im südlichen Afrika wieder gebombt. Die marxistische Swapo schießt in Namibia, Südafrikaner stehen wieder tief in Angola. Und die westlich orientierte Unita versucht, den Abzug der kubanischen Truppen aus Angola mit Waffengewalt zu erzwingen. *
aus DER SPIEGEL 32/1984

Kurz nach Morgengrauen erzitterten in Angolas Hauptstadt Luanda die Fensterscheiben unter den Druckwellen zweier mächtiger Detonationen. Ein paar Minuten lang war Stille. Dann begannen im Hafen die Sirenen zu heulen. Soldaten riegelten die Ausfallstraßen ab, und Radio Luanda rief die Bevölkerung auf, die Häuser nicht zu verlassen.

Doch der Alarm kam zu spät. Ein sowjetisches Schiff sank mit einem großen Loch im Rumpf auf den Grund des Hafenbeckens. Ein kubanischer Frachter, der Waffen und Panzerfahrzeuge geladen hatte, schaukelte mit Schlagseite in der Hafeneinfahrt. Es war der donnernde Einstieg in eine neue Phase des angolanischen Bürgerkrieges.

»In Angola«, jubelte Radio Südafrika, »erleben die Russen jetzt ihr Vietnam.« Nachdem die Sowjets Anfang des Jahres im linken Mosambik ins Abseits geraten waren, nachdem Staatschef Samora Machel einen Vertrag mit dem Apartheid-Staat Südafrika geschlossen hatte, liegt nun der letzte sowjetische Brückenkopf südlich des Äquators unter schwerem Feuer.

Im Westen konnte dennoch keine Genugtuung über die Bedrängnis der Sowjets aufkommen. Denn im Feuer der prowestlichen angolanischen Rebellen des Guerillaführers Jonas Savimbi ist auch die diplomatische Offensive liegengeblieben, mit der die Regierungen der USA und Südafrikas den Abzug von rund 25 000 kubanischen Soldaten aus Angola durchsetzen und einen Ausgleich zwischen dem weißen Südafrika und seinen schwarzen Nachbarn erreichen wollten.

Die Operation war schon im letzten Herbst von Chester Crocker, dem Afrika-Beauftragten im State Department, und seinem Stellvertreter, Frank Wisner, eingeleitet worden. Die beiden Diplomaten waren zwischen Luanda, der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria, der Mosambik-Hauptstadt Maputo und dem neutralen Verhandlungsort auf den Kapverdischen Inseln hin und her gejettet, um die feindlichen Nachbarn Angola, Südafrika und Mosambik, außerdem die westlich orientierten Unita-Rebellen in Angola und die östlich orientierten Swapo-Rebellen in Namibia an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Am 6. Dezember vergangenen Jahres überredete Crocker in Rom Südafrikas Außenminister Pik Botha, seiner Regierung den Rückzug der südafrikanischen Interventionstruppen aus dem Süden Angolas vorzuschlagen. Am gleichen Tag handelte Wisner auf den Kapverden den Angolanern das Versprechen ab, im Gegenzug die Swapo fallenzulassen.

Am 16. Februar dieses Jahres wurde das Entflechtungsabkommen in Lusaka, der Hauptstadt Sambias, besiegelt. Zwei Wochen später gingen die aus Angolanern und Südafrikanern gebildeten Ordnungsstreitkräfte erstmals gemeinsam gegen Swapo-Stellungen in der südangolanischen Provinz Cunene vor. 20 Jahre nach der großen Entkolonialisierung schien ein neuer Wind durch Afrika zu wehen.

Angola hat den Frieden bitter nötig. Die Wirtschaft des Landes ist ruiniert, die Benguela-Eisenbahn, zu portugiesischen Kolonialzeiten wichtigste Lebensader des Landes, seit Jahren außer Betrieb. Rund die Hälfte aller Staatseinnahmen gehen für Waffenkäufe im Ostblock und für Stationierungskosten drauf: Allein die kubanischen Soldaten kosten pro Mann und Monat rund 250 Dollar.

