»Terroristen - die Superunterhalter unserer Zeit«
Wenige Tage vor Weihnachten 1975 drang eine terroristische Gruppe unbestimmter Herkunft in das Opec-Gebäude in Wien ein und kidnappte die Repräsentanten der wichtigsten Erdöl produzierenden Länder ... Der Vorfall machte überall Schlagzeilen; offensichtlich war er ein Ereignis von weltweiter Bedeutung.
Doch nur einige Tage später, als die bewaffnete Aktion vorüber war, als die Terroristen zeitweilig aus den Schlagzeilen und von den Fernsehschirmen verdrängt waren -- bis zur nächsten Flugzeugentführung oder ähnlichen Aktion -, wurde es offenbar, daß die Operation zwar sorgfältigst geplant, aber völlig verpufft war.
Das Ziel war alles andere als klar: die Terroristen schienen nur eine vage Vorstellung dessen zu haben, was sie erreichen wollten. Sie zwangen den Österreichischen Rundfunk, den Text einer ideologischen Rede zu verlesen, die ein obskures Thema hatte und in linkem Jargon geschrieben war und die, soweit es den durchschnittlichen, ratlosen österreichischen Zuhörer betraf, genauso gut hätte in chinesisch vorgetragen werden können.
Zuerst wurde behauptet, die Wiener Terroristen seien Palästinenser, angetrieben von Verzweiflung und Armut und dem schmerzlichen Verlust ihres Heimatlandes. Später stellte sich heraus, daß die Einheit von Deutschen und Lateinamerikanern angeführt wurde; es mögen auch Araber beteiligt gewesen sein, aber die waren weder arm noch verzweifelt. Der Anführer war »Carlos«, ein Venezolaner, der in Moskau ausgebildet worden war und Verbindungen zum kubanischen Geheimdienst in Paris hatte. Der Überfall war offensichtlich keine spontane Aktion, und es war völlig unklar, wer dahinter steckte. Der ägyptischen Presse zufolge war diese Operation, wie auch viele andere, von Oberst Gaddafi in Libyen finanziert worden, der jedoch behauptete, er habe nie in seinem Leben von Carlos gehört und sei sowieso gegen Terrorismus.
Was aber war das Ziel -- war es in der Tat wirklich eine weitere Aktion im Kampf für die nationale und gesellschaftliche Befreiung der leidenden Menschheit, wie die Attentäter behaupteten? Moderner Terrorismus mit seinen Verbindungen nach Moskau und
* Walter Laqueur: »Terrorismus«. Athenäum-Verlag GmbH, Kronberg/Taunus; ca. 300 Seiten: 36 Mark.
Havana, zu Libyen und Algerien hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem anonymen Charakter der multinationalen Gesellschaften: Wenn multinationale Unternehmen für patriotische Ziele kämpfen, ist Vorsicht am Platze.
Der Sinn dieser Aktion ist bis zum heutigen Tag nicht klar geworden. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß die Politik der Erdöl produzierenden Länder in irgendeiner Weise beeinflußt worden wäre, wenn die Terroristen die Geiseln umgebracht hätten. Wäre es an jenem Sonntag vor Weihnachten in Wien zum Massenmord gekommen, hätte es lange Nachrufe auf Scheich Jamani und seine Kollegen gegeben. Innerhalb von 24 Stunden hätten in Teheran und Caracas, in Bagdad und Kuweit ehrgeizige und fähige Männer ihre Posten übernommen und grosso modo die gleiche Politik fortgesetzt. Somit war die Aktion völlig sinnlos.
Terroristen und Journalisten teilen die Ansicht, daß diejenigen, deren Namen in die Schlagzeilen kommen, Macht haben, daß ein Name auf der ersten Seite eine wichtige politische Leistung ist. Es braucht nicht erwähnt zu werden, wie wichtig Öffentlichkeit ist, die Leute zahlen eine Menge Geld dafür und geben sich viel Mühe, um sie zu erreichen. Falls die Publizität aber nicht in etwas Greifbares umgewandelt werden kann, ist sie reine Unterhaltung.
