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»Täuschen, tarnen und lügen«

Sie wollen »Nothelfer im Dschungel des Lebens« sein, aber sie sind verrufen als »Schnüffler« und »Spanner": Deutschlands Privatdetektive spähen nicht große Kriminalfälle, sondern vorwiegend zerrüttete Ehen aus. Oft geraten sie dabei mit dem Gesetz in Konflikt. Ein Branchenkenner: »Es sind viele faule Fische unter uns.«
aus DER SPIEGEL 13/1976

Deutschlands Detektive wählen ihre Namen mit Bedacht. Sie firmieren beziehungsvoll unter »Fox« und »Fido«, nennen sich »Argus«, »Kobra«, »Scharfsinn« oder »Greif«. Der Leopard im Briefkopf soll symbolisieren, daß sie ständig auf dem Sprunge, das Späherauge überm Firmenzeichen sagen, daß sie überall dabei sind.

Sie offerieren Einsatz mit Funkwagen und Sportflugzeugen, bieten sich für Patrouillendienste mit Schutzhunden an, machen sich anheischig, elektronische Abhöranlagen aufzuspüren -und installieren gelegentlich selber welche. Denn vieles scheint erlaubt, wenn Stars zu schützen und Schätze zu hüten sind, wenn ein Firmendiebstahl aufgeklärt oder ein Ehebruch dokumentiert werden soll.

Nach allem, was Annoncen in Tageszeitungen und Fernsprechbüchern verheißen, sind dem detektivischen Bemühen keine Grenzen gesetzt: »Aussprache über alles mit jedem« -- »Beobachtungen Tag und Nacht im In- und Ausland« -- »Be- und Entlastungsmaterial für sämtliche Zivil- und Strafprozesse«. In Hamburg annoncierten die »CCB-Detektive« lapidar: »Uns entgeht nichts.«

Ginge es nach den Werbesprüchen, nach den Firmennamen, nach den Selbsteinschätzungen. dann wären Deutschlands Detektive die besten Spürnasen weit und breit, immer einsatzbereit und fündig -- Männer eines diskreten Gewerbes, das »völlige Gesundheit, Gewandtheit und Zähigkeit« verlangt, aber auch »Pflichtgefühl und Selbstdisziplin«, wie es ein Branchen-Funktionär beschreibt.

»Wir müssen Kaufleute, Psychologen und Ärzte sein«, sagt Willi M. Brechtel, der Präsident des »Deutschen Detektiv-Verbandes« (DDV), »harte Realisten, Nothelfer im Dschungel des Lebens«, ergänzt Manfred Dessau, der Präsident des »Zentralverbandes der Auskunfteien und Detekteien« (ZV) -- ein wahrer Freund und Helfer also auch der Detektiv, der freilich obendrein »täuschen, tarnen und lügen« können soll, wie es im »Leitfaden des Berufes« heißt.

Nachgerade Tausendsassas müßten es demnach sein, die unter die Späher und Ausforscher gegangen sind, allesamt Meister der Ermittlung, die dem amerikanischen Stammvater des Metiers nachzueifern scheinen, dem legendären Allan Pinkerton. Nicht von ungefähr, daß der eine oder andere sich Captain oder Colonel nennt, angelsächsisch läßt sich"s in dem Gewerbe gut renommieren -- nur sähe Columbo schon beim ersten scheelen Blick, daß das Image dieser Branche in Deutschland kaum mehr als ein Trugbild ist.

Rund 1000 Detekteien, häufig nur Ein-Mann-Betriebe, sind bei den Ordnungsämtern in der Bundesrepublik gemeldet; auf das Zehnfache schätzen Branchen-Kenner die Zahl der amtlich nicht registrierten Privatfahnder, die das Bundesgebiet durchstreifen -- Rentner und Studenten etwa, aber auch Zuhälter und pensionierte Polizisten.

* Der Frankfurter Detektiv Fesel vor seinem mit Richtfunk ausgerüsteten Einsatzfahrzeug.

»Jeder Hans und Franz«, klagt der Hamburger Privatdetektiv Helmuth Dunze, »kann in Deutschland Detektiv spielen.« Und wenn sie spielen, geschieht es nur zu häufig unter falscher Flagge, mit Polizeimarke oder Dienstausweis. Der Hannoveraner Detektiv Walter Meyer weiß »viele faule Fische« im Gewerbe.

