EINBÜRGERUNG Über die Deiche
So wahr ihm Gott helfe, schwor der Bundeswehr-Soldat Jorgo Lorkowski vor zwölf Jahren den Fahneneid -- der Bundesrepublik treu zu dienen, Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.
Lorkowski, heute 33, ist immer noch Soldat ("Z 12"), brachte es bis zum Stabsunteroffizier beim Fernmeldebataillon 3 in Buxtehude, dekoriert mit der goldenen Schützenschnur und der Gedenkmedaille des Landes Niedersachsen »Zur Erinnerung an die Hilfeleistung bei der Sturmflutkatastrophe« von 1962 -- nur Deutscher darf er nicht sein.
Seit vor fünf Jahren den Verwaltungsbeamten in Stade einfiel, daß er ja eigentlich Grieche sei, kämpft der brave Soldat aus Buxtehude mit dem Stader Regierungspräsidenten um einen deutschen Reisepaß -- einen deutschen Personalausweis ("Der Inhaber dieses Ausweises ist Deutscher") hatte er schon immer.
Dabei geht ihm Deutschland über alles: FDP-Wähler, gleichermaßen »gegen Radau von rechts und Radau von links« eingeschworen und sogar bereit, wenn's denn sein mußte, sich »in Stücke schießen zu lassen für Deutschland«. Jorgos einziger Nachteil: Sein Vater war ein Grieche.
Lorkowski, unehelicher Sohn des Kaufmanns Constantin Patsako, wurde fünf Tage vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Hamburg von der deutschen Mutter Helene Janke geboren. Vater Patsako, seit Weltkrieg I im Reich ansässig, heiratete sie 1945, und das Kind wurde damit griechisch.
Später ehelichte die Witwe Janke einen Deutschen namens Lorkowski, der den Jungen adoptierte. Aber es war eine »hinkende Adaption«, so Ministerialrat Rudolf Suppa, Fachmann für Einbürgerung im hannoverschen Innenministerium -- verbindlich nur in der Bundesrepublik, für die Griechen null und nichtig. Das Kind blieb griechisch.
Lorkowski wurde auch getauft von einem griechisch-orthodoxen Popen. Aber in der Hamburger Norderschule verkündigte man ihm neun Jahre lang das protestantische Evangelium, und mit 14 Jahren wurde er konfirmiert.
Ein einziges Mal noch nahm er Kontakt zu Griechen auf: Vom Hamburger Generalkonsulat ließ er sich als Georgio Patsako einen Reisepaß ausstellen, um nach Differenzen mit dem Stiefvater »über die Deiche zu gehen«.
Statt dessen ging der gelernte Koch zur Bundeswehr nach Buxtehude. Als Hauptgefreiter drillte er Rekruten in der Infanterie-Gefechtsausbildung« als Unteroffizier wurde ihm der Posten eines Gerätefeldwebels zugewiesen, doch vor den Ordnungsbehörden verfängt das nicht. »Wir wollen ihn ja einbürgern«, sagt Suppa, »wir wollen bloß nicht, daß er auch Grieche bleibt.«
Die Griechen freilich möchten den Unteroffizier, der auf Bundeswehrkosten gerade Englisch und Italienisch lernt, lieber zu den Hellenen zählen. Um ihm die Staatsbürgerschaft zu erlassen, verlangt Athens Innenministerium Unmögliches von largo Lorkowski: eine griechische Geburtsurkunde, den Nachweis, »daß er in einer Gemeinde des griechischen Staates eingetragen worden ist«, und ein Führungszeugnis »der zuständigen griechischen örtlichen« Staatsanwaltschaft.
Der Soldat, der sich und seine drei Kinder nach Griechen-Paragraphen Patsako nennen müßte, kann damit nicht dienen. »Möglicherweise«, orakelt Ministerialrat Suppa, »ist sogar die Ehe nicht wirksam. Denn nach griechischem Recht ist es nicht möglich, vor dem weltlichen Standesbeamten zu heiraten.«