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USA / FORD Süße Musik

aus DER SPIEGEL 27/1966

Henry Ford II stand zwischen seinen siegreichen Fahrern auf dem Siegerpodest der Rennstrecke von Le Mans in Frankreich und trank Champagner. Es war ein teurer Trunk. Sein Preis: 36 Millionen Mark.

Diesen Betrag gab der zweitgrößte Autoproduzent der Welt in zweieinhalb Jahren aus, um seinen Namen im internationalen Rennsport an die Spitze zu bringen. Am vorletzten Sonntag, nach Siegen in den bedeutendsten Rennen Amerikas, konnte er auch in Europa triumphieren: Drei Ford-Renner belegten im 24-Stunden-Rennen von Le Mans, Europas längstem und schwierigstem Sportwagenwettbewerb, die ersten drei Plätze.

Nie zuvor hatten US-Rennsportwagen in Le Mans siegen können. Als der Sieger-Ford 24 Stunden lang eine Rekord - Durchschnittsgeschwindigkeit von 201,796 Stundenkilometern gerast war, tönte Amerikas Nationalhymne, wie die »New York Herald Tribune« schrieb, den anwesenden Amerikanern »wie süße Musik in die Ohren«.

Der Ford-Chef hatte 1964 ein Gelübde gebrochen, um mehr Autos verkaufen zu können. Entgegen einer Absprache mit den übrigen US-Automobilkonzernen, nach amerikanischer Werkstradition keine Autorennen zu beschicken, übernahm er plötzlich europäische Tradition und sandte flunderflache Renn-Coupes auf die Pisten.

Autorennen locken mehr Zuschauer an als (Amerikas Nationalsportarten) Baseball und Football zusammen«, begründete Ford-Manager Lee Iacocca damals den Kurswechsel bei Ford. »Wenn die Leute zusehen, wie wir siegen, wird das unserem Ruf nützen.«

Den ersten Ford-Renneinsätzen der Werksgeschichte blieben wegen technischer Kinderkrankheiten Erfolge versagt. Aber die Ford-Flundern erwiesen sich auf Anhieb als gefährliche Konkurrenten und erzielten neue Rennrekorde, beispielsweise in Le Mans. Und schon bevor Ford aufsehenerregende Siege zufielen - wie etwa 1965 beim 500-Meilen-Rennen von Indianapolis -, ermittelten die Marktforscher, daß die Rennteilnahme beim Käufer-Publikum auf Wohlwollen stieß und das Marken -Image hob.

Das zeigte sich kaum deutlicher als am Absatzerfolg des sportlichen Familienwagens Mustang, den Ford im April 1964 aufs Fließband gelegt hatte. Der Mustang wurde der größte Ford-Verkaufsschlager seit Jahrzehnten. In weniger als zwei Jahren galoppierte Fords Rekord-Pferd über die Millionen-Produktionsgrenze. Sein sportlichschnittiger Karosseriestil - ungewöhnlich langgestreckte Motorhaube Und auffallend kurze Heckpartie - löste einen neuen Trend aus, dem die Ford-Konkurrenten folgen mußten.

Schon im zweiten Rennjahr zog die Ford-Umsatzkurve scharf an: von 39 auf 46 Milliarden Mark. Und als im vergangenen Monat die gesamte USAutomobilindustrie plötzlich um rund 13 Prozent weniger Autos als im Mai 1965 verkaufte, konnte allein Ford einen Verkaufszuwachs (rund vier Prozent) melden.

Mit Siegen auf so berühmten USRennstrecken wie Indianapolis, Daytona und Sebring wollte sich Henry Ford in diesem Jahr nicht zufriedengeben. Ford-Rennsportwagen sollten endlich auch Europas längstes Motoren-Marathon in Le Mans siegreich durchstehen. An der 24-Stunden-Tortur waren bis dahin außer dem Ford-Rennstall amerikanische Sportleute wie Walther Chrysler. Fritz Duesenberg und der mit Renn-Cadillacs angetretene Millionär Briggs Cunnigham gescheitert.

Rund 1,6 Millionen Mark investierte Henry Ford allein für dieses eine Rennen. Er schickte, mit Hubräumen von 4,7 und sieben Litern, eine Armada von 13 Wagen auf die Bahn. Nur drei Ford hielten durch - sie gingen als erster. zweiter und dritter durchs Ziel.

Ford-Sieger, Chef (M.) in Le Mans*: Reklame mit Flundern

* Von links: Bruce McLaren, Chris Amon, beide aus Neuseeland.

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