ENGLAND / AUSLANDSREISEN Tricks für Touristen
»Sind Briten hier? Sie reisen sonst so viel«, trällert Mephisto in Goethes faustischer Walpurgisnacht. Jetzt reisen Briten immer seltener -- zumindest ins Ausland.
Englische Reisebüros mußten Charterflüge nach Athen und in die Provinz Algarve, nach Ljubljana, Malaga und Rüdesheim mangels Beteiligung abbestellen. Labours Austerity verdarb ihnen das Geschäft.
Die Arbeiter aus Liverpool und Manchester hatten ihren Auslandsurlaub früher durch Überstunden finanziert. Doch die Zahl der Überstunden fiel. die Löhne wurden staatlich gestoppt. die Verbrauchssteuern erhöht.
Den Gutsituierten verdarb Premier Wilson die Ferienfreuden, indem er für Auslandsreisen die Devisen beschränkte. Seit 1966 darf jeder Insulaner für Vergnügungsfahrten nur 50 Pfund (480 Mark) in Devisen und 15 Pfund (144 Mark) in britischer Währung zuzüglich Flug- und Zugbillet ausgeben. Automobilisten bekommen außerdem 25 Pfund für Benzin.
Schon 1967 ging die Zahl der ins Ausland reisenden Briten um sechs Prozent zurück. Aber das Devisendefizit der Bank von England verringerte sich nur geringfügig. 1966 hatte sich Finanzminister Jim Callaghan von dem Ferien-Stopp Einsparungen von 50 Millionen Pfund pro Jahr versprochen. 1967, im ersten Jahr des Verbots, sparte er kaum die Hälfte.
Denn wer sich auskennt, kann die Bestimmungen mit einem der 200 Tricks umgehen, die eine schwarze Liste der Bank von England aufzählt:
* Viele Engländer packen mehr Pfundnoten in den Koffer als erlaubt; die Zöllner kontrollieren so selten, daß kein Risiko besteht.
* Luxushotels an der Riviera bieten guten alten Kunden bargeldlose Bewirtung an. Bezahlt soll erst werden, wenn es wieder möglich ist.
* Auslandskunden erhalten britische Waren mit fingiertem »Sonderdiskont«. Die Lieferanten lassen sich diesen Diskont dann am Ferienort bar auszahlen.
* Für »Geschäftsreisen« können 192 Mark Devisen pro Tag beantragt werden. Viele Banken mögen ihre Kunden nicht verhören, ob wirklich eine Geschäftsreise vorliegt, sondern gewähren die Devisen.
Die Devisenbeschränkungen, erkannte die »Sunday Times«, »sind so durchlässig, daß sie nur deswegen Devisen sparen, weil die Mehrheit der Engländer das Gesetz respektiert. In diesem Fall freilich ist die Mehrheit beträchtlich kleiner als gewöhnlich«.
Die Gastronomen auf dem Festland bekamen die englische Enthaltsamkeit gleichwohl zu spüren: In der Bundesrepublik fiel die Zahl der englischen Besucher um drei Prozent, in Frankreich jedoch um 13 Prozent -- wegen der teueren französischen Menüs.
Allen Briten, die dennoch ins de-Gaulle-Land reisen wollen, empfahl der »Daily Telegraph«, sie sollten zwecks Devisenersparnis »einen hinreichenden Vorrat der elementaren Bestandteile für eine tägliche Mahlzeit im Grünen« mitnehmen, etwa Räucherwurst, Sardinen, Käse und Tee.
Einkäufe an Ort und Stelle ließen sich dann auf Brot und Wein beschränken, mit dem die Briten laut »Daily Telegraph« »einen Toast auf den Tag ausbringen können, an dem die Entente wieder »Cordiale« sein wird.«