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Briefe

TRUPPENBEWEGUNG
aus DER SPIEGEL 40/1967

TRUPPENBEWEGUNG

(Nr. 38/1967, Studnitz-Auszug)

Ihnen ist auch gar nichts heilig. Schämen Sie sich nicht, mit Hilfe des Militaristen in Zivil, Hans-Georg von Studnitz, den Bürger in Uniform, Graf Baudissin, und damit das bisherige Leitbild der Bundeswehr in die Luft zu sprengen?

Um einer exklusiven Story willen würden Sie wohl die eigene Großmutter verkaufen! Zugegeben, Sie haben wieder Wirbel gemacht und vor allen anderen die provokantesten Passagen aus dem noch gar nicht erschienenen Studnitz-Buch »Rettet die Bundes-

* Deutscher Schauspiel- und Hörspielautor ("Kirschen für Rom«, »Die chinesische Witwe").

wehr!« veröffentlicht. Aber denken Sie denn gar nicht an die Unsicherheit, die Sie dadurch in die Streitkräfte tragen? Wer rettet die Bundeswehr vor »Rettet die Bundeswehr!«?

Köln G. ALBERS

Man möge Gott loben, keinen General von Studnitz in verantwortlicher Stellung zu wissen. Wir hätten sonst statt des Staatsbürgers wieder den zum absoluten Gehorsam erzogenen »Untertanen in Uniform«, dem Sterben erlaubt, aber Denken versagt ist.

Hamburg FRANK-ECKHARD SADOWSRI

Möge es sich Herr von Studnitz zur Ehre anrechnen, die »Innere Führung« zu Grabe zu tragen. Für Leute seines Schlages warten andere Aufgaben bei der geplanten Notstandsgesetzgebung.

Gießen WERNER KORTE stud. phil.

Es ist unerhört, was hier Herr von Studnitz äußert. Herr Studnitz und seine Altersgenossen haben den jungen Deutschen ein schlechtes Beispiel vom Ideal der Freiheit gegeben. Die Zeit ist vorbei, wo die Truppe »die Schule der Nation« war und der Geist durch stramme Haltung ersetzt wurde.

Herten (Nrdrh.-Westf.) GUSTAV VOGEL Oberleutnant d. R.

Das Buch des Herrn von Studnitz hieße statt »Rettet die Bundeswehr!« besser: »Rettet den alten (Un-)Geist!«

Hannover HANS HEIDUCZEK Feldwebel a. D.

Für Studnitz und Konsorten ist jeder, habe er gelernt, was er wolle (und sei es noch so wenig), erheblich »fertiger« als ein Student oder junger Akademiker. Der solches predigt, bringt die Bundesrepublik um den Rest ihres Ansehens und uns alle um unsere Chancen im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf der Nationen: Damit wird unsere junge Intelligenz in übersteigerte Opposition oder ins Ausland getrieben -- mehr: mit Fußtritten befördert.

Wehrda (Hessen) WOLFGANG SCHMIERER Staatsarchivreferendar

Man kann ihn sich schon vorstellen, den fertigen Menschen, den Herr von Studnitz und die ihm vorschwebende Bundeswehr brauchen: nicht zu großes Hirn, sehr viel Bizeps, keine unangenehmen Fragen und im übrigen »zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und flink wie die Windhunde«. Menden (Nrdrh.-Westf.)

JÜRGEN SCHULTE-HILLEN Dipl.-Ing.

Die wiedergegebenen Buchauszüge von Hans-Georg von Studnitz fordern jeden Kenner des Sachverhalts zu einem entschiedenen Widerspruch heraus. Als so militanter Autor hätte er allerdings entdecken müssen, daß gerade die Härte des modernen Kriegsbildes und die Forderung nach einer schlagkräftigen Armee die Voraussetzungen für die Konzeption Baudissins sind. In dieser Härte hat er sich übrigens als Truppenkommandeur aufs beste bewährt, und mit der Sicherheit seines militärischen Urteils hat er sich in den Nato-Stäben hohen Respekt erworben.

