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ABGEORDNETE Teuflisches Timing

Auffällige Zurückhaltung übten SPD und CDU bei der Beurteilung von Rainer Barzels Tätigkeit für die Rüstungsfirma Henschel, für die der CDU-Vorsitzende einst 60 000 Mark erhielt.
aus DER SPIEGEL 52/1971

Ich war mit Sicherheit nicht traurig«, erinnerte sich SPD-Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Wischnewski, »als ich davon hörte.« CDU-Parteisprecher Willi Weiskirch entsann sich: »Gefreut hat uns das natürlich nicht.«

Die Ursache der unterschiedlichen Gefühlslage: Der SPIEGEL hat in seiner letzten Ausgabe von einem 60 000-Mark-Honorar berichtet, das CDU-Chef Rainer Barzel sich in den Jahren von 1959 bis 1961 von der seit 1964 in ein Betrugsverfahren verwickelten Firma als Berater -- davon 10 000 Mark für ein Gutachten, das noch zu erstellen ist -- hatte zahlen lassen.

Doch die SPD mochte kein Kapital aus der Peinlichkeit schlagen. Wischnewski: »Wir wollten erst mal Barzels Stellungnahme abwarten. Wir gehören zu denjenigen, die für eine gewisse Fairneß sind.«

Es muß nicht unbedingt Fairneß sein. Denn seit Monaten hat die SPD ihre eigene Affäre, den Fall Wienand. Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer war gegen gutes Honorar als Berater der in Konkurs gegangenen Fluggesellschaft Paninternational tätig geworden. Seine Rolle dabei ist -- auch in der Partei -- noch immer umstritten.

Die Union machte es sich leichter: Sie erklärte kurzerhand zur finsteren Machenschaft, was der SPIEGEL in der vergangenen Woche berichtet hatte.

Die Koblenzer Staatsanwaltschaft urteilte nüchterner. Sie bestätigte den Bericht durch ihre lapidare Auskunft, daß »der ihr seit langem bekannte Vorgang strafrechtlich nicht relevant« sei.

Günter Englisch, Pressesprecher der CDU/CSU-Fraktion, zu den Neuigkeiten über seinen Parteichef: »Das war ein teuflisches Timing. Während der Bundeskanzler den Nobelpreis kriegt, wird der andere als korrupt dargestellt.« Barzel begnügte sich damit, von seinen Mitarbeitern verbreiten zu lassen, er habe das Geld nicht für sich, sondern für die Partei kassiert.

Der bayrische CSU-Abgeordnete Hermann Höcherl fand die Affäre nicht sonderlich aufregend: »Was der gemacht hat, ist nicht strafbar. Ich als Anwalt berate laufend Leute.« Freilich war Rainer Barzel -- anders als Höcherl -- nicht als Anwalt zugelassen.

Gewiß nicht beratend, sondern allenfalls freundschaftlich-verständnisvoll war wohl jenes Telephongespräch gemeint, das der damalige Henschel-Chef Fritz-Aurel Goergen und Rainer Barzel führten, als gegen den Industriellen bereits ermittelt wurde. Daß dieses Telephongespräch in Gegenwart von Strafverfolgern stattfand, die dem Fall Henschel auf der Spur waren, war gewiß ein Zufall.

Auch andere CDU-Politiker haben in Verbindung mit Goergen gestanden. Zu seinen Anwälten gehörte vorübergehend der frühere geschäftsführende CDU-Bundesvorsitzende Josef Hermann Dufhues, den in Düsseldorf aufzusuchen die ermittelnde Koblenzer Staatsanwaltschaft allerdings ablehnte, obwohl der damalige CDU-Staatssekretär im Mainzer Justizministerium, Otto Theisen, heute Helmut Kohls Justizminister, sie angelegentlich darum gebeten hatte. Als sich Rechtsanwalt Dufhues dann selbst nach Koblenz bemühte, ließ es sich Staatssekretär Theisen nicht nehmen, ihn zu begleiten.

Das Bekanntwerden der früheren Nebeneinkünfte Barzels verleitet die Sozialdemokraten dennoch vorerst nicht zu offener Schadenfreude. Ihr Fraktionssprecher Wolfgang Jansen: »Wir sind dafür da, die Politik von morgen zu machen, und nicht, den Schnee von vorgestern aufzutauen.«

Letzte Woche erst tagte der Untersuchungsausschuß des Bundestages über die Pleite-Firma Paninternational (siehe Seite 61). Die Partei-Oberen bedrückt noch ein anderes Wienand-Engagement.

Der ranghohe Sozialdemokrat soll -- so wird in der Baracke befürchtet -- versucht haben, mit Hilfe des von Parteifreund Hans Wertz geleiteten NRW-Finanzministeriums die Steuerschuld eines Unternehmens seines Wahlkreises niederzuschlagen. Der neue Wienand-Coup sei freilich am Widerstand des Leiters des zuständigen Siegburger Finanzamts gescheitert.

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