AFFÄREN Tor geöffnet
Der Bote kam regelmäßig, die Taschen stets prall gefüllt. Am siebten Juli brachte er 250 000 Mark, am elften August 200 000 Mark, am neunten September 250 000 Mark, am achten November wieder 200 000 Mark.
Weitere 100 000 Mark folgten am sechsten Februar, die letzte Rate mit 200 000 Mark im April 1972 -- insgesamt 1,2 Millionen Mark, immer »persönlich übergeben, durch Kurier aus Berlin«, wie der Frankfurter Staatsanwalt Reinhard Roth sagt.
Empfänger war Frankfurts Oberbürgermeister Rudi Arndt (SPD), Spender der Berliner Bauunternehmer Karsten Klingbeil. Und »wie die Spende gemeint war und wie sie aufgefaßt wurde«, dafür hörten die Frankfurter Staatsanwälte, die gegen Arndt wegen des Verdachts möglicher »Bestechlichkeit« ermittelten, von den Beteiligten »einleuchtende Erklärungen«.
Rudi Arndt wertete Klingbeils Wohltaten, die der SPD-Parteikasse zugute kamen, als »Versuch, sich bei der Stadt und der die Stadtverwaltung tragenden Partei einen Goodwill im Hinblick auf künftige unternehmerische Initiativen zu schaffen«. Der Spender hatte die Hoffnung, »daß sich so etwas lohnen werde«.
Die Hoffnung trog nicht. Schon acht Tage vor der ersten Spende, am 29. Juni 1972, hatte sich für den Berliner Großbauherrn Karsten Klingbeil ("Meine Stärke liegt im Organisieren") geschäftlicher Erfolg eingestellt. Die Frankfurter Flughafen-AG (Aufsichtsratsmitglied: Rudi Arndt) gab ihm den Zuschlag für den Bau des »Sheraton«-Hotels am neuen Luftbahnhof Rhein-Main; von der Hessischen Landesbank (Verwaltungsratsmitglied: Rudi Arndt) kam die Zusage für die erforderlichen Kredite (84.5 Millionen Mark).
Den »zeitlichen Zusammenhang« zwischen Geschäft und Goodwill spürte auch Frankfurts Leitender Oberstaatsanwalt Dietrich Rahn »sehr deutlich«, und sein Kollege Roth fand Arndts Verhalten gar »penetrant«. Die staatlichen Ermittler erfuhren, daß Klingbeils Million dazu bestimmt war, »Wohlwollen und Geneigtheit anzukaufen« (Rahn) -- eine Absicht, die freilich das Gesetz nicht unter Strafe stellt.
Die Staatsanwaltschaft geriet in »ungeheure Beweisschwierigkeiten« (Roth) und stellte schließlich Mitte des Monats das Verfahren gegen Arndt ein. Rahn: »Wir konnten nicht feststellen, daß die Leistung in einer Beziehung zur Gegenleistung steht.«
Dabei hatte sich Arndt in seiner zupackenden Art für Kassenfüller Klingbeil alle erdenkliche Mühe gegeben. Als dem Berliner Abschreibungs-Künstler das Geld ausging (Arndt: »Der war schwach auf der Brust"), weil die Kommanditisten für seine Hotelneubauten in Frankfurt, Barcelona und auf Mallorca nicht genug investierten, stand ihm Sozialdemokrat Arndt mit »wirtschaftlichem Rat« zur Seite: »Ich habe ihm geraten, sein Spanien-Projekt abzustoßen.«
Massiv intervenierte der Oberbürgermeister ("Ich wollte keine Bauruine am Flughafen haben") bei Vorstandsmitgliedern der Hessischen Landesbank, die von ihrer ursprünglich gegebenen Kreditzusage wieder abgerückt waren, weil Klingbeil nicht genügend Kommanditkapital beigebracht hatte und die spanischen Behörden den Fortgang der Bauarbeiten am Sheraton-Hotelturm in Barcelona verschleppten. Der Bonner Rechtsanwalt Erich Schumann, selbst stiller Gesellschafter der »Klingbeil Hotel-Verwaltungs GmbH & Co. Betriebs-KG": »Wir waren fast bis zur Kellerdecke gegangen, aber dann kam das mit Franco und die Unsicherheit in der Touristik.«
Sicher in seinem Urteil gab sich nur Oberbürgermeister Arndt. Den Landesbank-Vorstand ließ er in einem vier Seiten langen Brief wissen, er habe sich »sehr intensiv« um die Frage der Finanzierung der Klingbeil-Hotels »gekümmert« und sei zu dem Ergebnis gekommen, »daß das Vorgehen der Hessischen Landesbank -- milde ausgedrückt -- nicht einleuchtend ist«.
