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UNO-BEOBACHTER Tomaten und Eier

aus DER SPIEGEL 13/1954

Der Journalist Shlomo Israeli protestierte als erster. In seinem New-Yorker »Jewish Daily Forward« ritt er eine scharfe Attacke gegen die Absicht Konrad Adenauers, den Botschafter Dr. Peter Pfeiffer als Beobachter der Bundesregierung zur Uno zu entsenden. Seitdem gibt es in Bonn wieder einmal - zum dritten Male - einen Fall Pfeiffer.

Peter Pfeiffer wurde am 3. Februar 1895 in Speyer als jüngstes von 14 Kindern des Leiters der dortigen Staatserziehungsanstalt geboren.

Im gleichen Jahr, 1926, da sein ältester Bruder Maximilian als Gesandter des Deutschen Reiches in Wien starb, trat Peter Pfeiffer nach Abschluß seines Studiums als Attaché in das Außenamt ein. Als Sproß einer streng katholischen Familie gehörte er dem Zentrum an.

Prag, Moskau, Paris, Rom, Tirana und Algier waren seine Auslandsposten in den nächsten 20 Jahren; vom November 1928 an war er Gustav Stresemanns diplomatischer Sekretär.

Die Nationalsozialisten hielten von diesem Diplomaten nicht allzuviel. Obgleich er sein diplomatisch-konsularisches Abschlußexamen im Januar 1928 mit »Gut« gemacht hatte, wurde der Legationssekretär in den folgenden 13 Jahren nicht einmal befördert*).

Erst 1941 wurde er zum Generalkonsul ernannt. Und damit begann das Malheur:

Als Generalkonsul an der Gesandtschaft in Tirana erhielt Peter Pfeiffer im April 1941 die NSDAP-Mitgliedskarte Nr. 8 128 186.

Als Generalkonsul I. Klasse sandte er im November 1942 aus Algier ein Telegramm, dessen Text heute nicht mehr vollständig vorhanden ist, das nach Pfeiffers Ansicht aber folgenden Inhalt und Aufbau hatte:

* »Ich erfahre, daß zwischen alliierten Landungstruppen und französischem Kommando Waffenstillstand für Algier abgeschlossen worden ist, amerikanische Gefangene sind freigegeben. Die Stadt ist ruhig, lediglich im Hafen brennt durch deutsche Bomber in Brand gesetztes Benzinlager. Haben Geheimsachen verbrannt, werden jetzt Chiffre-Material und Gerät vernichten ... Sieg Heil Führer und Deutschland. Pfeiffer.«

Bis zum März 1944 war Pfeiffer nach diesem unrühmlichen Ende seiner Diplomaten-Karriere von den Amerikanern interniert. Dann wurde er ausgetauscht und tat noch einmal ein Jahr Dienst in der Berliner Zentrale des AA, bevor er 1945 von den Amerikanern wieder arretiert wurde. Als Diplomat fiel er unter den »automatischen Arrest«.

1946 half er die Christlich-Soziale Volkspartei in Südbaden mitbegründen, aus der er zwei Jahre später, im April 1948, jedoch aus Protest gegen den separatistischen »Geist und Kurs« seines heutigen Lissabonner Diplomatenkollegen Leo Wohleb wieder austrat.

Einen Monat darauf, am 4. Mai 1948, wurde er in öffentlicher Verhandlung der Spruchkammer München entnazifiziert und in Gruppe V der Entlasteten eingestuft. Als Nachfolger des zum Intendanten des Süddeutschen Rundfunks ernannten Staatssekretärs a. D. Fritz Eberhard (SPIEGEL 12/1954) avancierte Peter Pfeiffer 1949 zum Leiter des Deutschen Büros für Friedensfragen

*) Seine Ernennung zum Gesandtschaftsrat II. Klasse, 1938, ist keine Beförderung, sondern nur eine Titelveränderung; besoldungsmäßig ist ein Legationssekretär genau das gleiche wie ein Gesandtschaftsrat II. Klasse (Besoldungsgruppe A 2 C 2). in Stuttgart, eines privaten Vorläufers des Außenamtes. Kurze Zeit danach wurde er zum Direktor der Diplomatenschule in seiner Geburtsstadt Speyer bestellt.

Am 1. September 1951 begann der Journalist Heinze-Mansfeld mit Hilfe des amerikanischen Nürnberg-Anklägers Kempner, in der »Frankfurter Rundschau« über die Personalpolitik des Bonner Außenamtes eine Artikelserie zu veröffentlichen unter der Überschrift: »Ihr naht Euch wieder ...« Schon im ersten Aufsatz wurde Peter Pfeiffer erwähnt, als Pg. und NS-Generalkonsul apostrophiert und wegen seines »Sieg-Heil«-Telegrammes angegriffen.

