HONGKONG / CHINA-GESCHÄFTE Um so stärker
»Wenn es Hongkong nicht gäbe« urteilte der fernöstliche Großkaufmann Manik Bharwani. »müßte Pekings Mao Tse-tung es wahrscheinlich erfinden. Denn die britische Kronkolonie, die Mao im Handstreich seinem kommunistischen Reich einverleihen könnte, ist Chinas größter Devisenbringer und -- nach Japan -- zweitbester Kunde.
Experten schätzen, daß Peking jährlich durch Hongkong mindestens zweieinhalb Milliarden Mark Devisen einnimmt -- etwa 40 Prozent des gesamten chinesischen Devisenaufkommens. Allein im Handel mit der Kronkolonie verdienten die Chinesen im letzten Jahr 450 Millionen Dollar. Sie exportierten nach Hongkong 70mal mehr Güter (wie Fernseher, Fahrräder, Schuhe, Hemden und Nahrungsmittel), als sie von dort bezogen.
Den unersättlichen Markt vor Augen. zeigen Chinas Kommunisten denn auch keine Neigung, den kapitalistischen Fremdkörper Großbritanniens Pachtvertrag läuft 1997 aus -- zu liquidieren. Im Gegenteil: 1968 noch hatten die maotreuen Kommunisten in Hongkong gelobt, binnen zwei Jahren die Kolonie dem Pekinger Parteichef wie eine reife Frucht zu übergeben. Mao selbst schickte ihnen ein Korb Mangofrüchte -- Symbol der Fruchtbarkeit.
Doch dann kam immer häufiger Dr der zur Mäßigung aus Peking. Führende Parteifunktionäre aus der benachbarten Provinz Kwangtung übten im Propagandakrieg gegen die »britischen Unterdrücker« immer mehr Zurückhaltung. »Jetzt, so resümierte die Presseagentur »Intrasia« in Hongkong, »haben auch die kommunistischen Kader in der Kronkolonie offenbar ihren großen Traum aufgegeben,«
Hongkong hat für die Volksrepublik China nicht nur Bedeutung als Handelspartner. Von hier flossen im letzten Jahr vermutlich etwa 150 Millionen Dollar in Form von Überweisungen der Auslandschinesen an ihre Angehörigen und Freunde in Maos Reich. Und für harte Valuta sorgen die Warenhäuser, Kuriositätenläden, Druckereien, Kinos (die kommunistische Filme zeigen) und Banken, die der chinesische Staat in Hongkong besitzt.
Wichtigster Kristallisationspunkt für das Geschäft mit den Kapitalisten ist Pekings Bank of China, deren Kolossalgebäude unmittelbar neben dem Symbol allen Profitstrebens in Hongkong steht: der Hongkong and Shanghai Banking Corporation im Zentrum des Geschäftsviertels Victoria. Die Bank of China war schon auf Geheiß des Generalissimus Tschiang Kaischek errichtet worden, noch bevor Mao die Macht in China übernahm.
Heute kontrollieren die rotchinesischen Banker 13 weitere kommunistische oder kommunistenfreundliche Geldinstitute in Hongkong. Sie behaupten, daß bei ihnen etwa 10 bis 15 Prozent der gesamten Bankeinlagen der Kolonie (über zwei Milliarden US-Dollar) liegen. Die kommunistischen Banken finanzieren mit billigen Krediten vor allem den Handel Chinas in Hongkong. Da sie zudem ständig hohe Reserven halten und Zugang zum Finanzzentrum London haben, können die Banken Devisenbeistand leisten, wenn Peking kurzfristig notwendige Importe nicht bezahlen kann.
Die Bank of China unterhält überdies einen besonderen »Overseas Chinese Service«, der Chinesen aus Hongkong und Übersee Unterstützung bei Investitionen in China gibt.
Nicht anders als ihre kapitalistischen Kollegen verfügen die roten Banker über persönliche Spesenkonten, fahren Mercedes und leben in eleganten Appartements. Ein führender rotchinesischer Devisenhändler schickte seine Kinder sogar auf katholische Schulen, bevor er ihnen das Studium auf kanadischen Universitäten finanzierte.
»Maos Banker treten bei der Abwicklung ihrer Finanzgeschäfte so selbstbewußt auf«, fand ein britischer Journalist in Hongkong, »daß dagegen ein Schweizer Bankier wie ein US-Tourist wirkt, der zum erstenmal Hamburgs St. Pauli besucht.
Wie hoch die Einnahmen der kommunistischen Banken aus ihren Geldgeschäften sind, bleibt unsichtbar. Das gleiche gilt für Pekings Versicherungsgesellschaften, Transportfirmen und den Immobilienhandel in Hongkong. In Pekings Taschen Hielten auch Millionen Dollar, die Touristen in von Kommunisten geführten Hotels, Bars und Restaurants ausgeben.
Zum Nutzen
Chinas Devisendurst ist so groß, daß seine Händler in Hongkong ihre Ware oft bis zu 30 Prozent billiger anbieten als die kapitalistischen Kaufleute der Stadt. Häufig liegen die Preise für chinesische Konsumgüter noch unter den Herstellungskosten. Fahrräder aus Schanghai etwa kosten in der Kronkolonie rund die Hälfte weniger als im Ursprungsland. Einen großen Teil der Hongkong-Importe aus China exportieren Außenhändler der Kronkolonie gleich weiter -- vor allem nach Japan, Singapur und Indonesien.
Als Devisenbringer betätigt sieh auch vornehmlich der Pekinger China International Travel Service« in Hongkong. die wohl reisefeindlichste Reiseagentur der Welt. Ihre Hauptaufgabe besteht -- abgesehen von der Ablehnung von Visa-Anträgen dar in. den Versand von Geschenkpaketen nach China zu organisieren. Der Absender muß bei der Agentur den Gegenwert des Paketinhalts noch einmal in harter Währung einzahlen.
»In Hongkong«, resümierte die Financial Times« »praktiziert Peking einen Kompromiß: Es verdient in einer weitgehend kapitalistischen Welt Geld, um so ein stärkeres maoistisches China zu errichten.«