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FELFE Umarmt und geküßt

aus DER SPIEGEL 30/1963

Der Angeklagte Heinz Paul Johann Felfe kniff die dünnen Lippen zusammen. Leise, aber metallisch fielen die Worte: »Ich wollte in den Augen der Sowjets dastehen wie eine Eins.«

Zehn Jahre lang stand Felfe als Sowjet-Eins im Zentrum des Bundesnachrichtendienstes (BND) und plünderte ihn für Moskau. Dann stand er vor dem Bundesgerichtshof - ein kalter Intelligenzler, dessen präzis arbeitende Gehirn-Maschine alles herschnurrte, was der Dritte Strafsenat wissen wollte.

Wo sich die Richter irrten, korrigierte sie der Angeklagte mit erhobenem Finger. Wo Felfes Gedächtnis vor Gericht Lücken aufwies, halfen jene kleinen Notizhefte nach, in denen der Spion die Details seines Verrats festgehalten hatte: die Daten der Treffs mit sowjetischen Sicherheitsoffizieren, die Höhe der empfangenen Honorare - insgesamt etwa 150 000 Mark -, den Inhalt des abgelieferten Materials.

Bundesrichter Weber, Vorsitzender des Dritten Strafsenats: »Diese Eintragungen zeichnen sich durch große Genauigkeit und Vollständigkeit aus.«

Sie machten das Ausmaß des Landesverrats deutlich, den Felfe in Gemeinschaft mit seinen ebenfalls angeklagten Komplizen Hans Clemens und Erwin Tiebel in der Münchner BND-Zentrale geübt hat: Das Trio verbrachte 300 Minox-Filme mit insgesamt 15 000 Aufnahmen geheimer Dokumente und 20 Tonbänder nach dem Osten, sowie zahlreiche wörtlich oder per Funk übermittelte Botschaften. Die roten Spione flogen in Kuriermaschinen der US-Luftwaffe zu ihren Treffs nach Berlin oder warfen an verabredeten Stellen auf der Berlin-Autobahn Konservendosen mit Mikrofilmen aus ihren Limousinen.

Da alle drei Angeklagten sich als alte Kameraden aus dem Reichssicherheitshauptamt der SS vorstellten, da Clemens in Karlsruhe behauptete, er sei vom BND ausdrücklich beauftragt gewesen, berufslose frühere SD-Leute aufzusammeln, und da Sowjet-Eins Felfe auf diesem Weg wirklich angeheuert worden war, schien es einige Tage lang, als sei Bonns Abwehr ein von roten Spionen eng durchsetztes Refugium der SS. Dann schwächte Gehlens Dienstherr, Staatssekretär Globke, ab: Nicht einmal ein Prozent des BND-Personals entstamme der SS oder dem SD.

Bei einer (in der britischen »Sunday Times« genannten) Effektivstärke von etwa 2200 hauptamtlichen BND-Männern würden mithin nur rund zwanzig frühere Schwarzröcke dem Bundesnachrichtendienst angehören.

Das wiederum ist eine Zahl, die zu niedrig liegt. Denn als der heutige BND -Chef, Generalleutnant a.D. Reinhard Gehlen, 61, als Chef der Abteilung »Fremde Heere Ost« im Oberkommando des Heeres 1944 zuletzt photographiert, nach der Kapitulation von der US-Regierung beauftragt wurde, seine Geheimaufklärung gen Osten weiterzuführen, rekrutierte er seine Mitarbeiter mit ausdrücklicher Billigung der Amerikaner vornehmlich aus ehemaligen Angehörigen der zerschlagenen Spionageapparate des Dritten Reiches*.

Diese Männer waren die einzigen Deutschen, die sich damals auf dieses Handwerk verstanden. Außerdem hofften der amerikanische Geheimdienst und General Gehlen, durch ehemalige NS-Agenten genau das zu erreichen was den Sowjets umgekehrt mit Felfe, Clemens und Tiebel gelang: Die Kameraderie unter den Spionageexperten des Dritten Reiches auszunutzen, um in den gegnerischen Herrschaftsbereich und, wenn möglich, in den gegnerischen Geheimdienst einzudringen.

General Gehlen, dessen Organisation erst 1955 von der Bundesregierung übernommen wurde, hatte damit Erfolg: Sein Nachrichtendienst ist bis heute der erfolgreichste Spionageapparat der Nato gegen den Osten.

Darüber hinaus waren die von Gehlen unter Einkalkulierung des Risikos betriebenen Rekrutierungsprinzipien im Deutschland der Nachkriegszeit keineswegs ungewöhnlich.