Rückblickend betrachtet war der Opec-Überfall in Wien nur eine Fußnote in den Annalen des internationalen Terrorismus, dramatisch, aber ohne politische Folgen. Seitdem ist es zu weiteren terroristischen Aktionen gekommen; nicht alle waren so mysteriös wie die Opec-Affäre. Was aber in Wien im Dezember 1975 geschah, ist ein guter Ausgangspunkt für eine Zusammenfassung. da es in vieler Hinsicht die historischen Veränderungen verdeutlicht, die im Charakter des Terrorismus und seiner politischen Rolle stattgefunden haben ...
Während des letzten Jahrzehnts ist eine Mythologie des Terrorismus entstanden, die wahrscheinlich noch eine Zeitlang weiterleben wird. Bei einem Versuch, die Wahrheit von der Mythologie zu trennen, ist es notwendig, einige wichtige Fakten zu erwähnen:
1. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Annahme ist Terrorismus kein neues und beispielloses Phänomen. Es ist oft behauptet worden, daß der Terrorismus in der Vergangenheit sporadisch und ohne Doktrin war. Aber die Narodnaja Wolja* und die russischen Sozialrevolutionäre waren genauso gut organisiert wie heutige Gruppen, selbst wenn ihre Waffen nicht so modern waren. Ihre ideologische und politische Entwicklungsstufe war wahrscheinlich höher. In der modernen terroristischen Literatur gibt es außer komplizierteren technologischen Anweisungen kaum etwas, was nicht schon in russischen Broschüren des vorigen Jahrhunderts gefunden werden kann oder in den Schriften Mosts und den Ausgaben der
2. Terrorismus, so wird behauptet, ist ein »politisch vorbelasteter Ausdruck«, der abgeschafft werden müsse, da der Terrorismus der einen Nation die nationale Befreiung einer anderen sei. Das ist zwar richtig, hilft aber genauso wenig weiter wie die Aussage, daß 1933 viele Amerikaner F. D. Roosevelt unterstützten und im gleichen Jahr viele Deutsche Adolf Hitler wählten. Daß Terrorismus in bestimmten Fällen eine befreiende Kraft war, braucht nicht erwähnt zu werden. Doch während sich der Terrorismus der Narodnaja Wolja und ähnlicher Gruppen gegen despotische Regime richtete, trifft das heutzutage nicht mehr zu; heute richtet er sich fast ausschließlich gegen freizügige demokratische Gesellschaften oder uneffektive autoritäre Systeme.
Was einst die ultima ratio der Unterdrückten war, ist nur zu häufig die prima ratio einer zusammengewürfelten Schar von Leuten mit den verschiedensten Motiven geworden. Er richtet sich nicht mehr gegen die schlimmsten Arten der Diktatur; im Nazideutschland
* Narodnaja Wolja; Russische Partei, die Ende vergangenen Jahrhunderts einen revolutionären Agrarsozialismus vertrat.
** Johann Joseph Most (1846 bis 1906): anarchistischer Agitator, der sich zuerst in Deutschland, nach seiner Ausweisung (1878) in Großbritannien und in den USA betätigte; in seiner Wochenzeitschrift »Freiheit« rief er zum gewalttätigen Kampf gegen die Gesellschaftsordnung auf
oder im faschistischen Italien gab es keine terroristischen Bewegungen, und auch in den kommunistischen Ländern gibt es sie nicht. Der nationalistische Terrorismus der Vergangenheit richtete sich gegen Fremdherrschaft; heute ist Terrorismus meistens einfach eine Form einer nationalistischen oder religiösen Auseinandersetzung.
