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BESATZUNGSKOSTEN Über einen Monat ist April

aus DER SPIEGEL 8/1950

In Leo Wohlebs kleinem Land Südbaden, wo auf jeden badischen Bürgerkopf im Jahre 157,55 DM für Besatzungskosten aufgebracht werden müssen, bekamen die Staatsfinanzbeamten den Haushalt nicht auf plus-minus-Null. Denn die vom Bundesrat zum Schuldenausgleich der »armen« Länder Deutschlands verpflichteten »reichen« Bundesländer Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Württemberg spenden ihre Einnahmen-Ueberschüsse nur für die Bedürfnisse von Schleswig-Holstein, Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen.

Das arme Südbaden mußte zur Deckung von 115 Millionen Defizit kurzfristige Kredite vorschlagen. Dieser Kreditvorschlag und der Umstand, daß die Besatzungskosten nur zu einem geringen Teil bezahlt worden sind, bewog die Hohe Kommission. dem südbadischen Haushaltsplan 1949 die erforderliche Zustimmung zu verweigern.

»Damit sind wir aus der Legalität gedrückt«, sagt Finanzminister Dr Eckert. »Denn eigentlich müßten wir ab heute die Landeskasse anweisen, alle Zahlungen einzustellen.«

Staatspräsident Wohleb beurteilt die Lage ruhiger: »Nächste Woche gibt es den 1. März und über einen Monat den 1. April. Daran kann die Hohe Kommission nichts ändern. Am 1. April aber läuft ein neues Rechnungsjahr an.«

Südbadens Besatzungskosten fraßen im D-Mark-Abschnitt 48 über 57 Prozent und in der ersten Hälfte 49 immer noch 47 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Dabei geht die Minderung des Hundertsatzes nicht auf einen Kostenrückgang, sondern nur auf eine günstige Entwicklung des Steueraufkommens zurück.

»Im Gesamtergebnis hat sich nicht die zugesagte Senkung, sondern eine Steigerung der Anforderungen ergeben«, staunt Finanzminister Eckert.

Tatsächlich sei der versprochene Rückgang der Anforderungen eingetreten. Daß er sich nicht auswirke, sei der Entwicklung der deutschen Preise zuzuschreiben, entschuldigte Landeskommissar Pene.

Badens französisches Landesmilitär verzehrte in einem Normaljahr 201200000 DM. Das ergibt 42,5 Prozent der Haushalts-Reinausgaben oder die berühmten 157,55 D-Mark pro Kopf der Bevölkerung und Jahr.

Das vergleichsweise gleich große Württemberg-Hohenzollern mit gleich anspruchsvoller Besatzung zahlt nur 112600000 D-Mark oder 100,79 pro Einwohner und 31,6 Prozent der Haushaltausgaben. Das Mehr verdankt Südbaden dem Umstand, daß Baden-Baden, einst Sitz der Besatzungs-Zentralverwaltung und heute noch Hauptquartier der Truppe, in diesem Lande liegt.

Die Franzosen waren schon immer anspruchsvoller als die Angelsachsen, auf deren Zone eine Besatzungskosten-Kopfquote von 93,59 DM liegt. 110,15 DM ist der Zonendurchschnitt der Franzosen.

Den höchsten Aufwand erfordern die in monatlichen Raten an die Besatzungsmacht abzuführenden Pauschalzahlungen, die nur in den Ländern der französischen Besatzung erhoben werden. Finanzminister Dr. Eckert nennt sie Kontributionen, da die Verwendung der Beträge allein der Besatzung vorbehalten und nicht zweckbestimmt ist. Südbaden hat 7,5 Millionen Monatsrate zu entrichten.

Wohlebs in Pariser, Baden-Badener und Freiburger Antichambres vertane Zeit hatte zum Ergebnis, daß die Pauschalsumme um 825000 DM monatlich ermäßigt wurde. Aber Finanzminister Eckert bekam dann bald heraus, es »macht sich dafür die Tendenz bemerkbar, wesentliche Teile der früher aus der Pauschale bestrittenen Aufwendungen nun dem Land direkt aufzubürden.«

Lohnzahlungen an das Dienstpersonal in Höhe von zwei Millionen und an das Hilfspersonal in Höhe von 24 Millionen, die einst der Pauschale entnommen worden waren, muß nun Südbaden vornehmen.

Als am 7. Oktober 1949 die Alliierten an Adenauer schrieben, daß nun die Bundesverwaltung für die Regelung der Besatzungskosten verantwortlich sei - was aber doch erst ab 1. April 1950 der Fall sein wird - errechnete die südbadische Regierung erst einmal den Bundesdurchschnitt. Sie kam dann zu dem mannhaften Entschluß, monatlich nicht mehr abzuführen als annäherungsweise diesem Durchschnitt entspricht.

Seit Oktober zahlt Südbaden gegen französischen Formalprotest statt der 7,5 Millionen nur 1,5 Pauschale. Daraus ergibt sich ein Rückstand von 15 Millionen, der sich bis Ablauf März noch um weitere 12 Millionen erhöhen wird. Dies war ein Punkt, den die Hohen Kommissare bei der Prüfung des Haushaltsplanes rügten.

Frankreichs Landesregent Pene hat versprochen, bis zum Abschluß des Finanzausgleichs gute Miene zu machen. Für hinterher versichert er Zwangsmaßnahmen gegen das Land.

Südbaden hoffte, wegen seiner unverschuldet hohen Besatzungskosten den Bundesrat warm zu stimmen und beim Finanzausgleich mit den reichen Ländern etwas abzubekommen. Aber die badischen Staatsdenker ernteten bis jetzt nur saure Früchte ihres gehegten und gepflegten Föderativ-Systems. Der Bundesrat blieb hart, der von ihm geschaffene Finanzausgleichsplan übergeht Südbaden völlig.

Gegenwärtig liegt er noch auf dem Petersberg zur Genehmigung. »Inoffiziell wurde der Bundesregierung mitgeteilt, daß diesem Plan die Genehmigung versagt wird, wenn der Bund nicht dafür Sorge trägt, daß vor allem Südbaden seine Besatzungskosten deckt«, heißt es in Freiburg. Das soll ein Hinweis darauf sein, daß der Zahlungsstop am Ende doch für Baden ein Erfolg gewesen sei.

Bundesfinanzminister Schäffer hat jedenfalls den südbadischen Ressortkollegen Eckert zu sich gebeten. Er kreditierte ihm die vorläufig aufgelaufenen 15 Millionen, die tags darauf in Südbadens Staatskasse lagen. »Wir sollen nun Vorschläge machen, in welcher Art das Geld zurückzuzahlen sein wird.«

Solche Vorschläge dürften auf sich warten lassen. Südbaden will in diesem Geld einen erweiterten Finanzausgleich sehen, um den Wohleb besessen gekämpft hat. Nach Fertigstellung des Finanzhaushaltsplanes hat er im Föderalistenblatt »Rheinischer Merkur« sein Leid geklagt und das dafür eingehende 100-DM-Honorar demonstrativ der Staatskasse zuweisen lassen.

Minister Dr. Eckert will auf den Petersberg fahren und wegen des ungenehmigten Haushaltplanes vorstellig werden. Er sagt: »Ich arbeite als verantwortlicher Minister heute in der Illegalität. Wenn es der Opposition einfällt, kann sie mich wegen jeder Gehaltszahlung vor den Staatsgerichtshof zitieren.«

Die Opposition wird sich allerdings dem von Verfassungsjuristen für diesen Fall vorbereiteten Einwand des Staatsnotstandes gern erschließen, denn auch die Landtagsdiäten werden aus der Staatskasse beglichen.

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