Im westdeutschen Kriminaldienst und in den Verfassungsschutzämtern, denen im Gegensatz zum BND die interne Sicherheit der Bundesrepublik anvertraut ist, schlüpften nach dem Krieg viele frühere SD-Größen unter, die bislang nur zum Teil identifiziert werden konnten.

So gelang es zwar, den rheinland pfälzischen Kripo-Chef Heuser als Mörder von 30 000 Juden zu entlarven und ebenso den SD-Führer Krumbach, der von der Ulmer Staatsanwaltschaft jahrelang gesucht wurde, während er als Haupt-V-Mann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes in Dortmund amtierte.

Kriminalrat Theo Saevecke schließlich, Landesverratsexperte in der Bonner Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes und alter Felfe-Freund, entpuppte sich nach der SPIEGEL -Affäre als SS-Hauptsturmführer.

Welche Persönlichkeiten hingegen im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz die westdeutsche Demokratie bewachen, blieb bislang unbekannt, obschon auch etliche von ihnen an ihrer Vergangenheit zu tragen haben.

So war ein - heute vorwiegend mit Sicherheitsfragen des eigenen Hauses befaßter - höherer Beamter vormals SS -Sturmbannführer, SD-Mann und Lehrer an der Reichskriminalpolizeischule**.

So war der Gruppenleiter einer Abteilung SD-Mann in der Pariser Deutschen Botschaft und bei Kriegsende gleichfalls SS-Sturmbannführer, ein Rang, den Felfe vergeblich erstrebte.

In derselben Abteilung stammen außer dem Abteilungschef und zwei Referatsleitern sämtliche Chargen aus Abwehr- oder Sicherheitsdiensten. Es wirkten

- ein Referatsleiter als Direktor bei

der Geheimen Feldpolizei,

- ein weiterer Referatsleiter als Gestapo-Kommissar und SS-Hauptsturmführer.

- ein Sachbearbeiter, der bis 1957 gegenüber den Alliierten unter falschem Namen geführt wurde, als Gestapo-Kommissar und SS-Hauptsturmführer,

- ein weiterer Sachbearbeiter, der bis 1954 unter falschem Namen geführt wurde, bei der Gestapo.

Es war daher paradox, daß SPD -Volksvertreter Ritzel aus Anlaß des Felfe-Prozesses in Bonn fragte: »Wir haben einen Verfassungsschutz - wo blieb er, als es galt, den Herren vom Bundesnachrichtendienst auf die Finger zu sehen?«

Selbst wenn die Kölner die Kompetenz gehabt hätten, die Münchner zu überwachen - was nicht der Fall ist; jeder Geheimdienst hat seine eigene Abschirm-Abteilung -, wären sie schwerlich dafür geeignet gewesen.

Das Risiko, neben unbelasteten Abwehroffizieren des Heeres auch ehemalige SD-Leute aus Reinhard Heydrichs Reichssicherheitshauptamt (RSHA) ins Haus zu nehmen, bestand für alle Dienste. Diese Leute waren dazu prädestiniert, vorn gegnerischen Apparat umgedreht zu werden: Ihre - verschwiegene - NS-Vergangenheit mußte Erpresser aus dem Osten anlocken.

Felfe und Genossen freilich, nicht erpreßt, sondern generös entlohnt, gaben andere Motive vor. »Ich hasse die Amerikaner wie die Pest«, gestand Clemens vor Gericht. Nach dem US-Luftangriff auf Dresden, 1945, habe er geschworen: »Ich werde es ihnen doppelt und dreifach heimzahlen.«

Felte brüstete sich noch vor Gericht, einst zu Deutschlands Elite gehört zu haben. Mit 13 Jahren trat er dem NS -Schülerbund bei: »Ich war für mein Alter außerordentlich kräftig entwickelt

Als der Jung-Nazist vier Jahre später in die profane SA überwiesen werden sollte, weigerte er sich und zog die SS vor, wollte aber auch kein gewöhnlicher Totenköpfler sein: »Ich suchte mir die vornehmste Einheit aus, die Kraftfahrgruppe.«

Der ehrgeizige SS-Mann erhielt ein Stipendium des Reichssicherheitshauptamtes, mußte jedoch sein Berufsziel, die höhere Kriminallaufbahn, wegen des Krieges aufgeben. Der Dresdner Clemens holte den Dresdner Felfe in die Praxis des Amtes, dessen Stipendiat er gewesen war. Der 25jährige übernahm in der Abteilung VI (Auslands -Nachrichtendienst) das Referat »Schweiz« und wurde SS-Obersturmführer.

