KIRCHE Trockene Taufe
Dreimal goß Pfarrer Michael Hederich, 46, Wasser über den Täufling, doch der Kopf des Knaben Guntram Schulz-Wegener, 1/4, blieb trocken. Der Geistliche zielte dicht daneben.
So jedenfalls sahen es Zuschauer einer Fernsehsendung des Hessischen Rundfunks am zweiten Weihnachtstag 1965, in der diese Taufszene aus der evangelischen Stadtkirche zu Zierenberg bei Kassel gezeigt wurde.
Aber jetzt erst kam es zu einer evangelisch-katholischen Kontroverse um die trockene Taufe in Zierenberg. Drei Bischöfe und ein Rundfunkintendant versuchten zu klären, ob Pfarrer Hederich seine evangelische Kirche vor den Augen katholischer Zuschauer blamiert hat.
Der erste Protest gegen die Protestanten-Taufe kam aus Paderborn. Der dortige Weihbischof Paul Nordhues meldete dem evangelischen Landesbischof Hans-Wolfgang Heidland (Karlsruhe), daß die Fernseh-Handlung »unter unseren Priestern viel Unruhe ausgelöst« hat. Die Paderborner Exzellenz beklagte »eine wiederaufgekommene Unsicherheit und erneute Schwierigkeiten bezüglich der Anerkennung der evangelischen Taufe«.
Damit schlug Nordhues ein Thema
an, bei dem sich evangelische und katholische Pfarrer seit alters her ereifern. Zwar erkennt die katholische Kirche die evangelischen Taufen grundsätzlich an; doch so alt wie die evangelische Kirche, ist der katholische Zweifel daran, ob evangelische Geistliche auch korrekt taufen können und wollen.
Treten evangelische Christen in die katholische Kirche über, so werden sie deshalb zumeist noch einmal getauft: Diese sogenannte Konditionaltaufe soll nur dann gültig sein, wenn die erste, nichtkatholische Taufe nicht formgerecht vollzogen, also beispielsweise der Täufling mit Wasser nur besprengt und nicht begossen wurde. Prominenteste Konvertiten, die zum zweiten Male getauft wurden: die holländische Prinzessin Irene und die amerikanische Präsidententochter Lucy Baines Johnson
Auch Bischof Heidland, bei dem sich der Paderborner Weihbischof Nordhues beschwerte, leidet unter der katholischen Skepsis: Die Taufen in seiner badischen Landeskirche werden vom zuständigen katholischen Freiburger Erzbischöflichen Ordinariat nicht anerkannt.
Heidland fragte deshalb beim evangelischen Fernsehbeauftragten, dem Münchner Kirchenrat Geisendörfer an, »ob man nicht im Fernsehen selber das Mißgeschick korrigieren könnte - auf irgendeine Weise«.
Doch was der evangelische Bischof für einen Lapsus hält, war in Wahrheit beabsichtigt. Das erfuhren die Kirchenleute - auch der bayrische evangelische Landesbischof Dietzfelbinger hatte sich eingemischt - von dem Intendanten des Hessischen Rundfunks, dem früheren evangelischen Pfarrer Werner Hess.
Fachmann Hess hatte die Sendung »selbst abgenommen« und zunächst moniert, daß »der Kopf des Kindes offensichtlich nicht mit Wasser benetzt wurde«. Doch ihm wurde erklärt, daß Regisseur und Pfarrer aus frommer Scheu vor der Show gehandelt hatten: Sie wollten »nicht für das Fernsehen eine echte Sakramentshandlung arrangieren und stellen«. Deshalb blieben die Szene stumm und das Kind trocken. Hessen -Intendant Hess gab die Sendung frei.
Täufer Hederich aus Zierenberg legt heute Wert auf die Feststellung, daß katholischer Bischof und evangelischer Intendant sich die Taufe nicht recht besehen haben. Hederich: »Ein Viertel ist mit Sicherheit über den Kopf gelaufen.«
Taufwasser war es allerdings mit Sicherheit nicht: Knabe Guntram war schon getauft.
Der evangelische Fernseh-Rat Gelsendörfer über den zwischenkirchlichen Riten-Streit: »Gott lächelt über solche Sachen.«
Evangelische Taufe
»Ein Viertel lief über den Kopf«.