3. Terrorismus wird weitgehend für »linksgerichtet« oder »revolutionär« gehalten. Terroristen haben zwar im allgemeinen behauptet, sie handelten für das Wohl der Massen, aber sie glaubten auch, daß die »Befreiung der Massen« die historische Mission einer kleinen auserwählten Schar sei. Selbst wenn heutzutage die meisten Guerilla-Manifeste in einer »linken« Phraseologie geschrieben werden, tendierten die Terroristen vergangener Generationen zum Faschismus ... Die wahre Inspiration, die dem Terrorismus zugrunde liegt, ist gewöhnlich ein ungebundener Aktivismus, der sowohl nach rechts als auch nach links gelenkt werden kann. Terrorismus ist sowieso keine Philosophenschule -- wichtig ist immer nur die Aktion.
4. Terrorismus tritt angeblich dort auf, wo das Volk legitimen Grund zur Beschwerde hat. Wenn man die Beschwerden, die Armut, die Diskriminierung, die Ungerechtigkeit, den Mangel an politischen Teilnahmemöglichkeiten beseitigt, wird der Terror angeblich aufhören. Diese Gefühle sind lobenswert, und alle gutwilligen Männer und Frauen teilen sie. Aber als Heilmittel gegen Terrorismus haben sie nur begrenzten Wert; wie die Erfahrung zeigt, sind heute die Gesellschaften mit den geringsten politischen Teilnahmemöglichkeiten und der meisten Ungerechtigkeit die vom Terrorismus unberührtesten ...
Anderswo, wie in Lateinamerika, haben Terroristen für größere politische Freiheit und soziale Gerechtigkeit gekämpft; ihre Anliegen mögen völlig gerechtfertigt sein; ob Brasilien unter Carlos Marighela oder Carlos Lamarca oder ob Kolumbien unter Fabio Vásquez oder einem anderen Caudillo vom Typ eines Castro freiheitlicher geworden wäre, ist zweifelhaft.
Schließlich gibt es den Terrorismus, der sich gegen die demokratischen Regierungen in Westeuropa, Nordamerika und Japan richtet. Die Fehler dieser politischen Systeme sind bekannt, aber der Vorschlag, daß die Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe vom Charakter oder Intellekt her eher dazu berufen seien, die Führungsrolle zu übernehmen als die Sozialdemokraten, ist lächerlich.
Wie demokratisch und vollkommen eine Gesellschaft auch sein mag, es wird immer unzufriedene und entfremdete Menschen geben, die behaupten, die jeweiligen Zustände seien untragbar, und es wird stets aggressive Menschen geben, die sich mehr für Gewalt als für Freiheit und Gerechtigkeit interessieren.
5. Es wird oft behauptet, daß Terror sehr effektiv ist. Terrorismus hat in der Tat zu politischen Veränderungen geführt, er hat aber nur in seltenen Fällen eine andauernde Wirkung gehabt, und zwar dann, wenn terroristische Taktiken im Rahmen einer weiter angelegten Strategie durch Massenbewegungen zur Anwendung kamen.
In der modernen Geschichte gibt es keinen bekannten Fall, in dem eine kleine terroristische Gruppe die Macht ergriffen hat ... Gewalt führt zu Gegengewalt und verschärfter Repression. Die Mittel der Repression, die dem Staat zur Verfügung stehen, sind sehr viel wirksamer: die einzige Hoffnung der Terroristen ist, die Autoritäten irgendwie an der Anwendung ihrer Macht zu hindern.
Wenn Mao zufolge der Terrorist ein Fisch ist, so sind die Freizügigkeit der liberalen Gesellschaft und die Ineffektivität der autokratischen Regierungen das Wasser, das der Terrorist zum Überleben braucht. Eine Regierung mag noch so schwach und unentschlossen, eine Gesellschaft schon so weit im Zerfall begriffen sein, daß sie sich nicht länger der terroristischen Herausforderung widersetzen können, so ist das doch eine seltene Ausnahme; die Grundfrage ist nicht, ob Terrorismus geschlagen werden kann; selbst drittklassige Diktaturen haben das mit Leichtigkeit bewiesen.