Die sowjetische Schutzmacht allerdings hat die Friedensbereitschaft ihrer Alliierten in Luanda und Havanna gebremst.

Dabei hatten noch Mitte März Kubas Fidel Castro und der angolanische Staatschef, Jose Eduardo dos Santos, in einem gemeinsamen Kommunique den Abzug der kubanischen Truppen aus Angola angeboten, wenn Pretoria seine Waffenhilfe für die Unita einstelle, keine grenzüberschreitenden Befriedungsfeldzüge

nach Angola mehr führe und sich künftiger Aggressionen enthalte.

Weil das Abkommen nicht zustande kam, machten die Kubaner keinerlei Anstalten, ihre Stellungen zu räumen. Die Swapo bombt und mordet weiter in Namibia, die Unita in Angola. Und ein südafrikanisches Expeditionskorps von rund 1500 Mann hat wieder Stellung auf angolanischem Gebiet bezogen.

Urheber und Nutznießer der neuerlichen Feindseligkeiten sind die Falken in Pretoria und Moskau. Den burischen Ultras gehen die in Aussicht genommenen Konzessionen an die Swapo viel zu weit. Die Russen können sich in Angola nur so lange halten, solange sie als Beschützer unentbehrlich sind.

Radio Moskau hatte bereits vor dem Abschluß des Abkommens von Lusaka davor gewarnt, die Befreiungsbewegungen »auf dem Altar der Entspannung zu opfern«. Kaum daß Angolas dos Santos aus Kuba zurück war, starteten Kubaner und Angolaner auf Moskaus Geheiß eine großangelegte, wenngleich erfolglose Offensive gegen die Unita.

Am Mittwoch vorletzter Woche erlitt die jüngste Verhandlungsrunde auf den Kapverden den Totalkollaps: Willie van Niekerk, der von Südafrika eingesetzte Generaladministrator Namibias, weigerte sich, an einen Waffenstillstand mit der Swapo die Zusage der sofortigen Unabhängigkeit für Namibia zu knüpfen, wenn nicht die Kubaner zugleich eine verbindliche Zusage für den Abzug ihrer Truppen aus Angola machten.

Bevor man einen endgültigen Frieden schließen könne, meinte van Niekerk, müßten zunächst die Waffen schweigen. Doch davon wollte Swapo-Chef Sam Nujoma nichts wissen. Nach seiner Rückkehr kündigte Niekerk in Johannisburg »geeignete und wirksame Gegenmaßnahmen« für den Fall an, »daß die Swapo ihre Gewaltaktionen fortsetzt«. Was er damit gemeint hatte, erfuhren die Angolaner am Freitag vorletzter Woche.

Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Scheitern der Kapverden-Gespräche und den verheerenden Explosionen im Hafen von Luanda liegt auf der Hand. Aus dem Norden Namibias war verstärkte Guerilla-Tätigkeit der Swapo gemeldet worden, unter anderem ein Mörserangriff auf das Krankenhaus von Oshakati. Grund genug für Pretoria, seinerseits den Krieg gegen die Swapo wieder anzuheizen.

Die Südafrikaner bestreiten zwar seit Jahren jede Unterstützung für die Unita. Aber Savimbis Siegeszug vom hoffnungslos isolierten Buschpartisan zum Führer der militärisch erfolgreichsten afrikanischen Befreiungsbewegung seit dem Ende der Kolonialära wäre ohne massive militärische Hilfe nicht denkbar gewesen.

Jonas Savimbi kämpft seit fast neun Jahren gegen die Alleinherrschaft der marxistischen MPLA in Angola. Er war Anfang 1976 in den Untergrund getrieben worden, nachdem die MPLA mit Hilfe des kubanischen Expeditionskorps im Krieg dreier untereinander verfeindeter Befreiungsbewegungen den Sieg errungen und die Macht in Luanda übernommen hatte.

Die Südafrikaner griffen Ende 1975 mit einer eigenen Streitmacht in die Kämpfe ein, machten aber, trotz klarer Überlegenheit, kurz vor Luanda kehrt, weil sie sich von den USA alleingelassen fühlten.

