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PARTEIEN / CDU Tür offen

aus DER SPIEGEL 45/1967

Josef Hermann Dufhues, Parteichrist vom glatten Scheitel bis zum glänzenden Schuh und Vorsitzender des CDU-Verbandes Westfalen-Lippe, drückte das Kreuz durch. Dann sagte er: »Ich rechne nicht, ich will.«

Sein Wille geschah: Dufhues, der vor Wahlen gern Hilfe von oben erfleht ("Der Herrgott wird uns den Sieg nicht verweigern"), wurde am vorletzten Sonnabend im Essener Saalbau zum CDU-Spitzenkandidaten für die nordrhein-westfälische Landtagswahl 1970 gewählt. Wenn das Volk zustimmt, wird er dereinst das volkreichste Land der Bundesrepublik regieren.

Von 150 christdemokratischen Wahlmännern aus den intim verfeindeten Landesverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe votierten nur 57 für den rheinländischen Ex-Ministerpräsidenten Franz Meyers, aber 79 für seinen Rivalen aus Westfalen (elf Enthaltungen, eine ungültige Stimme). Schon nach 55 Minuten stand das Ergebnis fest -- so schnell, daß die Kellner kaum noch kassieren konnten.

Mit dem Meyers-Knockout endete ein Kampf, bei dem sich die beiden politischen Schwergewichte der CDU in Nordrhein-Westfalen einen erbitterten Infight geliefert hatten. Sie gleichen sich in Alter (beide sind 59), Beruf (Anwalt), Rauchgewohnheiten (Zigarren) und Konfession (katholisch), könnten sonst aber nicht verschiedener sein:

> der westfälisch-spröde, konservative und sittenstrenge Partei-Stratege Dufhues, geschmeidig und doch kontaktarm, eher graue Eminenz denn Volkstribun, der für die Todesstrafe und gegen die Gruppe 47 ("Geheime Reichsschrifttumskammer") streitet und dessen Weltbild »von obrigkeitsstaatlichen Vorstellungen nur noch mit Mühe zu unterscheiden ist« ("Die Zeit");

> der rheinisch-lebensfrohe, vitale und joviale Meyers, volkstümlich und beredsam, der als Landesvater mit Karnevalisten wie Kumpeln umzugehen wußte, der liberalen Kohlenpott-Konzeption seines Ex-Wirtschaftsministers Kienbaum (FDP) zuneigte und mit seiner Schulpolitik konservative Christdemokraten vergrämte.

Als Ende letzten Jahres eine SPD! FDP-Koalition das Meyers-Kabinett (CDU/FDP) verdrängte, zog sich Meyers auf seinen Feriensitz am Luganer See zurück und überließ die Opposition dem ehrgeizigen Nachwuchsmann und CDU-Fraktionschef Dr. Wilhelm Lenz, 46.

Doch als Lenz sich selber als Spitzenkandidat für die nächste Wahl empfahl (SPIEGEL 26/1967), trat Meyers mit einem »Paukenschlag« ("Welt") wieder in Szene: »Um den Ministerpräsidenten werde ich kämpfen.« Flugs richtete sich der Mann mit der Pauke in Düsseldorf ein »Büro Dr. Franz .Meyers« ein.

Da tauchte der dritte Mann auf. Josef Hermann Dufhues, Meyers-Intimfeind seit einer Niederlage im Zweikampf um die Nachfolge des 1958 verstorbenen CDU-Ministerpräsidenten Arnold, trat an. Binnen Wochen mobilisierte er CDU-Funktionäre gegen den Ex-Premier. Diesmal will der ehemalige Gebirgsartillerist, der oft auf dem Weg nach oben zauderte, ohne Umwege zum Gipfel.

Der »Jesuit in Zivil« (so der verstorbene FDP-Abgeordnete Wolfgang Döring über Dufhues), der 1962 Geschäftsführender Vorsitzender der Union geworden war, mußte im März letzten Jahres den CDU-Vorsitz »aus gesundheitlichen Gründen« ablehnen. Dufhues war im Badezimmer mit dem Köpf auf die Fliesen geschlagen, hatte sich eine Gehirnerschütterung zugezogen, und er litt überdies an einer Nierenerkrankung. Anfang dieses Jahres bot er sich wieder als CDU-Chef an, kapitulierte aber schließlich vor Kiesinger.

Jetzt zogen ihn die Wahlmänner in Essen nicht etwa vor, weil er in der Landespolitik aktiver als Franz Meyers war -- im Gegenteil: Sein Landtagssessel bleibt oft monatelang leer; sein Mandat behält der Anwalt nach freimütigem Bekenntnis vor allem, weil es ihm Immunität sichert.

Dufhues war die Sympathie der meisten Wahlmänner vielmehr deshalb sicher, weil er -- im Gegensatz zu Meyers -- als ein Politiker gilt, der einer Großen Koalition in Düsseldorf nach Bonner Muster zuneigt. »Der schwarze Wehner« (FDP-Vize Weyer über Dufhues), für den die Freien Demokraten in Deutschlands Parlamenten entbehrlich sind, hält der Rhein-Ruhr-CDU die Tür zur SPD offen.

Franz Meyers wurde derweil, noch am Tag der Niederlage, vom Rheinischen Heimatbund zum »Ehren-Rheinländer« ernannt.

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