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PROZESSE / ONASSIS Tanker Olga

aus DER SPIEGEL 18/1967

Aristoteles Onassis lutschte Fruchtgummi, die Packung zu 15 Pfennig. Maria Callas schluckte lila Pillen aus einer kleinen goldenen Dose.

Gemeinsam hatten der Welt größter Privatreeder und der Welt größte Stimme in den vergangenen Jahren mit der Onassis-Jacht »Christina« (50 Mann Besatzung, Swimming-pool und Wasserflugzeug an Bord) die Meere befahren, gemeinsam hatten sie auf den Bahamas gebadet, gemeinsam in Paris bei »Maxim's« diniert. Er hatte sie singen hören, sie ihn makeln sehen.

Gemeinsam verließen Aristoteles und Maria jetzt auch für einige Tage die Tummelplätze des internationalen Jet-sets und nahmen Platz in einem kargen Gerichtssaal des Londoner High Court.

Und das nur, weil er, der Schiffer, aus ihr, der Sängerin, eine Reederin machen wollte und will.

In griechischen Gewässern, an Bord der »Christina«, hatten Onassis, 61, die Callas, 43, und ihr gemeinsamer Freund Panaghis Vergottis, 77, im September 1964 beschlossen, für 1,2 Millionen Pfund (13,5 Millionen Mark) die 27 000 Tonnen große »Artemision II« zu kaufen. Ein Fünftel des Kaufpreises (240 000 Pfund) war bei Lieferung zu zahlen, der Rest wurde durch eine Hypothek gedeckt.

In Liberia gründete Vergottis daraufhin die »Overseas Bulk Carriers Corporation«, unter deren Namen das Schuf die Meere befahren sollte.

Vergottis und die Callas investierten je 60 000 Pfund für je 25 Anteile; Onassis erwarb 50 Aktien, von denen er seiner ständigen Begleiterin 26 schenkte, auf daß sie mit 51 von 100 Anteilen die Kapitalmehrheit erhielte.

Bei Champagner feierten die drei im »Maxim« die Transaktion. Die Alt-Schiffer neckten die Neu-Schifferin mit dem Spitznamen »Tanker Olga«.

Wenig später aber beschwor Vergottis die Primadonna, das Schiff sei ein Unglücksschiff, sie solle lieber vorerst auf ihre selbstgekauften 25 Aktien verzichten und ihre 60 000-Pfund-Einlage als Darlehen an die liberianische Gesellschaft verstehen. Nach zwei Jahren könne sie sich dann immer noch entscheiden, ob sie die Aktien wirklich haben wolle. Vergottis: »Ich liebe dich sehr, und dies ist für dich der vorteilhaftere Weg.«

Die Callas vertraute dem Landsmann. Denn er war ihr väterlicher Freund, war -- ebenso wie Onassis -- mit ihr um die halbe Welt gereist.

Doch dann zerbrach die Freundschaft an einem Film, den die Callas in Deutschland drehen wollte. Und als die Sängerin Anfang dieses Jahres ihre Aktien abforderte -- denn die »Artemision« hatte sich keineswegs als Unglücksschiff, sondern als gutes Geschäft erwiesen -, antwortete der einstige Freund: »Nur über meine Leiche.« Maria und Aristoteles klagten in London. Vergottis drohte, er werde »einen Riesenskandal vor Gericht und in der Presse« aufdecken.

Onassis vor Gericht: »Mein lieber alter Freund Vergottis drohte mir, es werde herauskommen, daß ich Madame Callas 26 Anteile geschenkt habe. Ich antwortete: »Na und?' Die Beträge, um die es hier geht, sind für mich wirklich nebensächlich.«

Auf den Vorhalt des Vergottis-Anwalts Bristow, der Anteil der Callas sei von ihr als echtes Darlehen an die liberianische Reederei gedacht gewesen, spottete der Reeder-König: »Das ist doch wohl Unsinn. Da hätte sie ja mit britischen Staatsanleihen mehr verdienen können!«

Der Anwalt: »Aber so wäre es doch in der Familie geblieben.«

Onassis: »Was heißt hier Familie? Wozu sollten wir uns Geld von Madame Callas leihen? Mister Vergottis vielleicht -- ich jedenfalls nicht!«

Maria Callas, im scharlachroten Dreß mit weißem Turban, verbarg bei diesem Dialog das Gesicht in den Händen und schüttelte sich vor Lachen. Und sie lachte auch, als Anwalt Bristow ein zweites Mal vergeblich versuchte, sie und ihren Gefährten auf Grund laufen zu lassen.

Bristow: Im September 1964, als Onassis und Vergottis die Maria zur Schifferin machen wollten, sei die »Artemision« schon einem anderen Interessenten versprochen gewesen.

Darauf Onassis: »Ein Schiff ist erst dann nicht mehr auf dem Markt, wenn es wirklich verkauft ist. Ebenso wie ein Mädchen erst dann nicht mehr frei ist, wenn es wirklich geheiratet hat.«

Bristow: »Wenn das Schiff auf dem Markt ist, solange »die Lady nicht wirklich verheiratet ist« -- haben Sie die »Ehe« im »Maxim« dann nicht vor der Hochzeit gefeiert?«

Onassis: »Verzeihung, das Aufgebot war schon bestellt, es fehlte nur noch die (Ehetauglichkeits-)Bescheinigung des Arztes.«

Das Ehe-Thema hielt den Anwalt gefangen. Zwei Tage lang verhörte er den Reeder und die Sängerin nicht über Aktien und »Artemision"« sondern über ihre Liaison.

»Ich muß leider sehr deutlich werden, entschuldigte er sich bei Onassis. »Nimmt Frau Callas in Ihrem Leben dieselbe Position ein wie eine Ehefrau, die sie nur deswegen nicht sein kann, weil sie nicht frei ist?«

Onassis: »Nein, wenn das der Fall wäre, wäre es weder für sie noch für mich ein Problem zu heiraten.«

»Haben Sie ihr gegenüber Verantwortlichkeiten, die über rein freundschaftliche Verpflichtungen hinausgehen?«

Onassis: »Nein, aber da ich ihr wesentlich näher stehe als Mister Vergottis, war ich es eben, der sich um ihre Verträge kümmerte, wenn etwas nicht in Ordnung war.«

Daß Aristoteles Onassis ihr heute wesentlich näher steht als Panaghis Vergottis, sagte auch die Primadonna aus: »Ich bin 43, er ist jetzt 77. Onassis ist jünger, deshalb ist das ein anderes Verhältnis -- aber nicht so, wie der Herr Anwalt angedeutet hat.«

Bristow zur Sängerin: »Sie haben ausgesagt, daß Sie nach wie vor mit Ihrem Mann verheiratet sind, der noch in Italien lebt.«

Maria Callas: »Nach italienischem Recht, ja ... Aber wenn ich nach Amerika reise und dort eine Scheidung erwirke, kann ich überall außer in Italien heiraten, wen ich will.«

Am letzten Mittwoch, als ein Ende der Verhandlung immer noch nicht abzusehen war, verlor die Callas die Geduld. »Diese Fragen müssen nicht gestellt werden«, fauchte sie den Anwalt an. »Wir sind hier wegen 25 Aktien, für die ich bezahlt habe -- nicht wegen meiner Beziehungen zu einem anderen Mann!«

Dann speiste die Sängerin mit dem »anderen Mann«, Aristoteles Onassis, im »Savoy« und fuhr anschließend - allein -- ins königliche Opernhaus Covent Garden. Nicht um zu singen, sondern als gefeierte Besucherin einer »La Traviata«-Aufführung.

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