Freund Clemens, zuletzt SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat, hatte an sich Militär-Musikus gelernt, aber frühzeitig auf SS umgesattelt, nachdem er als ziviler Pianist gescheitert war. 1931 in Partei und SS eingetreten, sorgte er nach seinen Worten »wie jeder andere bei Saalschlachten für Ordnung« und kämpfte gegen die Kommune, »wie sich's gehörte«.

Bundesrichter Weber im Prozeß: »Sie sollen als Schläger bekannt gewesen sein.« Clemens: »Ich war niemals feige.« Weber: »Wenn man so die Akten liest, hat man wirklich nicht den Eindruck.«

Nebenberuflich verwaltete Clemens schon vor dem Krieg die SD-Außenstelle Dresden. Über seinen Schreibtisch liefen jene Berichte, die der Rechtsanwalt Tiebel, Parteimitglied seit 1933 und NSDAP-Kreisrichter, als freier Mitarbeiter des SD anfertigte. Gemeinsam becherte man am Stammtisch im »Englischen Garten«.

Als Clemens in die Berliner Zentrale des RSHA aufrückte, zog er Tiebel nach, der es aber nur bis zum SS-Oberscharführer brachte. Felfe war tüchtiger als der ängstliche Bürger Tiebel und zielstrebiger als der Lebemann Clemens. Beide waren ihm zeitweilig unterstellt.

Aber Rangunterschiede trennten sie nicht. Tiebel: »Als der Ältere habe ich Felfe damals das Du angeboten.«

Nach dem Krieg hatte sich Tiebel zum Bauunternehmer umgeschult und lebte im sauerländischen Lendringsen. Jedoch, die Vergangenheit holte ihn ein. Tiebel: »Eines schönen Tages pfiff jemand - da stand Felfe da.«

Der einstige Schweiz-Referent hatte Tiebels neuen Wohnsitz über dessen Dresdener Verwandtschaft aufgetan, war nach Westen marschiert und bei seiner Schwester in Rhöndorf am Rhein untergekrochen, wenige Schritte von Konrad Adenauers Eigenheim.

Die britische Militärregierung nahm seine Dienste an und regelte seine Entnazifizierung: Felfe kam als Nichtbetroffener in Gruppe V. Bundesrichter Weber: »Donnerwetter!«

Im Sauerland wiedervereint, organisierten die beiden SD-Kameraden zunächst einmal eine Art seelischen Notdienst für ihren dritten Kumpel: für Clemens, den Stammtischfreund aus dem »Englischen Garten« in Dresden.

Kamerad Clemens litt Not. In Rom sah er einem Prozeß wegen der Exekution von 335 italienischen Geiseln entgegen, an der auch er - unter dem damaligen römischen Sicherheitspolizei -Chef Kappler - teilgenommen hatte.

Qualifizierte Tiebel seinen Clemens vor Gericht: »Er war mehr für exekutive Arbeit geeignet.«

Felfe und Tiebel blieben ständig in Kontakt mit dem Häftling Clemens. Wenn Felfe aus Rom Post erhielt, schickte er sie Tiebel, und wenn - umgekehrt - in Lendringsen Nachrichten aus Rom eintrafen, liefen sie auch nach Rhöndorf. Tiebel: »Wir hatten uns gesagt: Man muß ihm Halt geben, damit er nicht zusammensackt.« Clemens wurde zu aller Überraschung freigesprochen. Tiebel: »Wenn du zurückkommst - du kannst bei mir wohnen.«

Es dauerte freilich über ein Jahr, bis die Italiener Clemens endgültig freiließen. Am 25. September 1949, zehn Tage nachdem Konrad Adenauer in Bonn zum Bundeskanzler gewählt worden war, zog in Rhöndorf eine beschwingte Gesellschaft an des Kanzlers Haus vorbei: Der frisch in die Freiheit entlassene SS-Mann Clemens war auf der Reise nach Lendringsen in Rhöndorf ausgestiegen, hatte sich in einer Gaststätte eine Gruppe von Bänkelsängern engagiert und zog nun mit Musik den Ort hinauf, den ahnungslosen Felfe zu überraschen.

Nachdem die beiden ausgiebig Wiedersehen gefeiert hatten, setzte sich Clemens nach Lendringsen in Marsch und nahm bei Tiebel Quartier.

Ein Beruf für den berufslosen Heimkehrer fand sich auch bald. Ende Januar 1950 kam Frau Clemens aus Dresden herüber, deren vergebliche Versuche, sich dem Charme russischer Offiziere zu entziehen, dem Ehemann nicht unbekannt geblieben waren.