Für Torsten Schiller, den Leiter der Frankfurter Polizei- und Ordnungsbehörde, vollzieht sich »das Geschäft in der Grauzone zwischen Moral und Unmoral«, und Ermittlungsakten von Kripo wie Staatsanwaltschaft belegen vielerorts, daß Betrug, Erpressung, Amtsanmaßung an der Tagesordnung sind:

* Wegen Einbruchs und Diebstahls hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen den Privatdetektiv Rainer Krellenberg Anklage erhoben. Er soll bei der Firma Breco-Chemie im niedersächsischen Sögel in Labor- und Büroräume eingedrungen sein, um für ein Konkurrenz-Unternehmen »Beweismaterial herbeizuschaffen«.

* Urkundenfälschung, Betrug und Erpressung wurden dem gelernten Gärtner Joachim Wrede angelastet. Das Landgericht Mainz verurteilte den Detektiv. der sich auch als P. S. Gayford ausgab, jetzt zu fünf Jahren Freiheitsentzug.

* Wegen Verleumdung und anderer Delikte hat die Staatsanwaltschaft Aachen den Detektiv Frank B. angeklagt. Das Verfahren ruht derzeit, da der Vorstandsvorsitzende der »Detectiv Gruppe Intertect AG« auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht werden soll.

* Wegen Amtsanmaßung und Hausfriedensbruch verurteilte ein Amtsgericht in Krefeld den Privatdetektiv Herbert Lenzen zu 4000 Mark Geldstrafe. Um die Männerbekanntschaften einer Wohnungsinhaberin zu erkunden, hatte er sich als »Beauftragter der Fernsehstörungsstelle« ausgegeben und in der Wohnung ausgerüstet mit Arbeitskittel und Werkzeugtasche -- angeblich Steckdosen überprüfen wollen.

* Amtsanmaßung trug dem Frankfurter Privatermittler Heinz Drochner eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten mit Bewährung ein. Er hatte den früheren Präsidenten des Fußball-Klubs Kickers Offenbach, Horst-Gregorio Canellas -im Auftrage von dessen Ehefrau -, in einem Hotel in Viareggio bespitzelt und sich der Canellas-Freundin gegenüber als Polizeibeamter ausgegeben.

Wie anrüchig das Ermittlungsgewerbe ausgeübt werden kann, belegte in Oldenburg der Prozeß gegen den 53jährigen Helmut Nickel, der mit einem Stab von 50 freien Mitarbeitern in Norddeutschland das Detektivgeschäft betrieb. Wegen Betrug und Erpressung wurde Nickel kürzlich zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

»Da sind Fälle vorgekommen«, sagt der Oldenburger Staatsanwalt Ludwig Juknat. »die grenzen an größere Schweinereien.« Einem Kunden knöpfte der geschäftstüchtige Detektiv beispielsweise »für zwei Stunden Einholen von belanglosen Erkundigungen über einen Geschäftskonkurrenten« (Juknat) 7000 Mark ab. Einer geistesgestörten, schwerhörigen Frau, die Nickel nach

geheimnisvollen Klopfgeräuschen im Hause lauschen ließ, berechnete er 1700 Mark.

Insgesamt 240 Nickel-Aufträge hat die Staatsanwaltschaft durchleuchtet -- »das erste Mal wohl«, glaubt Juknat, »daß einem Detektiv in großem Umfang sein betrügerisches Geschäft nachgewiesen werden konnte«, lind geradezu beispielhaft zeigt der Fall Nickel auf, was die Misere der ganzen Branche ausmacht.

Mangelhafte staatliche Aufsicht: Obwohl dem Oldenburger Ordnungsamt die fragwürdigen Praktiken Nickels zur Kenntnis gebracht wurden, fand die Behörde alles in Ordnung. Zwar können die zuständigen kommunalen Instanzen, »wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden« belegen, die Ausübung untersagen (so Paragraph 35 der Gewerbeordnung). Doch kaum einmal wird eine Detektei dichtgemacht. Staatsanwalt Juknat: »Die Gewerbeaufsichtsämter sind offensichtlich unterbesetzt oder überfordert.«

Umstrittenes Berufsbild, fehlende Eignungsprüfung: Obwohl Nickel erheblich seh- und gehbehindert ist, konnte er sich von einem auf den anderen Tag Detektiv nennen. Den Zugang zum Gewerbe hat jeder, der sich dazu berufen fühlt. Wie bei Ehevermittlern, Fußpflegern oder Schädlingsbekämpfern genügt für Detektive, das Gewerbe bei den Ordnungsämtern anzumelden -- in Hamburg etwa kostet das 25 Mark, in Stuttgart nichts.