Das eigentliche Problem ist der Preis, den die liberalen Gesellschaften bezahlen müssen, die ihre demokratischen Traditionen hoch einschätzen. Das ist die Gefahr des Terrorismus zu einem Zeitpunkt, an dem die freien Gesellschaften in der Defensive sind und sowieso schweren internen und externen Herausforderungen gegenüberstehen.
6. Es wird behauptet, daß Terroristell Idealisten sind, daß sie humaner und intelligenter als gewöhnliche Kriminelle sind. Solche Behauptungen, ob sie wahr sind oder nicht, tragen wenig zum Verständnis des Terrorismus bei. Die tiefe Humanität der frühen russischen Terroristen steht nicht in Frage. Aber das gilt nicht mehr im Hinblick auf viele terroristische Bewegungen, die in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, und hinzu kommt, daß einige der schlimmsten Greueltaten in der Geschichte der Menschheit von Menschen ausgeführt worden sind, deren Idealismus niemand bezweifelt. Abenteuerlust ist ein wichtiges Motiv in einer Welt ohne Sensation und Aufregung.
Terroristen in Latein- und Nordamerika, in Europa und in einigen der nationalistisch-separatistischen Gruppen mögen belesen und artikuliert sein. Aber das bedeutet nicht, daß sie größere Reife bewiesen haben; mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen haben sie große politische Naivität bewiesen. Umfassendere Probleme und zukünftige Perspektiven interessieren sie wenig; oft wurden sie bewußt oder unbewußt von fremden Mächten manipuliert. Die frühen terroristischen Gruppen verübten keine bewußt grausamen Aktionen. Aber mit der Veränderung im Charakter des Terrorismus ist humanes Verhalten, »links« wie »rechts«, nicht mehr die Regel ...
Der politische Terrorist der jüngsten Zeit predigt vielleicht die Brüderlichkeit unter den Menschen und praktiziert sie manchmal sogar. Häufiger hat er sich jedoch von moralischen Skrupeln befreit und sich selbst überzeugt, daß alles erlaubt ist, da außer ihm alle schuldig sind. Es ist nicht nur das Ziel des Terroristen, seine Gegner umzubringen, sondern auch, Angst und Verwirrung zu stiften. Er ist überzeugt, daß das großartige Ziel selbst die scheußlichsten Mittel rechtfertigt. 7. Terrorismus wird als Waffe der Armen dargestellt; das trifft sicherlich auf die terroristischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts zu; die Mitglieder entstammten gewöhnlich den mittleren und oberen Gesellschaftsschichten, waren aber als Gruppe in der Tat mittellos. Mit der Veränderung der Ziele des Terrorismus sind erhebliche Differenzierungen aufgetreten.
Terroristische Gruppen ohne mächtige Schutzherren sind immer noch arm; die Südmolukker gehören zum Beispiel dieser Gruppe an; ihr Unabhängigkeitskampf ist für ausländische Kräfte uninteressant. Sie bekommen keine Waffen aus Rußland, keine Ausbilder aus Kuba, kein Geld aus Libyen oder Algerien, da sie der falschen Religion oder Rasse angehören oder weil ihre Ziele nicht mit den Interessen der Großmächte übereinstimmen. Sie sind die Proletarier der terroristischen Welt.
Das andere Extrem sind die Gruppen, die von ausländischen Mächten unterstützt werden, die Aristokraten der terroristischen Welt, in der viele Millionen Dollar im Umlauf sind; sie haben Büros in Luxushotels und Banekonten in der Schweiz. Ihre finanzielle Stärke ermöglicht es ihnen, Aktionen auszuführen, die außerhalb der Möglichkeiten der armen Terroristen liegen. Gleichzeitig kann der Überfluß zu Korruption führen ...