Die Begegnung verlief daher auch gänzlich unsentimental. Man vereinbarte lediglich, daß Clemens demnächst einmal nach Dresden korhmen solle, wo Offiziere des sowjetischen Nachrichtendienstes ihn schon erwarteten.

Mit den besten Wünschen seiner Kameraden reiste Clemens noch im selben Frühjahr in die Sowjetzone. Bei Nacht und Nebel heuerte ihn der Sowjet -Oberst »Max« in einer Waldschlucht gegen ein erstes Handgeld von 1000 Mark für den gleichen Auftrag an, den Clemens später vom Amt Gehlen erhielt: Er sollte alte Kameraden gewinnen. Oberst »Max": »Du hast ein Jahr Anlaufzeit.«

Die russischen Vertragspartner waren von Clemens beeindruckt. Lebemann Clemens: »Sie haben mich umarmt und geküßt.« Dagegen Felfe: »Ich wurde selbstverständlich nicht geküßt.«

Wieder im Westen, berichtete Clemens den Kumpanen Felfe und Tiebel von seinem Abenteuer, was Felfe, der inzwischen in Bonn als freier Journalist firmierte, zum Anlaß nahm, sogleich seine eingeschlafenen Beziehungen zum Nachrichtendienst der britischen Militärregierung wieder zu aktivieren: Er offerierte den Briten die Clemens-Verbindungen in den Osten als neu zu erschließende Nachrichtenquelle. Aber die Engländer bissen nicht an.

Immerhin konnte Felfe dem Protestanten Clemens ein Zimmer im Bonner katholischen Jungmännerheim beschaffen, von wo der Dresden-Fahrer ausschwärmte, um »alte Bekanntschaften wieder aufzufrischen«. Der SS-Mann Felfe teilte dem SS-Mann Clemens mit, wo man im Bundeshaus an Pressemitteilungen, Waschzettel und sonstiges Druckzeug kam. Frau Clemens transportierte die Sachen von Zeit zu Zeit von Bonn nach Dresden. Das Geschäft steckte noch in den Anfängen.

Im Sommer 1950 stellte das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen den einstigen SS-Obersturmführer Felfe als Befrager von ehemaligen Volkspolizisten in westdeutschen Flüchtlingslagern an. Nun tat sich für Clemens eine neue Nachrichtenquelle auf. Im Herbst jenes Jahres verfaßte Felfe im Auftrag des Ministeriums ein »Gelbbuch« über die Ergebnisse der Vopo-Befragungen. Ein Exemplar davon wanderte über die Eheleute Clemens an »Max«.

Dann gelang es Clemens per Zufall, an die Krippe vorzudringen: Im D-Zug zwischen Bonn und Düsseldorf traf er einen alten Bekannten vom SD, der ihm die Adresse eines weiteren alten Bekannten, des SS-Standartenführers Krichbaum in Reichenhall, nannte.

Dieser Krichbaum, früher Verbindungsmann zwischen Admiral Canaris und dem RSHA, war »Bezirksvertreter« des BND für Bayern geworden. Clemens reiste schnurstracks nach Reichenhall, um mit Krichbaum Wiedersehen zu feiern. Krichbaum: »Was machst du?« Clemens: »Schrotthandel.« Krichbaum: »Ich habe was für dich«

Bald sah Hans Clemens seinen alten Freund Krichbaum öfter. Am 15. Juni 1951 trat er seinen Dienst bei der Gehlen-Organisation an: »Ich hatte Auftrag, ehemalige SD-Leute zu melden, die keinen Beruf mehr hätten, die könnten wieder, tätig werden.«

Als Krichbaum fünf Monate später auch den inzwischen aus dem Dienst des Kaiser-Ministeriums geschiedenen SD-Kollegen Heinz Felfe, von Clemens empfohlen, für die Organisation Gehlen anheuerte, war Felfe schon, von Clemens empfohlen, je einmal in Karlshorst und in Dresden bei »Max« zu Besuch gewesen. »Alles geklappt«, schrieben die beiden am Abend des 26. Oktober 1951 per Postkarte an »Max«, als sie im Münchner »Königshof« auf ihre Zukunft tranken.