Studnitz vermag die Innere Führung offensichtlich nur als »Treibhauspflanze« zu empfinden. Wahrscheinlich liegt es daran, daß Baudissin die Bundeswehr nicht einem schwarz-weißroten Obrigkeitsstaat, sondern einer freiheitlichen Demokratie verpflichtet sieht und daß er den Soldaten nicht als Untertan eines bürgerlich-feudalen Regimes, sondern als Angehörigen der modernen Industriegesellschaft versteht.

Einen überaus bescheidenen Lorbeer hat sich Studnitz mit seiner süffisanten Polemik gegen die Person des Grafen Baudissin erworben. Nachdem unvergessen geblieben ist, was er als Autor des Memoirenbuchs »Als Berlin brannte« über seine zivilen Kriegserlebnisse zu enthüllen wußte, schlägt er vor seinen Lesern nun eine gewagte· Kapriole, wenn er dem Major und »Australienheimkehrer« Baudissin glaubt vorwerfen zu können, gerade ihm sei die Einsicht in die Katastrophe der Deutschen versagt geblieben. Vielleicht soll man mit Studnitz nicht über Geschmack streiten, aber wenn er Hitler und Baudissin, »Mein Kampf« * Evangelischer Theologe und Publizist, seit 1957 Sprecher des vom damaligen Bundesverteidigungsminister Strauß eingesetzten Beirats für Innere Führung der Bundeswehr.

und das »Handbuch der Inneren Führung« in einem Atemzug zu nennen wagt, muß man doch um seine Maßstäbe ernstlich besorgt sein.

Sein geplantes Rettungswerk für die Bundeswehr mag Studnitz zwar in manchem Casino und Herrenclub fröhlichen Beifall einbringen, aber ich sehe diesem Restaurationsversuch mit Sorge entgegen.

Stuttgart EBERHARD STAMMLER

Der polemische Witz von Hans-Georg von Studnitz ist für die Verhältnisse konservativer Journalistik der Gegenwart mindestens stellenweise bemerkenswert. Das mindert nicht die der Infamie nahekommende Unfairneß seiner Behauptungen über Graf Baudissin. Die von dem General gemeinsam mit anderen entworfenen Grundsätze für die Innere Führung sollten einen Beitrag zur Demokratisierung der neuen deutschen Streitkräfte leisten -- kein so absurdes Beginnen, wenn man sich der antidemokratischen Tradition unserer Armee in diesem Jahrhundert erinnert. Studnitz blamiert den von ihm selber hochgehaltenen Potsdamer Stil, wenn er das »Handbuch Innere Führung« mit Hitlers »Mein Kampf« vergleicht.

Es sollte unter dem Niveau eines so sehr auf seine preußischen Farben bedachten Journalisten wie Studnitz sein, Baudissin gleichsam einen Vorwurf daraus zu machen, daß er, statt in der Nähe von Paulus Arm oder Bein zu verlieren, mit Rommels Afrika-Korps in Gefangenschaft geriet. Zu keiner Zeit hat der General einen Salonsoldaten postuliert, der nicht das »Weiße im Auge des Generals« zu sehen erträgt, wie militärische Widersacher Baudissin unterstellt haben. Er wollte nicht mehr, als daß die Bundeswehr ihre Soldaten im Zeichen des technischen Kriegsbildes zum Mitdenken erziehe und sich von den Resten jenes stumpfsinnigen Drills befreie, den auch der Preuße Theodor Fontane beklagt hat. Als Brigadegeneral in Göttingen hat Baudissin gezeigt, daß das möglich ist.

Hamburg KLAUS BÖLTING *

Man muß nicht in Stalingrad gewesen sein, um zu erkennen, daß das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform sehr wohl der Wirklichkeit des modernen Kriegsbildes Rechnung trägt. So sind es denn auch weniger die Ideen eines vermeintlichen Schwarmgeistes« als vielmehr die Erkenntnisse aus dem veränderten Kriegsbild, die dazu zwingen, in der Erziehungsarbeit der Bundeswehr einen neuen Typ des Kämpfers ins Auge zu fassen. H.-G. von Studnitz verfällt in den Fehler vieler Gegner der Inneren Führung und verwechselt das oft beklagenswerte Er-

* Chefredakteur des NDR-Hörfunks.

scheinungsbild des heutigen Wehrpflichtigen mit dem Erziehungsleitbild des mitdenkenden, mitverantwortlichen Soldaten, der Gehorsam aus Einsicht übt. Beide Bilder sind in der Tat oft weit voneinander entfernt. Dies sollte uns jedoch nicht hindern, weiter auf das als richtig erkannte Ziel hinzuarbeiten. Denn, daß die Grundidee vom mündigen Verteidiger einer freiheitlichen Lebensordnung richtig ist, wurde jüngst in einem anderen Land schlagend bewiesen: in Israel!

