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"HAI"- UNGLÜCK Training im Topf

aus DER SPIEGEL 43/1966

Im Nordatlantik sank 1912 nach einer Kollision mit einem Eisberg der Schnelldampfer »Titanic«. Rund 1500 Menschen ertranken. Danach wurden erstmals international verbindliche Vorschriften über die Mindestanzahl von Rettungsbootplätzen erlassen.

Vor New Jersey verbrannte 1934 das Passagierschiff »Morro Castle«. 134 Menschen kamen ums Leben. Seither dürfen zum Bespiel beim Bau von Passagierschiffen, die unter amerikanischer Flagge fahren sollen, praktisch keine brennbaren Werkstoffe mehr verwendet werden.

Am Rand der Doggerbank sackte am 14. September 1966 das Bundesmarine -Schul-U-Boot »Hai« weg. Von 20 Besatzungsmitgliedern überlebte nur ein Mann. Und wiederum wurde die Katastrophe Anlaß für längst fällige Sicherheitsvorkehrungen.

Noch vor Abschluß der Untersuchungen von Unfallursache und -hergang sowie der offensichtlich verpatzten Gelegenheiten zur Bergung von »Hai -Überlebenden - die Ermittlungsergebnisse der Expertenkommission und der Staatsanwaltschaft werden voraussichtlich nächste Woche in Kiel veröffentlicht - zog das Verteidigungsministerium aus dem Desaster Konsequenzen:

- Am Standort der U-Boot-Lehrgruppe in Neustadt an der Ostsee wird ein

- schon lange geplanter - sogenannter Tauchtopf von 30 Meter Tiefe gebaut, in dem die U-Boot -Fahrer das Aussteigen aus einem gesunkenen Boot mit Hilfe des Tauchretters üben können.

- Das U-Boot-Sicherungsfahrzeug »Passat« sowie alle Tender, Geschwaderführer (Führungsschiffe der Verbände) und die Maschinen des Marine -Seenotrettungsgeschwaders werden mit Funkgeräten ausgestattet, die einen direkten Funksprechverkehr mit Handelsschiffen erlauben. Weil es diese Möglichkeit bisher nicht gab, wurden nach dem »Hai«-Untergang möglicherweise Rettungschancen vertan (SPIEGEL 40/1966).

Beides - den eigenen Tauchtopf für die U-Boot-Fahrer-Ausbildung wie eine Verständigungsmöglichkeit zwischen Marinern und Handelsschiffern außerhalb der internationalen Seenotfrequenzen - fordert die Truppe seit Jahren. Aber ähnlich wie die lange vergebens vorgetragene Forderung der Bundesluftwaffe, die Piloten mit auffälligen orangeroten Seenotrettungs-Kombinationen auszurüsten, blieben auch diese Marinewünsche im Wirrwarr der Zuständigkeiten im Wehr-Beschaffungswesen hängen.

Wenigstens ein begrenztes Training mit dem Tauchretter, der für einen U -Boot-Fahrer unter Umständen genauso überlebensnotwendig sein kann wie der Schleudersitz für einen »Starfighter« -Piloten, hatten den Bundesmarinern bisher Privatindustrie und Nato -Freunde ermöglicht. So verfügt das Drägerwerk in Lübeck über eine solche Anlage; sie ist aber nur fünf Meter tief und bestenfalls für die Tauchretter -Grundausbildung geeignet. Tauchtöpfe, in denen das Aussteigen aus einem U -Boot bis zu 30 Meter Wassertiefe geprobt werden kann, besitzt die britische Royal Navy in Portsmouth und die norwegische Marine bei Bergen - aber allein schon aus Kostengründen durften bisher angehende U-Boot-Fahrer nur ein einziges Mal zum Tief-Topf nach Portsmouth oder Bergen reisen.

Künftig sollen Westdeutschlands U -Boot-Männer auch nicht länger auf Weltkrieg-II-Veteranen fahren, wie es »Hai« und das Schwester-Schulboot »Hecht« sind: Als Konsequenz der Katastrophe vom 14. September wird die gehobene »Hai« nunmehr ausgeschlachtet und verschrottet und die vorläufig noch diensttuende »Hecht« ebenfalls bald außer Dienst gestellt.

Als Ersatz sind Boote der Bundesmarine-Neubau-Reihe U 1 bis U 12 vorgesehen - und zwar jene beiden Boote (U 1 und U 2) dieses 350 Tonnen großen Typs, die nach den Korrosionsmängeln an ihrer amagnetischen, daher grundminensicheren Außenhaut auf normalen Stahl umgerüstet werden mußten.

Für den Fronteinsatz in der minengefährdeten Ostsee, wozu dieser Bootstyp vorgesehen war, sind die umgerüsteten Boote ohnehin nicht mehr zu gebrauchen.

Schul-U-Boote »Hai«, »Hecht«

Schwestern verschrottet

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