Acht Jahre später, als Chruschtschow den früheren US-Geheimdienst-Chef Allen Dulles im Weißen Haus augenzwinkernd aufforderte: »Es ist wohl an der Zeit, daß wir aufhören, unseren jeweiligen Spionen zwei Gehälter zu zahlen«, kassierten die drei von beiden Seiten erkleckliche Summen: Felfe, bis zu seiner Verhaftung Regierungsrat auf Probe, wurde bei Gehlen aber mit monatlich 1700 Mark netto eingestuft. Von seinen 150 000 Mark erwarb sich der hausvaterlich rechnende Doppelspion ein Haus am Starnberger See.

Freund Clemens hingegen verjubelte etwa 140 000 Mark, die er für seine Dienste erhielt. Clemens: »Ich habe gut gelebt, die Welt gesehen.« Oberst »Max« wußte den Gourmet bei Laune zu halten, indem er ihm bei jedem Treff einige Dosen Hummer zusteckte. Clemens: »Hummer eß ich für mein Leben gern.«

Während Clemens die Früchte seines Verrats noch genießen konnte, rackerte sich Felfe im Hause Gehlen nach oben. Er wurde Leiter des Sowjet-Referats der Abteilung III f (Gegenspionage). Bundesrichter Weber: »Der richtige Mann am richtigen Ort.«

Die Ostkontakte ließen sich nunmehr noch unaufälliger pflegen, die Ausbeute, teilweise in einem doppelbödigen Koffer über die Grenze gebracht, wurde fetter. Felfe verriet vor allem die streng geheimen Wochenberichte des BND, die Monatsberichte der Spionage-Abwehr und die Lageberichte des Verfassungsschutzes.

Da die Sowjets in Felfes Abteilung »Überfluß an Agenten« hatten, ließen sie ihren Spion dies wissen und forderten ihn auf, sich in eine andere Abteilung versetzen zu lassen.

Felfe und Clemens hingegen waren keineswegs gewillt, allen Befehlen spornstreichs zu gehorchen. Clemens: »Wenn schönes Wetter war, dachte ich, die sollen mich in Ruhe lassen.«

Die Sowjets fütterten ihre Spione mit durchaus echtem, teilweise sogar wertvollem Geheimmaterial, das Felfes Autorität im Amt Gehlen wohl bekam. Niemand witterte Verrat, so daß Felfe und Clemens 1960 ihr zehnjähriges Berufsjubiläum beim deutschen und sowjetischen Geheimdienst feiern konnten.

In Ostberlin wurde ihnen eine Gratifikation von 2000 West-Mark samt einer Belobigungsurkunde des Moskauer Geheimdienst-Chefs Schelepin überreicht. Gehlen, dessen Etat mit vielen - für 1963 mit 58 - Millionen Mark ausgewiesen ist, begnügte sich mit einer Plakette, auf der Ritter Georg den Drachen spießt. Umschrift: »Für treue Dienste«.

Dem General Gehlen blieb der Experten-Trost, daß sein BND die drei Kameraden ein Jahr später selbst entlarven konnte und daß Felfe auch die Gefängnisbehörden und den Untersuchungsrichter des Bundesgerichtshofes übertölpelte, indem er noch in der Untersuchungshaft mit seinen Moskauer Auftraggebern korrespondierte (SPIEGEL 23/1963).

Da BND-Chef Gehlen als Ministerialdirektor politischer Beamter ist, könnte er theoretisch jederzeit pensioniert werden. Im gerüchtefreudigen Bonn wurde daher aus Anlaß des Felfe-Prozesses auch bereits der Brigadegeneral Wessel, der im Krieg in Gehlens Abteilung »Fremde Heere Ost« und nach dem Krieg zeitweilig als Chef von Straußens »Militärischem Abschirmdienst« (MAD) wirkte, als potentieller Nachfolger Gehlens genannt. Doch der deutsche Geheimchef selbst denkt nicht daran, sich etwa aus Gesundheitsrücksichten vorzeitig zur Ruhe zu setzen.

Der Mann, der die wirkungsvollste Ostaufklärung der westlichen Welt kommandiert, fühlt sich kerngesund.

* Hitlers Generalstabschef Guderian über die Tätigkeit des Geheimdienstgenerals: »Die Voraussagen Gehlens haben sich bewahrheitet. Das ist eine geschichtliche Tatsache.«

** Rangmäßig entsprach etwa der Standartenführer dem Oberst, der Sturmbannführer dem Major, der Hauptsturmführer dem Hauptmann und der Obersturmführer dem Oberleutnant.

Geheimdienst-Chef Gehlen (vorn M.), Gehilfe Wessel (hinten l.) 1944 Alte Kameraden

Doppel-Spion Felfe

»In den Augen der Sowjets ...

Doppel-Spion Clemens

... dastehen wie eine Eins«

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