GRIECHENLAND / PUTSCH Um Kopf und Krone
»Ich möchte dem SPIEGEL versichern«, sagte Griechen-Premier Stephanopoulos im Dezember letzten Jahres, »daß der König nie von einer Suspendierung der Verfassung gesprochen hat. Umsturz und Diktatur gibt es hier nicht mehr« (SPIEGEL 50/1966).
Letzten Freitag, null Uhr, gab es Umsturz in Athen. Seither herrscht in Hellas Diktatur.
Der lange und erbitterte Machtkampf zwischen einem jungen, heißblütigen Monarchen und einem greisen, starrköpfigen Politiker entlud sich im ersten monarchistischen Militärputsch in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.
Es war ein Putsch auf Raten, ein jahrelanger Kampf um die letzte Stütze der Monarchie: die königlichgriechische 162 000-Mann-Armee.
Unter dem Königs-Freund, Regierungschef und Marschall Papagos hatten rechte Generäle Anfang der fünfziger Jahre den »Heiligen Bund hellenischer Offiziere« (Idea) gegründet. Ziel: Erhaltung und Stärkung des Thrones.
Die dafür zur bevorzugten Kaste in Hellas erhobenen Militärs bewährten sich. In einer generalstabsgerecht geplanten Wahlfälschungs-Aktion (Deckname: »Perikles") verhalfen sie der rechtsextremen Regierung Karamanlis zum Verbleiben im Amt.
Um »Idea« auszuschalten, wollte der linke Zentrumsführer Georgios Papandreou, Wahlsieger vön 1964, eine eigene Zelle innerhalb der Streitkräfte aufbauen: »Aspida« (Schild), eine Sammlung linker Militärs. Führer war Papandreous Sohn Andreas.
Im Juli 1965 stürzte der König Papandreou und ließ die »Aspida"Offiziere verhaften. Hunderttausende Griechen streikten und rebellierten.
Fast zwei Jahre lang überbrückte Konstantin die Krise mit Handlanger-. Regierungen ohne Basis im Parlament. Vor Neuwahlen schreckte er zurück: Alle Prognosen verhießen Papandreou erneut eine Mehrheit.
Erst nach dem Sturz der dritten Krisen-Regierung rang sich der König Ende 1966 das Versprechen ab, Wahlen im Mai 1967 abzuhalten. Eine Beamten-Regierung, die den Urnengang unparteiisch vorbereiten sollte, stürzte jedoch Ende März. Aus Sorge vor Wahlfälschungen drohte Papandreou seinem Herrscher »Revolution, mit mir an der Spitze« an. Konstantin antwortete: »Ich werde Sie verhaften.«
Der König brach sein Wahl-Wort, hielt aber sein zweites Versprechen. Alles war längst vorbereitet. Die »Aspida«-Offiziere saßen im Kerker. Noch letzte Woche wurden zwei prominente Papandreou-treue Offiziere verhaftet. Konstantin-Männer besetzten die Posten des Generalstabschefs, des Gendarmerie-Kommandanten und des Polizeichefs von Athen.
Am Dienstag stellte Papandreou dem König ein Ultimatum: Falls Konstantin putsche oder sich nicht bis Sonntag feierlich verpflichte, im Wahlkampf unparteiisch zu bleiben, werde er, Papandreou, »zum Volksaufstand gegen die Monarchie aufrufen«.
Da gab der Segler Konstantin -- er gewann eine olympische Goldmedaille -- einem Kameraden von der Marine das Signal zum Putsch. Unter der Regie von Admiral Avgeris rückten Donnerstag nacht Panzerbataillone in Athen, Saloniki und anderen Städten ein. Sie sicherten das königliche Schloß, besetzten Flughäfen, Rundfunkstationen, Post- und Telegraphenämter, riegelten Bahnhöfe und Häfen ab und sperrten die Grenzen.
Alle Verbindungen zur Außenwelt -- auch die Nato-Drähte -- wurden gekappt. Stoßtrupps verhafteten Vater und Sohn Papandreou, deren engste Anhänger, aber auch des Königs früheren Übergangs-Premier Stephanopoulos.
Der König hob Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit auf. Auf »politische Verbrechen« steht wieder der Tod. Über Griechenland wurde strengstes Ausgehverbot verhängt.
Während es in Athen und der Papandreou-Hochburg Saloniki zu Schießereien kam, vereidigte der König seine Putsch-Regierung. Premier ist Generalstaatsanwalt Kolias; Vize, Verteidigungsminister und starker Mann Stabschef Spanditakas.
Der König hat damit einen Kampf nicht nur um die Krone entfesselt, es geht jetzt auch um seinen Kopf. Denn die hitzigen Hellenen, die seit Kriegsende 44 Regierungen verbraucht und in diesem Jahrhundert bisher 18 Revolutionen, zwei Diktaturen, drei Änderungen ihrer Staatsform und einen Bürgerkrieg erlebt haben, ließen nicht mal die Hälfte der Herrscher ihrer neuen Geschichte in Amt und Bett sterben.
Von sieben Griechenkönigen bis Konstantin wurden drei verjagt und einer ermordet.