Die jüngste Terrorwelle lehrt sowohl die Terroristen als auch die Regierungen einige Lektionen, die den allgemeinen Weisheiten widersprechen. Die Terroristen haben erst kürzlich die offensichtliche Tatsache erkannt, daß Terror gegen Ausländer immer populärer ist als gegen die eigenen Landsleute (oder Anhänger derselben Religion).. Eine andere Lektion wurde von den Terroristen schneller gelernt, daß nämlich die Medien von entscheidender Bedeutung für ihre Kampagnen sind, daß terroristische Aktion für sich allein so gut wie nichts, Publizität dagegen alles bedeutet. Aber die Medien, die immer Abwechslung und neue Perspektiven brauchen, sind unzuverlässige Freunde. Terroristen müssen stets erfinderisch sein. In gewisser Hinsicht sind sie die Superunterhalter unserer Zeit. Um eine maximale Wirkung zu erreichen, ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes von größter Wichtigkeit.
Die wirkliche Gefahr für die Terroristen ist die Möglichkeit, ignoriert zu werden, nicht genügend Publizität zu erhalten, das Bild des verzweifelten Freiheitskämpfers nicht aufrechterhalten zu können und natürlich die Möglichkeit, einem entschlossenen Gegner gegenüberzustehen, der ohne Rücksicht auf die Kosten nicht gewillt ist zu verhandeln.
Vom terroristischen Standpunkt aus gibt es glücklicherweise nur wenige Leute dieser Art in den führenden Positionen der demokratischen Gesellschaften. Führer, die zu Kriegszeiten, ohne zu zögern, ganze Armeen opfern, scheinen gewillt zu sein, fast alle Zugeständnisse zu machen, um in Friedenszeiten ein einziges Menschenleben zu retten, selbst wenn sie wissen, daß diese Konzessionen zu neuen Opfern und neuen Terrorausbrüchen führen werden.
Als um die Jahrhundertwende ein Anarchist den italienischen König umzubringen versuchte, bemerkte Umberto, daß das ein Berufsrisiko für Könige sei. Solcherlei philosophische Resignation (oder Pflichtgefühl) gilt nicht mehr allgemein. Einem Bericht zufolge haben Diplomaten gegen die harte Linie ihrer Regierung gegenüber Terroristen protestiert, da sie um ihr Leben bangten, falls sie von Terroristen entführt würden.
Um erfolgreich zu sein, müssen terroristische Forderungen »realistisch« sein, das heißt begrenzten Umfanges. Demokratische Autoritäten geben instinktiv der Erpressung nach, aber sie können sich das nur bis zu einem bestimmten Punkte leisten. Somit sind Forderungen nach Freilassung von Terroristen und von Geld gewöhnlich realistisch. Es gibt jedoch Grenzen, die keine Regierung überschreiten kann, wie terroristische Gruppen zu ihrem Nachteil feststellen mußten. Die langfristigen strategischen Verluste auf Grund von Zugeständnissen übertreffen gewöhnlich die momentanen Vorteile; Kapitulation ist nur ein kurzer Trost.
Wenn die terroristischen Forderungen völlig unrealistisch sind, führen sie
* 1881 auf Zar Alexander II.
mit großer Wahrscheinlichkeit zu extremen Gegenmaßnahmen, und selbst ihre liberalen Sympathisanten können ihnen nicht mehr helfen. Dieser Gegenschlag kann die Existenz der Terroristen vernichten, es sei denn, sie können Schutz im Ausland finden und werden von Nachbarländern unterstützt.
Die Lektionen für die Regierungen sind gleichermaßen deutlich: Falls Regierungen sich weigern, auf terroristische Forderungen einzugehen, würde der Terrorismus sehr stark reduziert. Ein Verhalten wie das des österreichischen Kanzlers Bruno Kreisky und seines Innenministers, die den Terroristen, nachdem diese einen österreichischen Polizisten erschossen hatten, die Hand schüttelten, ist nicht nur vom ästhetischen Gesichtspunkt aus unangenehm, sondern gewöhnlich auch völlig unergiebig.