Nach dem Rückzug der Südafrikaner stand Savimbi zunächst allein, belastet durch das Odium der Kollaboration mit dem Apartheid-Staat. Doch der einstige Paria ist gesellschaftsfähig geworden. Er hat auch die Unterstützung einer breiten Front afrikanischer und arabischer Staaten, vom Golf bis nach Zaire, die alle eines gemeinsam haben: die Angst vor der roten Supermacht und deren kubanischen Hilfstruppen.

Savimbi hat die angolanische Armee samt ihrer kubanischen Verbündeten mit flächendeckendem Terror aus dem Süden Angolas vertrieben und beherrscht heute annähernd drei Viertel des Landes. Die Verteidiger haben sich in den großen Städten verschanzt. Doch Savimbis Stadtguerrilleros verunsichern zunehmend auch die Ballungszentren.

In Huambo - früher Nova Lisboa -, der Metropole des Südens, wurden Mitte April bei einem Bombenanschlag mindestens 100 Menschen getötet. Vier Wochen später traten Unita-Verbände vor Huambo zur offenen Feldschlacht an, in der die Regierungstruppen nur unter starken Verlusten standhielten.

Savimbi verdankt seine Erfolge nicht zuletzt seinem Geschick im Umgang mit Menschen. Anders als afrikanische Befreiungshelden, die ihre Kriege oft von Luxushotels aus führten, lebt er seit Jahren fast ständig bei seinen Soldaten im Busch. Zu seinem Generalstab gehören, neben Häuptlingen aus seinem Heimatvolk der Ovimbundu, Vertreter aller wichtigen angolanischen Stämme.

Die Unita hat in ihrem Herrschaftsgebiet im Laufe der Jahre eine vergleichsweise solide Infrastruktur aufgebaut. Vor ein paar Monaten gelang es ihr, auch eine Landbrücke nach Norden zu schlagen. Vier Europa-Parlamentarier reisten schon im letzten Sommer - ein wenig unbequem, aber sicher - auf dem »Savimbi-Pfad« vom Stammgebiet der Unita bis nach Zaire, ohne auch nur einmal Feindberührung gehabt zu haben.

Savimbi fühlt sich heute so stark, daß er sogar die Konfrontation mit dem eigenen Verbündeten riskiert. Anfang letzter Woche griff er die Diamantenminen in der Lunda-Provinz an, deren Erträge vom südafrikanischen De-Beers-Konzern vermarktet werden. Erschrocken fragte die Johannesburger »Rand Daily Mail": »Haben Südafrika und der Westen ihre Rechnung ohne den Savimbi-Faktor gemacht?«

Savimbi setzt offensichtlich nicht viel Hoffnung in weitere Verhandlungen der Amerikaner. Er vertraut lieber auf die Macht seiner Waffen.

Neuerdings bomben seine Partisanen auch auf den Ölfeldern der amerikanischen Gulf Oil in der Enklave Cabinda, auf denen 90 Prozent der angolanischen Exporterlöse erwirtschaftet werden. »Die multinationalen Firmen in Angola«, so hieß es in einer von der Washingtoner Unita-Vertretung verbreiteten Erklärung, »sollten sich vorbereiten.«

Auch die Reagan-Regierung plant in Sorge um unkalkulierbare Folgen für den Wahlkampf derzeit offenbar keine weiteren Initiativen in der Angola-Frage. Anfang Juni wurden die Mitglieder des Referats für das südliche Afrika im State Department bis auf seine zwei Chefs, Crocker und Wisner, in andere Abteilungen versetzt.

[Grafiktext]

Kilometer KONGO Kinshasa ZAIRE Cabinda spektakuläre Sabotageakte der Unita Luanda ANGOLA Huambo Lobito Benguela-Bahn SAMBIA Jamba (Unita-Hauptquartier) NAMIBIA AFRIKA Walfischbai Windhuk BOTSWANA ANGOLA von der Unita beherrschtes Gebiet

[GrafiktextEnde]

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