Die Herren der Staatsbank, ohnehin wegen leichtfertiger Kredit-Engagements politisch unter Druck, blieben diesmal hart. Vorstands-Mitglied Karl Reuther: »Schließlich soll man ja was lernen aus der Entwicklung.«
Geldspender Klingbeil dem nach Arndts vergeblichem Bemühen ein Finanzfiasko drohte ("Wir haben den Rohbau in Frankfurt ohne einen Pfennig der Helaba hochgezogen"), wandte sich »an Hinz und Kunz«, um über die Deutsche Botschaft in Madrid die Bauruine in Barcelona doch noch flottzukriegen. Nach »Orientierungsgesprächen« in Bonn und Berlin empfahlen ihm Geschäftsfreunde einen anderen prominenten Sozialdemokraten, der gerade ohne feste Anstellung war und »sehen mußte, Geld zu verdienen, weil er seine Steuerstrafe gekriegt hat« (Schumann).
Auf die Steuerabschreibungs-Bühne trat Karl Wienand, ehemaliger Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, der seinen Bonner Job vor gut zwei Jahren einbüßte, nachdem er in verschiedene Polit-Affären verstrickt war.
Gegen »Spesen und Kosten« (Klingbeil) reiste der Parlaments-Pensionär als Lobbyist für den Berliner Bauunternehmer durch die Lande. Er wurde des öfteren in der Vorstandsetage der Hessischen Landesbank gesehen ("Ach, der Wienand war wieder da") und sprach für seinen Auftraggeber bei Parteifreund Rudi Arndt vor. Der Oberbürgermeister: »Da hab' ich mich bei Klingbeil beschwert und ihm gesagt, er soll sich direkt an mich wenden.«
In Spanien mühte sich Wienand als »unser Verhandler« (so sein Anwalt Schumann) vergebens. »den Ministerrat dazu zu bringen, die Unterschriften zu leisten«. Klingbeil: »Er war für mich Türöffner bei der deutschen Botschaft.« Aber der vermittelte Termin beim spanischen Minister für Wohnungsbau, erinnert sich Klingbeil' sei ergebnislos verlaufen: »Furchtbar freundlich, viel versprochen, nichts gehalten, nichts geschehen.«
Jetzt verhandelt Karl Wienand ("Ich mache nur etwas, wo ich etwas erbringe") in Berlin mit der Bau-, Wirtschafts- und Finanzverwaltung über ein Hotel-Projekt, das ebenfalls Karsten Klingbeil bauen will und das von der amerikanischen Sheraton-Gruppe betrieben werden soll.
Wienands Auftritte bei der Hessischen Landesbank in Frankfurt haben sich jedenfalls für den Berliner Baulöwen nicht gelohnt. Zu den bislang ausgezahlten 43,5 Millionen Mark will die Landesbank allenfalls noch fünf Millionen Mark zuschießen. Klingbeil: »Da gibt es nichts mehr zu besprechen.«
Über Auftrag und Honorar für seine Mission am Main wollte SPD-Politiker Wienand dem SPIEGEL letzte Woche »nur einen Satz« sagen: »Als diese ganzen Dinge, die heute eine Rolle spielen. anliefen und als die Spenden gezahlt wurden, kannte ich Herrn Klingbeil noch gar nicht.«
Näheres soll gegebenenfalls ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß des hessischen Landtags erfahren, der schon seit nahezu zwei Jahren damit beschäftigt ist, die Hintergründe einer 200 000-Mark-Spende an die Frankfurter SPD aufzuhellen. Wienand, wieder mal einschlägig verwickelt: »Dann sollen die mich vorladen. da hab' ich ja Erfahrung.«