Personalien Theodor W Adorno, Dieter Bub, Karl Gerold, Gustav Heinemann, Herbert Wehner, Karl Riegel, Willy Brandt, Torsten Nilsson, Johanna Kilian
Theodor W. Adorno, 65, Vor-Denker der studentischen Linken ("Wie kannte ich ahnen, daß Leute mein Denkmodell mit Molotow-Cocktails verwirklichen wollen"), wurde am vergangenen Dienstag durch planvolle Zärtlichkeiten daran gehindert, Im Hörsaal VI der Frankfurter Uni seine Vorlesung »Einführung in die Dialektik« abzuhalten. Nachdem Flugblätter ("Adorno als Institution ist tot") im Saal verteilt worden waren, kreisten drei blumenschwenkende Genossinnen der »Basisgruppe Soziologie« den Philosophen auf dem Podium ein und bemühten sich, ihn durch Küsse, entblößte Busen und erotische Pantomimen zu verwirren. Adorno, der im vergangenen Semester 76 Studenten-Revolutionäre von Polizisten aus seinem Institut hatte abholen lassen, erwehrte sich der Mädchen mit seiner Aktentasche und verließ den Hörsaal. Vorlesung und Hauptseminar sagte er »bis auf weiteres« ab.
Dieter Bub, 30, Rundfunk-Reporter beim NDR, wurde unversehens Besitzer des Schimmels Enrico Dandolo, 4. Als Bub sich während einer Pferdeauktion in Verden auf seine Reportage vorbereitete, wurde er vom Übertragungswagen über Kopfhörer aufgefordert, sich zu melden. Der Reporter winkte seinen Kollegen mit einem Manuskript, erhielt auf dieses Zeichen hin vom Auktionator den Zuschlag bei 9000 Mark und mußte nach den strengen Auktionsregeln das Pferd übernehmen. Bub will den Wallach als Reitpferd weiter ausbilden lassen und ihn später mit aufs Land nehmen.
Karl Gerold, 62, Herausgeber der »Frankfurter Rundschau« und Autor mehrerer Gedichtbände, schickte von einer Israel-Reise aus ein politisches Poem an seine Zeitung. Dritte Strophe: »Wie soll ich denn in diesem Deutschland ruhig leben, wenn ich die alten, neuen Nazis seh im Bundestag, wenn ich sie seh in ihren Ämtern aufwärts streben und diesen Kanzler, der mit Hitler geistig In dem Bette lag.« Der Verleger über sein Gedicht: »Es gibt keinen aktuellen Anlaß dafür außer meinem Studium der Vergangenheit des Herrn Kiesinger.«
Gustav Heinemann, 69, vom 1. Juli an Bundespräsident, arbeitet bis zu seinem Umzug In die Präsidenten-Villa Hammerschmidt weiterhin im Chefbüro des Justizministeriums. Minister Ehmke, der sein Amt vorerst von seinem alten Staatssekretär-Zimmer aus leitet, zerstreute Bedenken der SPD, dem am 26. März zurückgetretenen Justizminister Heinemann seine Amtsräume zu belassen, mit der Drohung, eventuelle Einsprüche der CDU werde er mit einem Definitionsstreit »über den Unterschied zwischen kleinkariert und Pepita« beantworten.
Herbert Wehner, 62, SPD-Vize, präsentierte sich vergangenen Montag Parteifreunden als Gourmet. Zusammen mit sechzehn Sozialdemokraten Gast in der Dienstvilla seines Vorsitzenden Willy Brandt, beauftragte der Gesamtdeutsche Minister den Butler des Außenministers, Weber: »Bringen Sie mir doch bitte zwei Platten mit Tatarschnittchen und obendrauf ein paar Zwiebeln.« Der Butler servierte das Gewünschte, Wehner, der Diät halten muß, aß den Belag und ließ das Brot in die Küche zurückgehen.
Karl Riegel, 53, SPD-MdB und Kreisrat von Göppingen, honorierte das Verhalten der FDP-Abgeordneten bei der Bundespräsidentenwahl. Als der Göppinger Kreisrat in einer Sitzung über den Verkauf einer 20 Jahre alten Straßenwalze beriet, bewog Riegel die SPD-Fraktion, dem von FDP-Kreisrat Georg Gallus vertretenen Gemeindeverband Albershausen den Zuschlag zu geben. Riegel: »Eine Anerkennungsgabe für die Wahl Heinemanns mit Hilfe der FDP-Stimmen.« Albershausen erhielt die Walze zum Preis von 2500 Mark.
Willy Brandt, 55, Hundebesitzer, ließ vorletzten Dienstag seinen in die Villa auf dem Venusberg gerufenen persönlichen Partei-Referenten Peter Röhrig in der Empfangshalle warten. Mit Röhrig wartete Brandts ungarischer Hirtenhund »Husar« auf seinen Herrn. Als Brandt erschien, wandte sich der Referent eifrig seinem Chef zu und trat dabei dem schlafenden Hund auf den Schwanz. »Husar« biß sofort kräftig in Röhrigs Bein. Per Minister entschuldigte sich für seinen Hund, erklärte dem Verletzten aber: »Das kommt davon, wenn man schlafende Hunde weckt und ihnen obendrein noch auf den Schwanz latscht.«
Torsten Nilsson, 64, Schwedens Außenminister, und Gunnar Lange, 60, Handelsminister, gaben auf der Jahresversammlung der Stockholmer Sozialdemokraten bekannt, sie äßen niemals spanische Orangen. Begründung für die Abstinenz: Abscheu vor dem Franco-Regime.
Johanna Kilian, 21, Wiener Photomodell, demonstrierte im Österreichischen Fernsehen, was Frauen für eine Filmkarriere zu tun bereit sind. Die Journalisten Helmuth Dimko und Peter Hajek hatten per Inserat »attraktiven Nachwuchs für ein internationales Filmprojekt gesucht« und von 60 Bewerberinnen 30 in ein Appartement des Wiener »Park-Hotel Schönbrunn« gebeten. Dort forderte Burgschauspieler Wolfgang Gasser, 42, der sich als amerikanischer Produzent ausgab, die Film-Aspirantinnen auf, sich auszuziehen, da sie in einer Szene nackt auftreten müßten. Keine zierte sich. Durch einen präparierten Spiegel filmte ein Fernsehteam die Vorstellungen, um in der Sendung »Apropos Film« nachzuweisen, wie erpicht junge Frauen auf eine Leinwandkarriere sind. Über die Täuschung informiert, erklärten sich 27 der Bewerberinnen schriftlich damit einverstanden, daß ihr Auftritt gesendet werde. Johanna Kilian später: »Ich hab mir die Sendung mit Bekannten angeschaut. Die haben mich gar nicht erkannt.«