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OLYMPIA-DIRNEN Trimm dich

Unter den olympischen Ringen gedeiht in München auch die älteste Disziplin: Die aus der Innenstadt vertriebenen Dirnen annoncieren jetzt ihre Dienste.
aus DER SPIEGEL 37/1972

Das olympische Feuer brennt nicht nur auf dem Oberwiesenfeld, es lodert auch in der Münchner Drygalskiallee 118, elfter Stock, Appartement 11. Die Dame dort, Telephon 780 35 74, summt manchmal in die Muschel: »Hier ist die olympische Flamme.«

Zwischen Riem und Lochhausen, in Sohn und Hadern wird dieser Tage in München gleichwohl nicht lange gefackelt: Am Rande der heiteren Spiele für Amateure suchen Profis des freien Stils nicht nur die Jugend der Welt zu belustigen.

Seit die Behörden die Dirnen vom gewohnten Straßenstrich vertrieben und in der Innenstadt zudem die Bordells geschlossen haben, um der Welt »saubere Spiele« (so die Münchner »Abendzeitung") zu bieten, haben die Leichtathletinnen von der ältesten Disziplin ihre Austragungsorte und Wettkampfstätten verlagert. Zu lokalisieren sind in den Anzeigenspalten der örtlichen Boulevardzeitungen:

* »Neu am Olympia-Gelände: Peggy massiert mit zarter und strenger Hand, ganz nach ihrem Wunsch.«

* »Hosteß Julia und Kavalier Romeo, wir stehen zur Verfügung.«

* »Zwei junge Kosmetikerinnen suchen kleinen, netten Kundenkreis.«

* »Spitzenklasse! Top-Modell mit Idealfigur, sagenhaft aussehend.«

* »Die gute Nummer 93 54 00«.

Was da im Annoncenteil vornehmlich von Münchens »Abendzeitung« ("AZ") und Münchens »Tageszeitung« ("17") unter den Rubriken »Photomodelle, Hostessen, Kavaliere«, »Vermischtes« sowie »Gesundheits und Körperpflege« offeriert wird, ist offenbar nur in Ausnahmefällen nicht Prostitution. »Das gehört in einer Großstadt nun einmal dazu«, sagt »AZ«-Anzeigenleiter Bernd Gmyrek, der freilich -- wie der Textverantwortliche Gerhard Thomas -- »die Kirche im Dorf« lassen will.

»So Dinge wie 'die Peitsche' oder 'Es lebe die deutsche Wertarbeit' oder 'Die Schwarze mit der rotblonden Freundin"« lassen die beiden Spaltenhüter deshalb »auch nicht durch« Sie akzeptieren nur die nicht anstößige Zweideutigkeit und überlassen es dem Leser, »sich durchzutelephonieren«.

Wer das tut, findet Blonde, Braune, Gelbe, Schwarze -- diese olympische Spielart kennt keine Diskriminierung, und disqualifiziert wird nur, wer nicht bezahlen kann. Angeli, in der Leonhard-Frank-Straße, massiert ("Mit Entspannung") für 50 Mark. Daniela, am Cosima-Park, nimmt für ihre »gute Nummer« 150 Mark. Astrid, die laut Selbstanzeige »bildhübsche, junge Hosteß« in der Klenzestraße, gibt nur auf 250 Mark heraus.

In dieser Preisklasse bewegt sich auch der Hostessen-Chef Joachim Hudalla. Er arrangiert, »wegen der großen Nachfrage nunmehr dreimal in der Woche«, sogenannte Privat-Partys, die in der Barer Straße 50a stattfinden. Hudalla buchstabiert das so: »Barer Straße wie bares Geld«. Und wer das immer noch nicht versteht, dem bedeutet er, man könne nach der Party durchaus »Handgreifliches mitnehmen«. Was das dann kostet, bestimmen freilich die Gegriffenen.

Im Spätsommer bietet Schwabing, was Olympia sonst nur im Winter auf dem Programm hat: Paarlauf. »Anette und Horst«, »Paul und Paula« stehen und liegen »zur Verfügung«. Jana in der Schleißheimer Straße schaut »nicht auf die Uhr«, aber: »Bringen's möglichst viel mit.« Um »rechtzeitiges Erscheinen« bittet die Vibrateuse Monika, denn »wir wollen doch nett und zärtlich beieinander sein --

So stellen es sich auch die »Kavaliere vor, die unter dieser altväterlichen Vokabel modernen Leistungssport versilbern. Einer, »n. f. Damen, von 9.00 bis 21.00 Uhr« -- Erkundigungen ergaben: 1,82 groß, blond, blaue Augen -- mag dabei »keine eifersüchtigen Ehemänner«. Der Konkurrent hingegen -- »ab 17 Uhr«, 40 Jahre alt und graumeliert, im primären Bereich »nur Durchschnitt«. doch mit »Spezialpräservativen« ausgestattet -- hat keine Bedenken: »Der Ehemann darf zusehen, wir sind ja nicht auf dem Dorf.«

In der Tat: Dank Olympia hat die Bayern-Hauptstadt Anschluß gefunden an erotisches Welt-Niveau. Was in Berlin und New York, Rom und Paris längst Usus ist -- Liebe per Annonce« An- und Abruf -, wird nun auch in Bayern Brauch.

Der Amateur-Gedanke geht dabei nicht unter. Im Büro des TV-Weltregisseurs Horst Seifart hängt ein Poster mit dem Text: »Trimm dich fit -- bumms mal wieder.«

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