Dubioses Arbeitsfeld: Obwohl Nickel zumeist unbrauchbares Material lieferte, mit Vorliebe per Nachnahme übrigens, führten seine Kunden selten Klage -- aus Angst, Privates bloßzulegen. Denn Detektiv sein heißt in Deutschland vornehmlich, im Intimbereich zu schnüffeln.

»Die Detektive«, sagt der Mainzer Kriminologe Armand Mergen, »spielen bei uns eine ganz andere Rolle als in den USA.« In Amerika übernehmen Privatdetektive häufig Aufgaben, die eigentlich den Polizisten oblägen -- Gangster jagen, Fälscher fangen. »Bei uns«, so Mergen, »gehen viele Detektive nur schnüffeln, wer mit wem ins Bett geht.«

Anders als in den USA, wo es längst mehr privat bezahlte Schutzleute als staatliche Polizisten gibt, fehlt in der Bundesrepublik das kriminelle Umfeld, das den Pinkertons zu Ansehen und dem Sicherheits-Service zur Blüte verhalf. Und da in der Bundesrepublik weit verbreitetes Mißtrauen gegenüber staatlichen Sicherheitsorganen auch nicht existiert, spielen Detektive als Polizei-Ersatz erst recht keine Rolle.

So bleibt dem Argusauge nur der Blick durchs Schlüsselloch. Mit Kundschafterdiensten für eifersüchtige oder scheidungsstrittige Ehepaare verdienen, das räumen Männer der Branche unumwunden ein, rund zwei Drittel der bundesdeutschen Detektive ihren Unterhalt. »Beim Fremdgehen gibt"s richtige Stoßzeiten«, verrät Hans-Jürgen Czybik von der »Protektor, Detektei und Sicherheitsdienst GmbH« in Hamburg, »vor allem in der Urlaubs- und Karnevalszeit.«

Dabei bedienen sich die Schnüffler gern diverser Kniffe und Praktiken, die sie als kriminalistische Fertigkeit zu rühmen wissen. So bestreichen sie mal Türklinken in Hotels mit Fuchsin-Pulver, das schwer entfernbare Farbflecken auf der Haut hinterläßt -- Erkennungshilfe für die Ermittlung, wer bei wem zu Gast gewesen ist. So horchen sie mal in Hotels mit elektronischem Stethoskop an den Wänden, ob aus dem Nebenzimmer verdächtige, womöglich kompromittierende Geräusche kommen.

Der Frankfurter Brechtel mietet sich, wenn es irgend geht, neben den Gästen ein, die er zu observieren hat, und geht auch schon mal »in die Zimmer rein": »Ich photographiere mit der Minox jedes Kleidungsstück.«

In Hannover verdient sich der ehemalige Kriminal-Sekretär Walter Meyer als Privatdetektiv einiges nebenbei, wenn ihm Kollegen aus anderen Städten Unterwäsche zur Überprüfung schicken, »weil ich einen Obermedizinalrat an der Hand habe, der Sperma nachweisen kann«. In Hamburg packte sich ein Detektiv mit Mikrophon und Tonbandgerät in den Kofferraum eines Wagens und nahm das Schäferstündchen von Fahrer und Begleiterin auf.

Nicht genug damit. In Velden am Wörthersee folgte ein Münchner Privatdetektiv eine Woche lang einer Fabrikantenfrau auf Schritt und Tritt, um sie im Auftrag der Schwiegermutter bei einem vermuteten Seitensprung zu ertappen. Da sich bei der Urlauberin jedoch kein Hang zum Unsoliden feststellen ließ, vollzog der Detektiv den Ehebruch schließlich selber mit der

* Der Frankfurter Detektiv Drochner.

Dame und gab der Schwiegermutter die Erfolgsmeldung durch.