Münster (Nieders.) ECKART BOHNE Hauptmann

Vermutlich hat Graf Baudissin in der Gefangenschaft besser und mit größerem Nutzen für seine Wiederverwendung in der Bundeswehr nachgedacht; als manche unserer ehemaligen Soldaten bis zum letzten Tage, die heute wieder Dienst tun. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, daß sie, die entscheidender die Entwicklung der Bundeswehr beeinflußt haben, als es Graf Baudissin mit seinem Beitrag je konnte, gescheiter aus Stalingrad, dem Kurlandkessel oder der Atlantik- und Südfront zurückgekehrt sind. Fahnen, Fangschnüre, Klimbim und ein verwaschener Traditionserlaß des deutsch -- nationalen Verteidigungsministers Kai-Uwe von Hassel sind Manifestationen der reaktionären, von Studnitz bevorzugten Richtung.

Das »Handbuch für Innere Führung« -- im wesentlichen ein Konzept der Grafen Baudissin und Kielmansegg -- war nicht mehr als ein Entwurf, der, nach Meinung der Autoren, der Ausarbeitung und, nach Jahren der Praxis, auch der Überarbeitung bedurfte. Doch beiden Offizieren wurde diese Gelegenheit nie gegeben. Sie wurden in den Dienst außerhalb der Bundeswehr zur Nato abkommandiert. Das Handbuch diente der konservativen Bundeswehrführung -- von den jeweiligen Ministern abwärts -- lediglich als demokratisches Feigenblatt gegenüber einem kleinen kritischen Kreis der Öffentlichkeit. Eine vor zwei Jahren vom Verteidigungsministerium angekündigte Überarbeitung des Handbuchs sollte ohne seine Autoren stattfinden.

Hamburg BERND C. HESSLEIN

Die Tirade über den »Australienheimkehrer Baudissin« ähnelt bis auf Nuancen der Anti-Brandt-Kampagne. Mir scheint freilich, daß sich gerade bei Baudissin zeigt, wie fruchtbringend es ist, daß es wenigstens in einigen wichtigen Positionen Männer gibt, die von der »geschichtlichen Stunde« Stalingrad -- und danach nicht so fixiert sind, daß ihre (geschichtliche) Uhr dort stehengeblieben ist.

Tübingen ALF LÜDTKE stud. phil., Leutnant d. R.

Komisch, daß Graf Baudissin nicht den Einsatz von Känguruhs als Truppenmaskottchen befahl.

Düsseldorf ARNO DEMANT

Studnitz »weilte« in der Wilhelmstraße, als Stalingrad geschah. Er gehört jener Generation von Nebuchanten an -- was soviel wie personifizierte »Nebbichs« meint -- die aus Geburtenjahrgangsglück um 1900 niemals Soldat wurden. Er hat nie zwei Soldaten zum Essenfassen über die Straße geführt, geschweige denn vor einer Kompanie gestanden. Seine Äußerungen über das Militär im allgemeinen und die Bundeswehr im besonderen haben die Qualität eines Briefmarkensammlers, der sich über die Organisation der Bundespost ausläßt. Wenn Baudissin nicht von Anfang an schwer zu erreichende Ziele gesteckt hätte, so wäre die Bundeswehr noch unter dem Niveau geblieben, welches die deutsche Wehrmacht schon damals von den angelsächsischen Truppen in Bezug auf Personalauswahl und Führung gräßlich unterschied. Nur jene Mischung von europäischer Disziplin und asiatischem Todesmut, den der miserabel geführte deutsche Landser bewies, hat die vergangenen deutschen Armeen zu den besten (und verlustreichsten) Armeen der Welt gemacht. Baudissin wollte Geist und Todesmut in ein rechtes Verhältnis zueinander bringen. Der Dank des Vaterlandes ist ihm ungewiß.

z. Z. Münster MICHAEL MANSFELD

Endlich hat es einmal jemand gewagt, den Apostel der »Inneren Führung« öffentlich zu widerlegen. Seine fixe Idee vom Staatsbürger in Uniform kostet die Bundeswehr wahrscheinlich mehr Kampfkraft, als alle verfehlten Beschaffungsprogramme und zukünftigen Truppenreduzierungen zusammen.

