GASTARBEITER Tip vom Bahnhof
Den Tip bekam Joso Karakas, 35, Gastarbeiter aus Jugoslawien, im Wiesbadener Hauptbahnhof. Landsleute, die den Sackbahnhof nach Feierabend als Nachrichtenbörse nutzen, klärten ihn über die Möglichkeiten auf, den bundesdeutschen Fiskus zu prellen:
Der ledige Joso ging zur Wiesbadener Lohnsteuerkarten-Stelle, forderte Steuerermäßigung für eine Ehefrau und zwei Kinder - und bekam sie. Und zwar aufgrund eines - heute nicht mehr auffindbaren - Dokuments, über dessen Charakter Unklarheit besteht.
Joso behauptete jetzt vor Gericht, es sei ein Grundbuchauszug aus seiner Heimatstadt Gospic gewesen, und die dort angegebenen Parzellen-Nummern habe er dem Sachbearbeiter als die Geburtsdaten seiner angeblichen Familienangehörigen gedeutet. Die städtische Behörde dagegen erklärte, bei dem Papier habe es sich keineswegs um eine echte, wenn auch irreführende Urkunde gehandelt, sondern um ein gefälschtes Dokument. Des Serbokroatischen unkundig, habe der Sachbearbeiter das Papier anerkannt.
Der genaue Sachverhalt war auch vor Gericht nicht mehr zu klären. Karakas wurde wegen Falschbeurkundung und Betruges verurteilt. Für 241 Mark Lohnsteuer, die er der Staatskasse durch sein Schwindelmanöver vorenthalten hatte, bekam er sechs Wochen Gefängnis (die zur Bewährung ausgesetzt wurden) und 500 Mark Geldstrafe. Außerdem muß er 100 Mark Buße zahlen.
Als strafmildernd wertete das Wiesbadener Schöffengericht die Leichtgläubigkeit, mit der die städtische Behörde dem Jugoslawen »entgegengekommen« sei. So äußerte ein städtischer Bediensteter auf die Frage des Karakas -Verteidigers, wie sich das Amt in sprachlich schwierigen Fällen verhalte. »Da haben wir unsere Wörterbücher.«
Allerdings nutzen die Landsleute des Joso Karakas wie auch Gastarbeiter anderer Nationalität die meistens nur mangelhaften Fremdsprachen-Kenntnisse deutscher Behörden-Bediensteter weidlich aus:
Rund 40 Prozent aller Gastarbeiter operieren nach Schätzungen der Wiesbadener Finanzbehörde bei den Lohnsteuerstellen mit nicht vorhandenem Kindersegen und entsprechend gefälschten Papieren.
Von »zahlreichen Fällen«, in denen sich Gastarbeiter durch falsche Angaben günstigere Steuerklassen erschwindelten, weiß auch der Leiter der Lohnsteuerstelle in der niedersächsischen Landeshauptstadt zu berichten. In anderen Bundesländern haben die Steuerbehörden ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Stuttgarter Staatsanwalt Schülke schätzt gar, daß der Anteil von Steuersündern unter den Gastarbeitern bis vor kurzem in Faden-Württemberg noch 80 Prozent betragen habe. Allerdings hätten sich die Verhältnisse im Baden-Württembergischen gebessert, seit es dem Landeskriminalamt gelungen sei, eine Fälscherzentrale auszuheben.
Auch ließ die jugoslawische Polizei inzwischen Fälscherbanden auffliegen, die ihre Landsleute In der Bundesrepublik mit Dokumenten für die Behörden versorgt hatten.
Um die Steuerehrlichkeit der Gastarbeiter zu heben, gingen zum Beispiel die baden-württembergischen Gerichte dazu über, statt per Strafbescheid geringe Geldstrafen nunmehr Gefängnisstrafen ohne Bewährung zu verhängen. Schülke: Die Abschreckung sei größer, und zum anderen könne man so den Täter leichter aus der Bundesrepublik ausweisen.
Das Wiesbadener Lohnsteuerkartenamt hat aus dem Fall Karakas inzwischen praktischen Nutzen gezogen. Es erkennt neuerdings nur noch darin Gastarbeiter-Urkunden an, wenn auch eine amtlich beglaubigte Übersetzung vorliegt.
Gastarbeiter Karakas
Kinder aus dem Grundbuch