»Der hat seine Pflicht bis zum letzten erfüllt«, mokierte sich der Rechtsanwalt Hermann Messmer, als der Fall vor dem Landgericht München I zur Sprache kam, »wie ein Polizist, der einen Massagesalon kontrollieren soll und sich gleich selbst massieren läßt.«

Gerade dann freilich, wenn Privatermittler ins Kriminelle abbiegen, wenn sie sich Ämter anmaßen, elektronische Minispione ins Schlafzimmer setzen oder sich an verbotener Stelle auf die Lauer legen, bleibt das Delikt so gut wie ungeahndet. Merken Kunde oder Bespitzelter mal was von den kriminellen Methoden, »dann traut sich keiner was zu sagen«, weiß der Oldenburger Staatsanwalt Juknat, »was bei den meist delikaten Aufträgen kein Wunder ist«. Und wegen Hausfriedensbruch kann ein Detektiv, auch wenn er bis ins Schlafzimmer schleicht, ohnehin nur »auf Antrag« (so Paragraph 123 Strafgesetzbuch) des Wohnungseigentümers belangt werden.

Die Kundschafter sind zumeist fein raus, der Kunde aber ist oft der Angeschmierte. Denn Bekundungen von Detektiven können zwar Neugier befriedigen oder einen gehegten Verdacht zur bitteren Wahrheit festigen, als Beweis vor Gericht taugen sie nur selten.

Die Justiz zieht die Glaubwürdigkeit der Berufszeugen oft in Zweifel oder hält die Schnüffelei bis in intimste Bereiche für unzulässig. Was ein Spitzel in der fremden Wohnung ausspäht, so befand der Bundesgerichtshof (BGH), darf zu einem Prozeß nicht herangezogen werden.

Dennoch zeitigt die Schnüffelei mitunter erhebliche Folgen. Es reicht etwa für ein Scheidungsverfahren schon hin, wenn der Anwalt als Zeugen oder Zeugin benennt, wen der Detektiv als Liebschaft des Ehepartners ausgemacht hat. Die so drohenden Komplikationen

von der Kompromittierung bis zum Meineid -- machen aus der Scheidungsverhandlung schnell einen kurzen Prozeß mit teuren Zugeständnissen.

Die üblen Usancen lassen schiefes Licht zwangsläufig auch auf die seriösen Unternehmen der Branche fallen, die strikt legal, für die Auftraggeber zuverlässig und ohne anrüchige Ermittlungs-Methoden arbeiten, vor allem alteingesessene Auskunfteien, die sich auf Wirtschafts-Nachrichten spezialisiert haben.

Einer der Größten der Branche, der Kasseler Gerd Mihm, legt sogar »Wert auf die Feststellung, daß ich schon seit Jahren dagegen ankämpfe, Detektiv genannt zu werden«. Er hat sich vom Schnüffeln, mit dem auch er einst begann, abgewandt und auf die Überwachung von Industrieanlagen, Kasernen und Munitionslager spezialisiert (geschätzter Jahresumsatz: drei Millionen Mark) und nennt sich »Europas größte private Abwehrorganisation«.

Überwachung nach Art der Wach- und Schließgesellschaft sowie Geld- und Werttransporte sind, das räumen auch Kriminalpolizisten ein, durchaus sinnvolle Aufgaben für private Unternehmer. Dieser Teil der

Branche, der sich zusehends vom herkömmlichen Detektiv-Geschäft abzusetzen bemüht, hat ohnedies einen Renommee-Vorteil: Aufgabe der Bewacher ist es, zu sichern, nicht zu schnüffeln; die Auftraggeber bleiben nicht im dunkeln -- es sind Industriebetriebe oder Behörden; die Überwachung bedarf, anders als das Detektiv-Gewerbe, einer staatlichen Lizenz; und es ist durchaus üblich, daß die Überwachungsleute mit Polizeibeamten zusammenarbeiten.

Zweifelsohne ist auch der eine oder andere Privatdetektiv bei der Polizei gut angeschrieben; etwa der Frankfurter Horst Fesel, der eine Tränengas-Schutzpatrone ("Sprühnebel trifft geräuschlos jeden Angreifer und macht ihn in Sekundenschnelle kampfunfähig") kommerziell herstellt und nun auch Sprühschutzgeräte zur Sicherung von Münzautomaten und Musikboxen entwickelt hat -- sie versprühen Tränengas, wenn der Automat gewaltsam geöffnet wird.

Die Regel aber ist, daß die Polizei die Privatdetektive schneidet. »Denen geben wir echt keine Auskunft«, sagt Hannovers Hauptkommissar Willi Wellhausen. Und wenn schon, dann sollten nach Meinung des Bundeskriminalamtes (BKA) Kriminalbeamte den Privatdetektiven »mit einer gewissen Skepsis« gegenübertreten, weil »auch charakterlich unzuverlässige Personen« darunter seien -- eine behördensteife Umschreibung für umtriebige Abenteurer, verkrachte Existenzen und windige Geschäftemacher.

