PARLAMENTARIER Treff im Adler
Sieben Herren, drei Franzosen und vier Deutsche, nahmen in einem Séparée des altrenommierten Godesberger Hotels »Zum Adler« das Nachtmahl ein; dann - nach dem ersten Einander-Kennenlernen - setzten sie ihre Gespräche in noch intimerer Atmosphäre fort: Ex-Bundesminister Hans-Joachim von Merkatz (früher DP, jetzt CDU) hatte sein Haus am »Millionärshügel« in der Waldstraße 62 im Godesberger Ortsteil Schweinhelm für dieses erste, geheime Treffen zwischen führenden Parlamentariern der CDU/ CSU und der französischen De-Gaulle -Partei UNR (Union pour la Nouvelle République) zur Verfügung gestellt.
Um den konservativ-christdemokratischen Gastgeber von Merkatz versammelten sich: für Frankreich die Abgeordneten Christian de La Malène, General Pierre Billotte und UNR-Generalsekretär Senator Jacques Baumel; für die Bundesrepublik die Christdemokraten Heinrich von Brentano, Ernst Majonica und der CSU-Generalsekretär Friedrich Zimmermann.
So perfekt war die Geheimhaltung, daß die Kunde von dem deutsch-französischen Herrenabend erst 14 Tage später - am Donnerstag letzter Woche, genau einen Tag vor der großen Bundesrats-Debatte über den Elysee-Vertrag - aus Paris nach Bonn drang.
Was im »Adler« begann, soll künftig nach französischem Wunsch zu immer engerer Zusammenarbeit zwischen der Bonner und der Pariser Regierungspartei führen. Mitte Mai wird eine CDU/ CSU-Mannschaft an die Seine reisen und mit den Gaullisten weiterverhandeln.
Spontane Liebe war es freilich nicht, die Gaullisten und Christdemokraten
zum ersten Godesberger Kontakt zusammengeführt hat. Dem Ex-Minister von Merkatz - er unterhält zu einigen Gaullisten persönliche Beziehungen - war vielmehr schon vor Monaten von den Franzosen der Wunsch nach engerer Fühlung zwischen De-Gaulle -Partei und Adenauer-Partei zugetragen worden. Doch in Bonn mühte sich Kontaktmacher Merkatz bei seinen CDU-Freunden zunächst wochenlang vergebens.
Der Unions-Fraktionsvorsitzende von Brentano scheute sich, wegen des gaullistischen Liebeswerbens alte Bindungen zu lädieren, die Westdeutschlands Christdemokraten seit Anbeginn der europäischen Einigungspolitik mit ihrer
katholischen Schwesterpartei in Frankreich, der MRP (Mouvement Republicain Populaire), vereinen. Und auch das durch de Gaulle verursachte England -Debakel der EWG stimmte die deutschen Christdemokraten in Hinblick auf die gaullistische Anbiederung nicht eben freundlich.
Aber unermüdlich fuhr Merkatz fort, ein Argument seines gaullistischen Freundes Baumel vorzutragen, daß die großen Regierungsparteien zweier befreundeter Länder ja doch ruhig brüderlich zusammenarbeiten könnten, auch ohne politisch und ideologisch gleichgerichtet zu sein. Merkatz: »Ich halte solche Kontakte für nützlich und habe mich deshalb der Sache gewidmet und mein Haus zur Verfügung gestellt.«
Der vorsichtige Brentano erklärte sich schließlich zu dem Godesberger Treff nur unter der Bedingung bereit, daß die Kontakt-Gespräche mit den Gaullisten unverbindlich sein und geheim bleiben müßten.
So konnten sich die Kontakter im Hause von Merkatz zwar als Verschwörer fühlen, kamen einander aber politisch kaum näher. Die deutsche Seite - voran Nachwuchs-Außenpolitiker Majonica -
nutzte die Chance, dem Besuch aus Paris die von de Gaulle und Adenauer abweichende Bundestags-Auffassung von richtiger Europa-Politik darzulegen.
Majonica: »Wir bejahen den Vertrag über die deutsch-französische Freundschaft. Aber wir wünschen keine Politik, die den Zusammenschluß eines größeren Europa blockiert. Vor allem bemühen wir uns aus politischen Gründen um den Beitritt Großbritanniens zur EWG.«
Die französischen Gesprächspartner hingegen versuchten den Unions-Abgesandten die Motive ihres Parteigenerals de Gaulle für seine Aussperrungs-Maßnahmen gegen die Briten plausibel zu machen. Der General, so erläuterten die Gaullisten, glaube fest daran, daß die Engländer gar nicht wirklich an einem Zusammenschluß mit Europa interessiert seien, sondern nur für sich selbst möglichst einen Anschluß an die USA suchten.
Resümierte Gastgeber von Merkatz hinterher: »Wir haben uns gegenseitig sehr hart und offen unsere Standpunkte dargelegt.«
Als die Godesberger Geheimkontakte durch gaullistische Indiskretion in Paris am Donnerstag letzter Woche in Bonn ins Gerede kamen, beeilte sich CDU -Fraktions-Pressechef Eduard Ackermann zu versichern: »Unsere Beziehungen zur MRP werden weiter gepflegt, in gleicher Weise wie bisher. Da ändert sich nichts.«
Dieser Schwur war nötig, weil sowohl die Christdemokraten in Bonn als auch die mit ihnen befreundeten katholischen Volksrepublikaner in Paris argwöhnen, daß die kontaktfreudigen Gaullisten auf lange Sicht eine Umgruppierung der Fraktionen im Straßburger Europa -Rat anstreben. Dort sitzen die vom Deutschen Bundestag delegierten CDU/ CSU-Abgeordneten bisher traditionsgemäß mit den katholischen Volksrepublikanern Frankreichs (der Partei des Europa-Vaters Robert Schuman) zusammen in einer christlich demokratischen Fraktion; die Gaullisten hingegen gehören noch zur liberalen Fraktion.
Obgleich die dreiköpfige Vorhut nach Bonn entsandter Gaullisten weder im Feinschmecker-Lokal »Adler« noch im Merkatz-Heim direkt die Fraktionsumbildung anvisierte (Merkatz: »Kein Wort ist darüber gesprochen worden"), rechnen führende Christdemokraten für die Zukunft mit einer solchen, für die CDU umangenehmen Aktion.
Sie suchten deshalb das Treffen im »Adler«, das in Paris als »ein wichtiges Ereignis auf dem Wege zu einer engeren deutsch-französischen Zusammenarbeit« gefeiert wurde, so weit wie möglich herabzuspielen.
Da Fraktionschef von Brentano grippekrank im heimatlichen Darmstadt im Bett lag, riegelte Pressesprecher Ackermann in Bonn ab: Die Gespräche seien »reine Kontaktnahme« gewesen; man denke gar nicht daran, daraus »eine ständige Einrichtung auf Partei -Ebene« zu machen.
Kontakt-Initiator von Merkatz verharmloste die strikte Bonner Geheimhaltung des Godesberger Treffs folgendermaßen: »So eine große Sache war das ja nicht. Deshalb haben wir nicht darüber gesprochen.«
Kontaktmann von Merkatz
Haus zur Verfügung gestellt