Noch Ende des gleichen Jahres nahm ein siebenköpfiger Ausschuß des Bundestages seine halbjährige Untersuchungsarbeit über die erhobenen Vorwürfe auf.

Der Ausschuß schrieb in seinem Abschlußbericht vom 18. Juni 1952 nicht frei von unfreiwilliger Komik:

»Der Untersuchungsausschuß hat anerkennend zur Kenntnis genommen, daß Pfeiffer in keiner Weise zu behaupten versucht, mit den Männern des Widerstands, denen er seine höchste Achtung bezeugt, in Verbindung gestanden zu haben. Der Ausschuß erhebt gegen die Weiterverwendung von Peter Pfeiffer keine Bedenken, empfiehlt jedoch, im ersten Jahre keine Verwendung im Ausland in Aussicht zu nehmen, zumal der Zeuge dem Ausschuß erklärt hat, daß sein Wunsch zunächst nicht auf eine solche Verwendung gerichtet sei.

»Abgesehen von der nicht restlos aufzuklärenden Absendung des letzten Telegramms aus dem Generalkonsulat in Algier, sind keine Umstände zutage getreten, aus denen bewiesen werden könnte, daß sich Pfeiffer während des Dritten Reiches menschlich, moralisch oder juristisch nicht korrekt verhalten habe. Der Ausschuß hat gegen eine Weiterverwendung insbesondere auch deshalb keine Bedenken, weil es sich bei Pfeiffer offensichtlich um einen gut begabten und gebildeten Mann handelt (er beherrscht fünf fremde Sprachen, unter anderem Italienisch und Russisch*).

Das war die erste Affäre Pfeiffer.

In dem gleichen Abschlußbericht wurde dem damaligen Personalchef des Bonner Außenamtes, Ministerialdirigenten Herbert Dittmann, bescheinigt, daß er nach Auffassung des Ausschusses »weder in der Personalarbeit noch im AA überhaupt weiter beschäftigt werden soll«. Der reingewaschene Peter Pfeiffer übernahm am 11. August 1952 Dittmanns Job.

Ein Jahr lang ging alles gut. Dann wurde Pfeiffer Ende 1953 plötzlich der Vorwurf gemacht, »delikate Personalangelegenheiten selbständig geregelt zu haben, die in Bonn jeder kennt, auch ohne darüber zu sprechen«. ("Frankfurter Rundschau« vom 5. Dezember 1953.)

Es handelte sich dabei um eine Affäre, die zur Kaltstellung des jungen Grafen Berg vom AA führte und die durch eine Intervention des schwedischen Gesandten Ragnar Kumlin bei Pfeiffer ausgelöst worden war. Der Junggeselle Pfeiffer hatte sie auf eine Weise gelöst, die Außenstehende sowohl als gentlemanlike als auch als voreingenommen betrachten konnten.

Als die Affäre in Bonner Diplomatenkreisen ruchbar geworden war, wurde Peter Pfeiffer als Personalchef durch den ehemaligen jungen Mann Konrad Adenauers aus ersten Nachkriegsjahren und späteren

*) Bismarck: »Sprachkenntnisse, wie auch Oberkellner sie besitzen, bildeten bei uns leicht die Unterlage des eigenen Glaubens an den Beruf zur Diplomatie.« ("Gedanken und Erinnerungen.") Kölner Beigeordneten Josef ("Rotkopf") Löns abgelöst. Zu jener Zeit lief in Bonn und München eine ärgerliche Äußerung Konrad Adenauers um über den bayerischen Ministerpräsidenten Ehard, die der Kanzler auch gleich begründete: »Er hat mir die beiden Pfeiffers angehängt*).«

Das war die zweite Affäre Pfeiffer.

*) Peter Pfeiffers Bruder, Anton Pfeiffer, ist deutscher Botschafter in Brüssel. Der Entschluß der Bundesregierung, den inzwischen zum Botschafter erhobenen abgesetzten Personalchef des Außenamtes jetzt auf einen der momentan wichtigsten Außenposten nach New York zur Uno**) zu senden, löste schließlich die dritte Affäre Pfeiffer aus.

Nach dem Angriff von Shlomo Israeli im New Yorker »Jewish Daily Forward« und vor einer Attacke des republikanischen Abgeordneten Javits aus dem USA-Repräsentantenhaus erschienen in der gesamten deutschen Presse Meldungen, daß der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Hammarskjöld, sich ebenfalls gegen Pfeiffer gewandt habe.