Denn eine besondere Spezies sind sie schon, die sich damit brüsten, ein Auge auf alles zu werfen. Viele sind privat wie beruflich gescheitert und hangeln sich am Strang schierer Geltungsbedürftigkeit zu der Illusion empor, jemand wie Mannix oder Lobster zu sein. Die Harmloseren lassen es noch bei schlecht imitiertem Playboy-Gehabe bewenden, treten in modischem Karo auf, fahren flotte Wagen und bemühen sich, nach der Groschenheft-Moral zu handeln, daß gut sei, was dem Helden nütze.

Zum richtigen Profi langt es erst recht nicht bei jenen, die, so der Münchner Psychologe Georg Sieber, von »pubertären Regungen« und »frustriertem Machttrieb« ins Detektiv-Geschäft getrieben wurden. Sieber: »Das sind die Rumpelstilzchen, die mit hochgeschlagenem Trenchcoat ihren Erkundungsgang machen.«

Es ist denn auch nicht verwunderlich, daß der Volksmund laut Küppers »Wörterbuch der deutschen Umgangssprache« Detektive abfällig »Schnüffelhunde«, »Sehpolypen« oder einfach »Spanner« heißt, und bislang mühte sich das Gewerbe vergeblich, das schlechte Renommee aufzubessern. Daß sich überall im Bundesgebiet einzelne Grüppchen von Privatdetektiven zu Verbänden, Vereinen oder Arbeitsgemeinschaften zusammenschlossen, gereichte der Branche dabei nicht unbedingt zum Vorteil.

Denn die diversen Verbände, es sind inzwischen rund ein Dutzend Klubs, scheinen vor allem damit beschäftigt, sich gegenseitig madig zu machen. Den »Bund Internationaler Detektive« (BID), der in Annoncen mit »Direktvertretungen in allen wichtigen Plätzen der Welt« wirbt, hält Geschäftsführer

* Mit dem amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln (M.).

Dunze vom Bund Deutscher Detektive (BDD) für »völlig unbedeutend«.

Der Frankfurter Detektiv Brechtel wiederum, der den Titel Präsident beim »Deutschen Detektiv Verband« (DDV) führt, macht sich über das vorgeblich internationale Flair des BID-Konkurrenten lustig: »Die haben wohl auch noch Filialen im Urwald.«

Der BDD mit etwa 150 Detektiven, vorwiegend ehemalige Kripobeamte, versucht derweil, »wenigstens in den eigenen Reihen eine Auslese zu treffen« (Dunze). Einem Kollegen aus Opladen, der um Aufnahme bat, stellten die Verbands-Schnüffler wochenlang nach, bevor sie ihn dann auf die schwarze Liste setzten. Gegen den Detektiv, den das Gewerbeamt gewähren ließ, lagen acht Haftbefehle vor.

Standessorgen bewegten auch den Frankfurter Privatdetektiv Harry Wolf, der die zahlreichen bestehenden Berufsverbände um eine »Gewerkschaft der Detektive« (GDD) bereicherte, um ein für allemal die Guten von den Bösen zu trennen. Gewerkschaftsgründer Wolf ("Die unseriösen Herren unserer Branche können schon jetzt ihren Hut nehmen") muß inzwischen selbst einen Berufswechsel einkalkulieren. Die Frankfurter Polizei beschlagnahmte bei dem Warenhausdetektiv unlängst 14 Faustfeuerwaffen« nachdem Wolf Kunden und Geschäftsführer eines Kaufhauses bedroht hatte.

Der leichte Zugang und die lasche Überwachung des Gewerbes paßt auch dem Berliner »Zentralverband der Auskunfteien und Detekteien« und seinem Präsidenten Manfred Dessau nicht, der es sogar, um die »Mißstände im Detektivberuf zu beweisen«, für ratsam hielt, dem Bonner Wirtschaftsministerium eine »Blütenlese von Negativmaterial« zu liefern -- eine 29 Seiten lange Dokumentation mit 50 skandalösen Fällen.

Wo die staatliche Anerkennung und das geläuterte Berufsverständnis fehlen, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Aus Renommiersucht schmücken sich Detektive gern mit dubiosen Diplomen ausländischer Machart -- etwa von der »International Association of Chiefs of Police« wie der Hamburger Harry G. E. Howell. Ein anderer, Intertect-Chef B.« druckt die Konterfeis von Charles Bronson und Steve McQueen auf Firmenkuverts und verschickt Briefumschläge mit dem Absender »Detektiv-Service B. Bond Pinkerton«.

