Tod durch extreme Windstille
Der bislang von den DDR-Behörden noch geheimgehaltene Untersuchungsbericht über Ursachen und Hergang der Flugzeug-Katastrophe vom 14. August. bei der alle 156 Insassen einer »Interflug«-Iljuschin 62 bei Königs Wusterhausen nahe Ost-Berlin ums Leben kamen, bestätigt die Vermutung westlicher Luftfahrt-Experten (SPIEGEL 35/1972): Der vierstrahlige DDR-Jet explodierte in einer Wolke seines eigenen Treibstoffs. Interflug-Kapitän Heinz Pfaff, 51, Pilot der nach Burgas in Bulgarien bestimmten Urlauber-Maschine. meldete -- so rekonstruierten Ost-Berliner Ermittler -- wenige Minuten nach dem Start vom Flughafen Schönefeld (die II-62 befand sich zu diesem Zeitpunkt über dem Gebiet von Cottbus im Steigflug) dem Tower einen Defekt im automatischen Steuer- und Navigationssystem, der jedoch nicht die Flugfähigkeit beeinträchtigte. Trotzdem gaben die Ost-Berliner Flugsicherer Order zur Umkehr. Auf dem Heimatkurs ließ Kapitän Pfaff einige Tonnen Treibstoff ab, um die voll aufgetankte Maschine auf günstigeres Landegewicht zu bringen. Doch dieses Manöver -- normalerweise ungefährlich -- erwies sich als verhängnisvoll: Wegen der zu dieser Zeit herrschenden extremen Windstille, einem meteorologisch höchst seltenen Phänomen, verflogen die Kerosinschwaden nicht. In diese unsichtbare Wolke steuerte Pfaff seine Maschine, als er in einer Kurve zur Landung in Schönefeld ansetzte. Das hochexplosive Kerosin -Luftgemisch entzündete sich an den heißen Triebwerken und setzte sie in Brand. Kapitän Pfaff traf zwar in äußerster Ruhe noch Vorkehrungen für eine Notlandung, peilte eine Wiese am Stadtrand an, steuerte seinen Jet sicher über das Krankenhaus von Königs Wusterhausen und gab Anweisung an die Passagiere, sich aller Oberbekleidung zu entledigen, um. das Verletzungsrisiko bei einem möglichen Kabinenbrand gering zu halten. Sekunden später aber zerriß eine Explosion Triebwerke und Heck der Maschine (Photo). Schuld, so erkannten die Unfall-Ermittler, trifft daher weder den toten Kapitän noch die Luftsicherheitszentrale Schönefeld. Ihr Fazit: Wäre die Maschine weitergeflogen, hätten die 156 Passagiere lebend ihr Urlaubsziel erreicht.