Traditionelle Trotzargumente
Nr. 10/1999, Archäologie: Neue Spur bei der Suche nach dem legendären Grab Alexander des Großen
Seit Ptolemaios IV. (221 bis 204 v. Chr.) ruhte Alexander der Große in einem dynastischen Gemeinschaftsgrab in Alexandria, dem sogenannten Sema. Dieses »Sema« lag neben dem Mouseion und der berühmten Bibliothek im ,,Inneren Palastareal« des Königsviertels. Dieser Bezirk wiederum muß sich in unmittelbarer Nähe des auch heute noch existierenden Osthafens erstreckt haben, da während einer Feuersbrunst im Alexandrinischen Bürgerkrieg (48 v. Chr.) Funken von brennenden Schiffen im Osthafen auf den Palastbereich überspringen und die Bibliothek verwüsten konnten. Das im SPIEGEL erwähnte »Alabastergrab«, das nach Meinung mancher Forscher mit Alexanders letzter Ruhestätte identisch sein soll, lag hingegen östlich des bebauten Stadtareals, inmitten eines riesigen Gräberfeldes mit den frühesten Friedhöfen der 331 v. Chr. gegründeten Stadt. Da Nekropolen grundsätzlich jenseits der Stadtmauern angelegt werden mußten (lediglich isolierte Heroen-, Königs- oder Dynastiegräber duldete man im Stadtgebiet), kann das von Gräbern des frühen Alexandria umgebene »Alabastergrab« auf keinen Fall innerhalb des von Alexanders Architekten abgesteckten Stadtareals gelegen haben. Erst im späteren Hellenismus wurde die östliche Stadtmauer aufgelassen, der Nekropolenbereich überbaut, die Stadt im Osten mit jener Mauer befestigt, die im Plan Mahmud el-Falakis eingezeichnet ist. Aus diesen Gründen kann das »Alabastergrab« nicht mit dem »Sema«, dem Grab Alexanders, identisch sein.
TRIER PROF. DR. GÜNTER GRIMM ARCHÄOLOGISCHES INSTITUT DER UNI TRIER
Wer sich auch heute noch weigert, das Alabastergrab im Bab-Scharki-Viertel Alexandriens als Teil des Sema, der zentralen Grabanlage, zu betrachten, in der mit der Ausnahme Kleopatras VII. alle Ptolemäerkönige beigesetzt wurden (allen voran Alexander der Große selbst), verschließt die Augen vor wissenschaftlichen Fakten und Zusammenhängen. Das von Günter Grimm gewählte Prädikat »absoluter Unsinn« wundert mich: Grimm, an dem offensichtlich die vor wenigen Jahren gemachten wegweisenden archäologischen Funde beim Bau der »Bibliotheca Alexandrina« vorbeigegangen sind, leidet an Vergeßlichkeit: Noch 1978 hatte er zur Ausstellung »Götter, Pharaonen« in der Villa Hügel einen Stadtplan veröffentlicht, in dem er das Alabastergrab noch »intra muros« einzeichnete, mit der Datierung »um 200 vor Christus«. Anhand des heute verfügbaren Materials steht außer Frage, daß sich das Areal der lateinischen Friedhöfe, wo auch das Alabastergrab steht, im wesentlichen mit dem Sema-Gebiet deckt. Die traditionellen Trotzargumente lassen sich Punkt für Punkt widerlegen.
WARSCHAU PROF. DR. MIECZYSLAW RODZIEWICZ
UNIVERSITÄT DANZIG
Die in meinem Buch »Alexandrie rédecouverte« veröffentlichte Karte des ägyptischen Archäologen Falaki von 1866 vom antiken Alexandrien gilt heute allgemein als Grundlage für die weitergehende moderne Alexandrien-Forschung. Die von einigen immer noch vertretene These, das heilige »Sema«-Gebiet mit Alexandergrab und Ptolemäergrüften befände sich direkt südlich des Osthafens, gilt unter Wissenschaftlern längst als passé. Ebenso abgehakt ist das Thema Alabastergrab: Facharani gebührt das Verdienst, die jahrelang überhörten historischen Hinweise namhafter Alexandrologen wie Adreani, Bonacasa und Rodziewicz ausgewertet und zu einer zusammenhängenden wissenschaftlichen These weiterentwickelt zu haben, der zufolge das Alabastergrab zur Sema gehört. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß Facharanis jetzt genehmigte Grabungen im Gebiet der lateinischen Friedhöfe, also im Bereich der ptolemäischen Königsgräber, bald Erstaunliches zutage fördern und die These untermauern werden.
ALEXANDRIA PROF. DR. JEAN-YVES EMPEREUR
»CENTRE D'ÉTUDES ALEXANDRINES«