UMGANG MIT DER ÖLSARDINE
Einen der ersten Wankel-Wagen kaufte der SPIEGEL. Das zweisitzige Sportauto wurde am 15. Januar 1965 als »HH-SP 131« zugelassen und in den Fuhrpark eingereiht.
Skeptisch und neugierig übernahmen die dort beschäftigten Kraftfahrer den Neuling mit dem neuartigen Antrieb: »50 PS und 152 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit mit nur einer Zündkerze - wie lange der das wohl aushält!«
Sie haben es bis heute nicht erfahren.
Zehn verschiedene Fahrer traten, wie das Fahrtenbuch ausweist, den Wankel-Gashebel vom HH-SP 131 - Berufskraftfahrer, Redakteure und Verlagsangestellte. Sie fuhren 35 135 Wankel-Kilometer.
Zwar »ruckte der Wankel beim Schalten« und verdroß die Fahrer durch »Rütteln und Schütteln im Leerlauf«, doch zeigte er sich in der Beschleunigung vergleichbaren Hubkolben-Konkurrenten überlegen.
Die vehemente Beschleunigungskraft erschloß sich den Fahrern jedoch erst, nachdem sie sich die rechte Wankel-Fahrtechnik angewöhnt hatten: »Man muß den Motor immer auf wenigstens etwa 4000 Touren halten - auch im Stadtverkehr.«
Der Wagen »dürfte von durchschnittlichen Automobilisten nicht auf Anhieb korrekt zu fahren sein«, schrieb einer ins Fahrtenbuch. Die Wankelei sei »eher was für Künstler«.
Doch ausdrücklich lobten die Fahrer das »Stehvermögen des Motors, der an leichten bis mittleren Steigungen nicht eine einzige Umdrehung nachläßt«. Als Spitzengeschwindigkeit wurden 160, von manchen sogar 170 Tachokilometer angegeben. Einer bewältigte die 842 Kilometer von Basel bis Hamburg mit der beachtlichen Durchschnittsgeschwindigkeit von 102 Stundenkilometern.
Dabei erwies sich der Wankel-Motor im Treibstoff-Konsum als überraschend, wirtschaftlich. Der Wagen wurde nach der NSU-Empfehlung fast nur mit Normalkraftstoff ger fahlen und verbrauchte bis zu einem Alter von 30 616 Kilometern (erreicht am 31. Mai 1965) im Durchschnitt 9,1 Liter auf 100 Kilometer. Danach stieg der Verbrauch auf 10,21 Liter an. Ein Fahrer, offenbar pingelig wie ein professioneller Tester, ermittelte auf einer: Autobahn-Fernfahrt sogar die Verbrauchsunterschiede - zwischen Super- und Normalkraftstoff: 8,1 Liter Normalbenzin hätten 160 Tachokilometer, 8,95 Liter Superbenzin dagegen 170 Tachokilometer Höchsttempo ermöglicht.
Größeren Appetit hatte der Motor dagegen auf Schmieröl. Wankel -Eigner werden darauf schon in der Betriebsanleitung hingewiesen: »Öl braucht der Motor wie Sie das tägliche Brot.« Aus dem Fahrtenbuch läßt sich die Menge errechnen: Stets zwei Liter auf 1000 Kilometer, mitunter sogar mehr. Die Ölsardine, wie die Fuhrpark-Leute ihr enges, zugiges Auto daher schon frühzeitig nannten, verlangte außerdem im Durchschnitt alle 5000 Kilometer nach einer frischen Spezial-Zündkerze. Nach 16 310, nach 17 212 und nach 35 110 Kilometer waren je zwei neue Reifen vonnöten.
Sechzehnmal - davon fünfmal zum normalen Wartungsdienst - mußte der Wankel-Spider für kurze Zeit in die Werkstatt, die der Wagen stets mit eigener Kraft anlief. Am Wankel-Motor war dabei niemals etwas zu reparieren, Zum Vergleich: Schon nach 9000 Kilometer traten, wie die Besitzer-Umfragen des SPIEGEL ergaben, bei 16,6 Prozent aller Opel Kadett, nach 16 000 Kilometer bei 9,8 Prozent aller VW 1500 S Motorschäden auf.
Das - Fahrtenbuch endete letzte Woche bei Kilometer 35 135. Ein aus dem fünften Stock fallendes Fenster traf den parkenden Wankel-Spider, so daß er erstmals für mehrere Tage in die Werkstatt mußte.
Wankel-Wagen HH - SP 131: Spitze 170