Aber alle demokratischen Regierungen haben zu irgendeinem Zeitpunkt ähnlich gehandelt und mit Terroristen einen Kompromiß geschlossen: Die Briten und die Deutschen haben gefangene Terroristen freigelassen, die Amerikaner und Franzosen haben Lösegelder bezahlt, und selbst die Israelis haben Terroristen freigesetzt, die sich in ihrer Gewalt befanden ...
All das soll nicht heißen, daß Demokratien gegenüber dem internationalen Terrorismus machtlos sind; aber es ist sicherlich wahr, daß weltweite Zusammenarbeit ein Hirngespinst ist und daß sie gewöhnlich nicht in der Lage sind, entscheidend durchzugreifen, bevor der Schaden angerichtet ist. Sie werden warten müssen, bis die Meinung der Öffentlichkeit sich der Gefahr voll bewußt ist.
In vielen Fällen wird Terrorismus nichts weiter als ärgerlich sein, dann sind drastische Gegenmaßnahmen nicht erforderlich. Die moderne Gesellschaft neigt dazu, die Wichtigkeit des Terrorismus zu übertreiben: die Gesellschaft ist zwar Angriffen gegenüber empfindlich, aber sie ist auch recht elastisch. Ein Flugzeug wird entführt, aber alle anderen fliegen weiter. Eine Bank wird ausgeraubt, aber alle anderen arbeiten wie gewöhnlich. Ölminister werden entführt, aber kein Tropfen Öl geht verloren.
In einer Beschreibung der militärischen Unternehmungen seiner Beduinen-Kämpfer erwähnt Lawrence von Arabien, daß sie im großen und ganzen zwar gute Soldaten seien, daß sie aber leider glaubten, die Gefährlichkeit und Zerstörungskraft ihrer Waffen stehe im direkten Verhältnis zu dem Lärm, den sie erzeugten. Die heutige Einstellung gegenüber dem Terrorismus in der westlichen Welt ist sehr ähnlich: Terrorismus erzeugt zwar eine Menge Lärm; verglichen mit den anderen Gefahren, denen sich die Menschheit gegenüber sieht, ist er aber zur Zeit noch irrelevant.
Paradoxerweise kann Terrorismus unter bestimmten Umständen Nebenerscheinungen haben, die nicht nur negativ sind, und zwar durch seinen provozierenden Charakter. Sicher besteht die Gefahr, daß übermäßig reagiert wird und daß die Anstrengungen sich in die falsche Richtung wenden. Aber infolge Fehlens besserer Demonstrationsmöglichkeiten wiederholt der Terrorismus, der sich gegen demokratische Gesellschaften wendet, noch einmal eine nützliche Lektion, die nur zu leicht vergessen wird -- daß nämlich Freiheit immer angegriffen wird und man sie nicht als selbstverständlich hinnehmen kann, daß Beschwichtigungspolitik nicht zum Erfolg führt und daß entschiedenes Vorgehen notwendig sein kann.
Solche gewagten Thesen sind natürlich umstritten, aber eben in der Frage des Terrorismus führen die Befürworter der weichen Linie einen aussichtslosen Kampf. Denn Terrorismus ist Erpressung, und die Opfer von Erpressern sind wahrscheinlich weniger bereit, zu vergeben und zu vergessen, als die Opfer fast aller anderen Verbrechen: sie sind besonders empört, denn nicht nur ihr Leben und ihr Besitz sind betroffen. Sie sind erniedrigt, ihre menschlichen Grundrechte, ihre Würde und ihre Selbstachtung sind verletzt worden. Das als unwichtig abzutun, Unterwerfung gegenüber Erpressern zu rationalisieren und zu behaupten, man dürfe sich nur durch Zweckmäßigkeit leiten lassen, ist von der menschlichen Natur zuviel verlangt, vor allem, wenn die Zweckmäßigkeit so zweifelhaft ist.