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ENGLAND / WALES Über die Grenze

aus DER SPIEGEL 45/1968

Wer am Sonntag trinkt, bekommt Gonorrhoe, warnen die einen. Wer am Sonntag trinkt, ist ein Volksverräter, meinen die anderen.

Beide meinen dasselbe: In Britanniens keltischer Westprovinz Wales sollen die Kneipen an Sonntagen geschlossen bleiben. Beide -- walisische Abstinenzler und walisische Nationalisten, die für die Unabhängigkeit von London streiten -- wollen den Einfluß Englands in Wales so niedrig wie möglich halten. Diesen Mittwoch werden die Waliser über den sonntäglichen Kneipgang abstimmen.

Schon einmal war er Anlaß für ein Referendum gewesen: 1961 entschieden sich acht der dreizehn walisischen Grafschaften für sonntags nie. Vier Grafschaften im industriereichen Süden und Flintshire im Norden stimmten für den Sonntag der offenen Tür.

Seitdem sitzen dort die Stammkunden auch am siebenten Wochentag im Stammlokal. Anders im Norden: John Barber, Kneipier im trockenen Montgomeryshire, klagte: »Sonntags kann ich 20 meiner Dauergäste für einen Drink nach England gehen sehen.« Andere Waliser überwinden die Durststrecke am Sonntag, indem sie statt in die Pubs, die Public-Houses, in die rund 1500 privaten Klubs gehen.

Die Trinkfreunde haben sich im »Seven Day Opening Council« organisiert. Sie werden von Englands Bierbrauern unterstützt. Die Trinkgegner appellieren an das Nationalgefühl der Waliser. Danach gereiche Wales alles Englische zum Schaden -- auch die sonntags geöffneten Pubs.

»Wo die keltische Sprache noch vor Englisch rangiert, wird der Sonntag weiter trocken bleiben«, tröstete ein Waliser seine konservativen Landsleute. Allerdings -- Keltisch sprechen von den 2,6 Millionen Walisern nur noch 650 000.

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