An diesen Meldungen ist nicht weniger als alles falsch. Un-Generalsekretär Hammarskjöld hat, wie das Stenogramm beweist, trotz geschickter Fangfragen jede Wendung gegen Peter Pfeiffer vermieden:

FRAGE: »Wer ist Herr Peter Pfeiffer? Haben Sie je von ihm gehört?«

GENERALSEKRETÄR: »Ja, ich habe seinen Namen wohl gehört, aber ich habe nichts dazu zu bemerken. Es hat keinerlei Sondierung wegen seiner Beglaubigung stattgefunden, wie meines Wissens bereits in einer Pressemeldung gesagt wurde.«

FRAGE: »Das habe ich nicht verstanden. Was hat nicht stattgefunden, Herr Generalsekretär?«

GENERALSEKRETÄR: »Er ist nicht offiziell angekündigt worden.«

FRAGE: »Haben Sie überhaupt irgendeine amtliche Meldung erhalten?«

GENERALSEKRETÄR: »Nein...«

FRAGE: »Wie Sie sagen, haben Sie keine amtliche Mitteilung erhalten. Haben Sie diese Frage mit den deutschen Behörden überhaupt erörtert?«

GENERALSEKRETÄR: »Nein, überhaupt nicht.«

FRAGE: »Um auf die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage der Entsendung von Beobachtern zu den Vereinten Nationen zurückzukommen: Regierungen pflegen das Agrément einzuholen, ehe sie die Ernennung eines Botschafters bekanntgeben. Gibt es hier ein entsprechendes Verfahren?«

GENERALSEKRETÄR: »Formell gibt es hier nichts dergleichen. Ich verstehe durchaus, daß Sie das erwähnen, es gibt aber kein Verfahren, durch das die formelle Zustimmung zu erteilen ist.«

FRAGE: »Im Zusammenhang mit dem besonderen Fall von Herrn Pfeiffer: Wenn Sie auch persönlich mit dieser besonderen Frage nicht befaßt worden sind, können Sie dann sagen, ob einer Ihrer Mitarbeiter Erörterungen darüber gepflogen hat?«

GENERALSEKRETÄR: »Mir ist von Erörterungen hierüber nichts bekannt. Ich hab es als Nachricht gehört, kann mich aber nicht mehr erinnern, wann. Das ist alles, was ich von meinem Standpunkt aus über diese besondere Angelegenheit weiß.«

FRAGE: »Wäre es möglich, daß sonst jemand nicht Sie selbst, der Bonner Regierung angedeutet hat, daß Herr Pfeiffer hier kaum am rechten Platz wäre?«

GENERALSEKRETÄR: »Sie begeben sich hier, wie Ihnen klar sein wird, auf ein Gebiet äußerst heikler politischer Betrachtungen, und ich muß erneut davon absehen, mich überhaupt zu diesem Fall zu äußern.«

»Andererseits würde ich es keinesfalls für unmöglich erachten, daß, wenn der

**) Bisher war der deutsche Generalkonsul in New York, Dr. Riesser, zugleich Uno-Beobachter. Generalsekretär in einem besonderen Falle im voraus den Eindruck gewinnt, daß ein gemeinsamer Plan dieser Art nicht im Interesse beider Parteien läge, er mit der Form und mit dem Takt, die einem solchen Fall angemessen sind, diese Auffassung den Parteien zur Kenntnis bringen würde.

»Er könnte jedoch keineswegs die Verantwortung selbst übernehmen, nein oder etwas Ähnliches zu sagen. Es handelt sich um eine Frage des diplomatischen Takts in dem Geiste, wie er zwischen Regierungen und Generalsekretär herrschen sollte. Ich erkläre jedoch erneut, daß ich damit diesen Fall nicht meine.«

FRAGE: »Würden Sie sich allgemein dazu äußern, wie Sie über die Beglaubigung eines ehemaligen Nazis bei den Vereinten Nationen denken?

GENERALSEKRETÄR: »Ich brauche Ihnen über meine Einstellung zu den Nazis nichts zu sagen. Ich denke, Sie können sie erraten...«

Eine ganz andere Frage ist: Das Auswärtige Amt in Bonn hat einen Diplomaten zum Uno-Beoachter ernannt, der nach offiziellen Empfehlungen des Deutschen Bundestags zunächst einmal nicht ins Ausland sollte und auch gar nicht wollte. Nun kann Bonn den Protesten amerikanischer Kreise gegen Pfeiffers Ernennung nicht mehr nachgeben, will man die Kritiker des Bonner AA nicht zu neuen erfolgversprechenden Attacken ermuntern; denn was Pfeiffer als Belastung vorgeworfen wird, ist lange nicht so gravierend wie das, was anderen hohen Bonner Diplomaten vorgeworfen werden kann.

Bei der Uno hat Deutschland Freunde erst noch zu gewinnen. Amerikanische Korrespondenten meinten in Bonn: »Peter Pfeiffer reist in ein reiches Land. Er sollte sich einen Regenschirm mitnehmen, um bei seiner Landung gegen Tomaten- und Eierregen sicher zu sein.«

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