Das Schöne am Diplomatendasein sind nicht die zahlreichen Empfänge: Die Schmackhaftigkeit der gereichten Häppchen ist begrenzt, ebenso die Zahl der nationalen Lieblingsschnäpse. Wer einmal beim schwedischen Botschafter Smörrebröd probiert hat, braucht nie wieder hin, und wer jemals das fidschianische Nationalgetränk Kawa testete (sieht aus wie Spülwasser, schmeckt wie Spülwasser und wirkt wie Spülwasser mit Haschisch), der will nie in die Südsee.
Nein, das Beste am Diplomatenberuf ist der feingeschliffene Umgang mit der Sprache. Wenn man beispielsweise sagen will, jemand rede völligen Blödsinn und solle sich gefälligst auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen, dann heißt das in der Diplomatensprache, die Äußerung sei »wenig hilfreich« gewesen. Und wenn ein bedeutender Mann wie Boris Jelzin - offenkundig mit seinem Nationalgetränk gefüllt, wohl um die Schweden-Happen zu verdauen - plötzlich einseitige Abrüstung verkündet oder Deutschland zu den Atommächten zählt, dann sagt man einfach: »Der Präsident war müde.«
Ähnlich kunstvoll war das Wort »kritischer Dialog«. Es bedeutete, daß Iran von Deutschland nicht so stark isoliert wurde, wie es sich bei einem Terrorregime eigentlich gehört, andererseits aber jeder Geschäftsabschluß mit den Mullahs von mahnend hochgezogenen Augenbrauen begleitet wurde.
Nun hat sich das zeitweise angespannte Verhältnis zu Iran inzwischen wieder verbessert, und »kritischer Dialog« klingt den Diplomaten mittlerweile zu kritisch. Sie basteln an einer neuen Umgangsformel, derzeitiger Stand laut »Hamburger Abendblatt": »Substantielle Gespräche auch zu kontroversen Themen«. Alles Mullah, oder was?
Das ist zwar ein rhetorisches Meisterstück, ist aber möglicherweise doch noch zu hart formuliert. Besser wäre: »Den Tschador des Vergessens über das Gewesene breiten unter Beibehaltung einer mäßig krittelnden Grundeinstellung«. Oder gleich so: »Gemeinsame Freitagsgebete mit anschließender Dichterjagd, während der deutsche Gesprächspartner in der hohlen Hand einen Zettel verbirgt, auf dem das Wort Xkontrovers' unterstrichen ist«.