Für ein bißchen Publicity übernimmt B. die skurrilsten Aufträge -- mal als Dorfgeistlicher in schwarzer Kutte auf der Kanzel ("Da hab« ich einen schwulen Pfarrer überführt") oder im weißen Kittel als Neurologe in einer Nervenheilanstalt. Und das alles will gelernt sein.

Überall bieten Detektive nicht nur Kunden ihre Dienste, sondern auch dem Nachwuchs Unterrichtung an. Im Ausbildungs-Institut Brechtels kann der angehende Sherlock Holmes in zehntägiger Klausur und für 600 Mark Gebühr etwas über »Spurensicherung« und »Tarnung« erfahren, auch über »sittenwidrige Aufträge« sowie »das Verhalten als Zeuge vor Gericht«.

Die Internationale Privat-Detektiv-Schule Basel, die eine Zweigstelle im südbadischen Lörrach unterhält, bietet das Detektivische -- von Verfolgungstaktik bis zum Entschlüsseln von Geheimschriften -- per Fernkurs an. Kursleiter René Lais berechnet 700 Mark. und nach bestandener Schlußprüfung werden die Teilnehmer mit Urkunde und Abschlußzeugnis ausgestattet, die laut Werbeprospekt »bei der Stellensuche auf diesem Gebiete gute Dienste leisten« werden.

Das Berliner Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung (BBF) freilich fällte nach einer Überprüfung der Fernkurse ein vernichtendes Urteil. Der Lehrgangsinhalt« so der BBF-Befund, gewährleiste »weder eine breitangelegte berufliche Grundbildung noch eine berufliche Fortbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes«.

Vornehmlich mit Diplomen amerikanischer Machart von der »Boston School of Criminology« oder vom »Council of International Investigators« schmückt sich »Fido«-Chef Horst Drochner, 55. Der »Biedermann, den Gangster fürchten« ("Quick"), der einst eine Kampfausbildung bei der Marine genoß und noch heute Besuchern gern das EK I und II sowie das goldene HJ-Abzeichen präsentiert, läßt sich mit Vorliebe als »erfolgreichster und teuerster deutscher Privatdetektiv« feiern, auch wenn der Regierungspräsident in Darmstadt ihm jetzt das Gewerbe untersagen will, weil es an der »erforderlichen Zuverlässigkeit« mangelt.

Drochner rühmt sich zwar noch: »Ich bin der einzige, der beim amerikanischen FRI ausgebildet ist.« Aber die Zeit der lukrativen Aufträge aus jener Zeit, da Drochner nach eigenen Erzählungen mit dem »Staatsexamen für Kriminalistik« aus Amerika zurückkehrte, scheint nun vorbei. Heute robbt sich der BID-Präsident, 1,68 Meter groß und knapp zwei Zentner schwer, in Kampen mit Nachtfernglas und Kamera »auch durch die Dünen, um mal so »ne Ehegeschichte zu machen

Aber möglicherweise werden selbst die Ehesachen den Detektiven bald nicht mehr soviel Arbeit einbringen. Das neue Eherecht, das eine Vereinfachung der Scheidung vorsieht und derzeit im Parlament beraten wird, erhebt sich wie ein Menetekel über der Branche -- und wie ein Mann verwahrt sich das Gewerbe gegen die Neuerung.

Detektiv Brechtel beispielsweise: »Da liegt die Alte mit einem anderen im Nest, und dann kriegt sie noch die Hälfte des Hauses.« Andere Detektiv-Stimmen: »Knebelgesetz"« »Vergewaltigungsgesetz«.

Scheidungsanwalt Messmer vermutet, daß die Liberalisierung der Scheidung »ein harter Schlag für die deutschen Detektive sein muß«. Sein hannoverscher Kollege Fritz Willig hat ausgerechnet, daß sich bisher Eheleute »gleich schuldig scheiden« hätten lassen können, »wenn man sieht, was die für die Ermittlungen schließlich zahlen«. Denn wie war es bisher? »Da wurde mit dem Haß der Eheleute ein Geschäft gemacht.«

Dem Gewerbe, in dem nach Bekundung prominenter Vertreter »soviel Kroppzeug rumläuft« (Drochner), trübt sich nun die bislang beste Aussicht -- der Blick durchs Schlüsselloch.

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