Fränkisch-Crumbach WALFRIED ARRAS Leutnant d. R.

Herr von Studnitz holt den Grafen Baudissin aus rosaroten Wolken auf die Erde, und er hat recht zu sagen, daß nicht der Wehrdienst, sondern erst der Existenzkampf zum Manne erzieht. Als ehemals aktiver Offizier kann ich dies bestätigen.

Bremen WOLFGANG VON POELLNITZ

Ein Bravo Herrn Hans-Georg von Studnitz. Ein so treffendes Bild hat bisher noch kein Deutscher zu geben

* Deutscher Dramatiker ("Einer von uns") und Autor des Fernsehspiels »Wo blieb Friedrich Weisgerber?«.

gewagt. Jeder sollte seine Ausführungen beherzigen, besonders die Erzieher, vom Elternhaus bis zur Uni.

Günne (Nrdrh.-Westf.) SIEGMUND STADLER

Mit seiner Kritik schlägt Herr von Studnitz zwar den Sack -- wenn auch in denkbar unglücklicher Manier -, meint dabei aber leider den falschen Esel. Die Bundeswehr wäre durchaus dazu in der Lage gewesen, den »Staatsbürger in Uniform« aufzubauen, wenn man sie nicht von vornherein damit belastet hätte, Schule der Nation zu sein. Versagt hat die Demokratie, die unfähig war -- und ist -, das Fundament für dieses oder ein ähnliches Ideal zu formen: den Staatsbürger!

Detmold UWE-PETER KOZAN stud. med., Leutnant d. R.

Daß das Konzept der »Inneren Führung« in einer Armee, in der es ohne Befehl und Gehorsam kein Funktionieren gibt, schwer zu verstehen und gar durchzuführen ist, ist einzusehen. Aber man könnte sich vieles Gerede ersparen, wenn man den jungen Männern ehrlich sagt: Du verzichtest für einige Zeit auf verschiedene demokratische Freiheiten, damit du den Rest deines Lebens in Frieden genießen kannst!

Die »Innere Führung« kann dazu dienen, dem jungen Menschen die diametralen Gegensätze ertragen zu helfen, die zwischen Armee und Staat bestehen. Deshalb brauchen wir sie unbedingt.

Dassel (Nieders.) KURT ERDMANN stud. rer. pol. et sc. soc. z. Z. Soldat

Im Vorwort ist der Zweck des »Handbuchs Innere Führung« erläutert: Hilfe zu sein bei der Klärung der Begriffe und der Auseinandersetzung mit den Gedanken der Inneren Führung.

Vermutlich hat aber Herr von Studnitz das Handbuch gar nicht gelesen, sondern nur mal durchgeblättert -- dazu würde seine apodiktische Behauptung »Niemand hat es gelesen. Jeder will darüber sprechen« passen -- sonst könnte er nicht schreiben, daß das Handbuch eine »Truppeninstruktion« sei. Daß das Handbuch weder die »Bibel der Bundeswehr« ist Doch Baudissins Theorien sakrosankt sind, könnte Herr von Studnitz erfahren, wenn er die Schule der Bundeswehr für Innere Führung besuchen und dort an den Diskussionen teilnehmen würde.

Goch KLAUS FIELENBACH Major

Wenn das »Handbuch Innere Führung« nacheinander mit »Mein Kampf« und der Bibel verglichen wird, kann man schließen, daß auch die beiden letztgenannten Werke einander gleichzusetzen sind. Ein völlig neuer Aspekt in der Diskussion um die Rolle der Kirche im Dritten Reich!

Bonn DAGMAR ECKERMEIER cand. phil.

Die Nachfolge von Hitlers »Mein Kampf« im ideologischen Denken der Deutschen kann das »Handbuch Innere Führung« mit Sicherheit erst dann antreten, wenn es von H.-G. von Studnitz überarbeitet worden ist.

Köln GÜNTHER THOLEN Leutnant d. R.

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