UNTERNEHMEN / HERBOL Teurer Traum
Vor seine Aktionäre trat am letzten Freitag der Ludwigshafener Chemieboß Bernhard Timm als geschlagener Mann. Die größte Schlappe seiner Manager-Karriere hatte dem Generaldirektor der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG (BASF) eine Dame aus Bad Ems beigebracht: die Hausfrau Hanne Herbig.
An ihrem Willen scheiterte der ungestüme Expansionsdrang des Konzernherrn, der nach einer ganzen Serie geglückter Firmenkäufe jetzt auch noch die Kölner Lackfabrik Herbol-Werke Herbig-Haarhaus AG überschlucken wollte.
Als Professor Timm, Sohn eines Getreidehändlers aus Pinneberg, im Mai 1965 zum Chef der BASF (5,5 Milliarden Mark Jahresumsatz, 50 000 Beschäftigte) aufrückte, steckte er seine Ziele ab. Er wollte seinem Grundstoffkonzern neue Fertigungszweige angliedern und sah sich nach passenden Objekten um. Timm: »Wohlgefällig ruht unser Auge auf allen, die für uns in Frage kommen.«
Mit Erfolg probte Timm sein Wachstumskonzept, als er den ebenfalls interessierten Konkurrenten Bayer und Hoechst im Herbst 1965 die Familienfirma Glasurit in Hamburg wegschnappte. Seine BASF erwarb Deutschlands größten Lackhersteller für 250 Millionen Mark.
Eineinhalb Jahre später legte Timm in Hamburg weitere 155 Millionen an und wurde Herr der Chemiefaser-Gesellschaft Phrix. Im schleswig-holsteinischen Uetersen erstand der Routinier in diesem Herbst für 100 Millionen Mark die renommierte Arzneimittelfabrik Nordmark-Werke.
Einkäufer Timm aber hatte damit nicht genug. Ohne Verschnaufpause fädelte er die größte Industrie-Transaktion der Nachkriegszeit ein: die Übernahme des Öl- und Kalikonzerns Wintershall AG in Kassel. BASF hält 840 Millionen Mark bereit, um die Wintershall-Gruppe (Jahresumsatz 1,5 Milliarden Mark) in seinen Trust einzugliedern.
Der Fischzug an der Fulda war noch nicht abgeschlossen, als der Chemie-Professor am Rhein seine Netze auswarf. Marktspäher hatten herausgefunden, daß die Herbol-Werke in Köln zu haben waren. Den kauflüsternen Manager reizte die Chance, seine Farbpalette bei Glasurit mit den Herbol-Lacken zu komplettieren und so mit den im Farbengeschäft führenden Bayer-Werken gleichzuziehen.
Die 1922 gegründete Kölner Fabrik für Bau-Anstriche (1400 Beschäftigte 110 Millionen Mark Jahresumsatz; zählt zu den letzten konzernfreien Firmen der Branche. Vom Zehn-Millionen-Kapital erhielten die Nachfahren des Gründers Dr. Dr. Adolf Herbig 72 Prozent; 25 Prozent Anteil lagen bei der »Opriba« in Frankfurt, einer Vermögensverwaltung der Kinder und Enkel von Hitlers erstem Wirtschaftsminister, Alfred Hugenberg.
Timm bot den Erben von Herbig und Hugenberg für ihre Herbol-Pakete einen Kurs von 520 Punkten pro Aktie an. Nach monatelangem Feilschen erhöhte er seine Offerte auf 600 Punkte. Die Aktionärin Hanne Herbig aus Bad Ems aber witterte ein noch größeres Geschäft.
Frau Herbig, die 21 Prozent aller Herbol-Anteile (2,1 Millionen nominal) im Safe hatte, faßte einen weiteren möglichen Interessenten ins Auge. Sie reiste nach Leverkusen zum BASF-Konkurrenten Bayer, wo sie der Finanzvorstand Hanns Gierlichs rasch verstand. Bayer erklärte sich bereit, für jede Herbol-Aktie 700 Mark anzulegen.
BASF-Timm, der unterdessen mit den Familien Herbig und Hugenberg weiter um den großen Farbtopf rang, trieb sein Angebot auf Bayer-Kurs hoch, als er von dem Manöver der Leverkusener Wind bekam. Frau Luise Herbig, Dr. Jost Herbig und die Opriba schlugen ein und kassierten 50 Millionen Mark.
Nach Abschluß des Farbgeschäfts feierte Timm seine jüngste Akquisition und ließ ausposaunen: »BASF erwirbt Mehrheit an Herbol-Werken.« Der Konzernboß war sicher, auch die Anteile von Hanne Herbig in die Hand zu bekommen.
Aber die Emser Herbol-Aktionärin ließ den Herrn aus Ludwigshafen abfahren. Sie schaffte zusätzlich »noch vier Prozent von einer Tante« herbei. Für die Schachtel von 25 Prozent zahlte Bayer-Boß Hansen gern 17,5 Millionen.
Denn mit dem Millionen-Coup konnte Professor Kurt Hansen dem kaufwütigen Timm endlich ein Bein stellen. Schon lange hatte der Chef des größten deutschen Chemie-Konzerns grollend die Konzentrations-Manie seines Konkurrenten Timm beobachtet, für den es offenbar schwer erträglich ist, daß die BASF nach Bayer und Hoechst erst auf dem dritten Platz unter Westdeutschlands Chemie-Konzernen rangiert.
Als Timm begriff, daß ihn Hanne Herbig ausgespielt hatte, ließ er sich nicht mehr sprechen. Denn laut Aktiengesetz kann Bayer-Hansen mit seinem 25-Prozent-Anteil alle wichtigen Vorhaben des Großaktionärs BASF bei Herbol verhindern. Timms Absicht, die Kölner Lackfabrik restlos zu verschlucken, bleibt ein teurer Traum.
Die Hausfrau Hanne Herbig ist mit dem Lauf der Dinge sehr zufrieden: »Ich habe dafür gesorgt, daß die BASF nicht überall reinkommt. Viele haben mir gedankt, daß ich das so fabelhaft gemacht habe.«