... UND FÜHRE UNS NICHT IN VERSUCHUNG
Die letzte Fortsetzung schloß: Im September 1949 wurde bekannt, daß die Russen viele Jahre früher als erwartet das amerikanische Atom-Monopol durchbrochen hatten und ebenfalls die Atombombe besaßen. Der amerikanische Atomkommissar Lewis L. Strauss und der Atomsenator McMahon befürchteten, daß die Russen Amerika verwüsten würden, sobald sie erst einmal genug Atombomben hätten, und forderten die Herstellung einer noch größeren abschreckenden Waffe: der Wasserstoffbombe. Aber der wissenschaftliche Beratungsausschuß der Atomenergie-Kommission verwart unter Robert Oppenheimers Vorsitz am 29 Oktober 1949 die Pläne zum Bau der Waffe, von der nach Auffassung der H-Bomben-Verfechter Amerikas Sicherheit abhing
5. Fortsetzung
Am 31. Oktober 1952 saß Edward Teller zusammen mit seinem Labor-Manager Herb York in der »Goldenen Regel«, einem Schnell-Imbiß in dem kalifornischen Städtchen Livermore. Teller war nervöser denn je. Sein unruhiger Blick fiel auf einen Wahrsage-Automaten mit der Aufschrift: »Swami, stell' mir eine Frage!«.
Teller schrieb auf ein Stück Papier: »Verstehen wir eigentlich, was wir zu tun versuchen?« Der Automat antwortete: »Es scheinen gewisse Zweifel zu bestehen.«
Was Edward Teller zu tun versuchte, war: die größte Explosion auszulösen, die je von Menschenhand bewirkt wurde - eine Explosion, die solche Verheerung erzielen mußte wie der Einschlag eines riesigen Meteors in die Erdrinde. Teller tat es' ungeachtet der Zweifel, die von der Mehrzahl seiner wissenschaftlichen Kollegen seit Jahren gegen ein solches Unterfangen vorgetragen worden waren.
Trotz des Widerstandes vieler Wissenschaftler hatte Präsident
- Truman den Bau des größten
Sprengkörpers der Geschichte, der Wasserstoffbombe, nach Edward Tellers Plänen genehmigt. Während Teller und sein Mitarbeiter Herb York in der »Goldenen Regel« beim Abendbrot saßen und sich an dem Groschen-Swami vergnügten, wurden 8000 Kilometer entfernt auf dem Pazifik-Atoll Elugelab die letzten Vorbereitungen für die Detonation des ungefügen Wasserstoffsprengkörpers getroffen, den Teller und seine Mitarbeiter in knapp dreijähriger Arbeit entworfen
hatten. Das Unternehmen hatte den Code-Namen »Operation Efeu«.
Von der ersten Antwort des Wahrsage-Automaten frappiert, wagte Teller eine zweite Frage. »Wird Efeu erfolgreich sein?« schrieb er. Die Antwort lautete: »Warum fragen Sie? Natürlich!«
Die »Operation Efeu« wurde ein Erfolg. Am nächsten Tag, zum Zeitpunkt der Explosion, saß Teller in einem Institut der Universität von Kalifornien vor einem Seismographen. Der errechnete Explosionsstoß sollte so stark sein, daß er die Erdrinde In Schwingungen versetzte. Tatsächlich sprach der Seismograph mit heftigen Ausschlägen an. Teller sagte: »Ganz schön.« Die Insel Elugelab war von der Erdoberfläche verschwunden, in die Luft gerissen und in den Boden des Pazifik hineingestampft. Die Explosion hatte einen Krater von anderthalb Kilometern Durchmesser und 60 Metern Tiefe in den Grund des Ozeans gewühlt.
Die geographische Veränderung in der Inselwelt des Pazifik, deren Erschütterung auf vielen Erdbeben-Warten der Welt zu messen war, widerlegte mit der Gewalt von acht Millionen Tonnen Sprengstoff alle Zweifel und Bedenken, mit denen Amerikas Forscher-Elite unter Robert Oppenheimer sieben Jahre lang dem Bau der Bombe widerstanden hatte. Sie widerlegte vor allem das Hauptargument, mit dem die Forscher das Hochdruck-Programm zur Herstellung der H-Bombe hatten verhindern wollen: daß nämlich eine Wasserstoff-Bombe - wenn überhaupt - frühestens fünf Jahre nach Beginn eines Blitz-Programms gebaut werden könne, und auch dann nur mit unsinnigen Kosten, die in keinem Verhältnis zu den Einsatzmöglichkeiten der Bombe stünden. Teller und seine Mitarbeiter hatten die Bombe schnell und offenbar mühelos zusammengebastelt.
So sahen die Wasserstoffbomben-Verfechter, die sich über das Nein der Wissenschaftler hinweggesetzt hatten, den Verdacht bestätigt, den sie von Anfang an gehegt hatten: Sie argwöhnten, daß die Wissenschaftler unter Robert Oppenheimer die technischen Schwierigkeiten bewußt oder unbewußt nur vorgeschützt hatten.
In den geheimen Atomzirkeln der amerikanischen Regierung war bekannt, daß die Forscher seit dem Massaker von Hiroshima tiefe Reue über »das Blut an unseren Händen« empfanden. Der Atomkommissar Gordon Dean sagte später: »Als ihnen (den Männern des Beratungsausschusses) vorgeschlagen wurde, eine noch größere Bombe zu bauen, um (angesichts der sowjetischen A-Bombe) die Sicherheit der Nation zu gewährleisten, schlug sie das zu Boden und widerte sie an (floored them and disgusted them). Sie hatten den Schock der A-Bombe durchlitten, sie versuchten, eine internationale Atomkontrolle zu schaffen. Wenn nur der Bau riesiger HBomben eine Antwort auf das Problem (nationaler Sicherheit) zu sein schien, dann war das jedenfalls für diese Leute keine befriedigende Antwort. Ich glaube, ihr Magen rebellierte dagegen (I think, it was a stomach reaction ...).«
Als Dean gefragt wurde, wem »sich der Magen umgedreht habe«, nannte er ausdrücklich die drei führenden Atomwissenschaftler des Beratungsausschusses bei der Atomenergie - Kommission: J. Robert Oppenheimer, Enrico
Fermi und James B. Conant.
Es war bekannt, daß selbst der verträgliche Conant, der »gute alte Onkel Jim«, als ihm im Herbst 1949 Tellers Wasserstoffbomben-Pläne zu Ohren gekommen waren, empört erklärt hatte, das Monstrum werde »nur über meine Leiche« gebaut werden. Konnte es also sein, daß die Wissenschaftler aus moralischen Gründen den Bau der Über-Waffe hintertrieben hatten, von der nach Ansicht der H-Bombenverfechter die Sicherheit Amerikas abhing? Waren die Schuldgefühle so drückend, daß selbst ein unbestritten patriotischer Amerikaner wie James B. Conant, später erster Botschafter der USA in Bonn, seinem Land die einzige Waffe vorenthielt, die den Fortbestand der Vereinigten Staaten zu garantieren schien?
1941 hatte der deutsche Physiker-Senior Max von Laue einem jungen Forscher, dem vor der Atombombe bangte, erklärt: »Eine Erfindung, die man nicht machen will, macht man auch nicht.« Leugneten nun auch die amerikanischen Forscher - trotz der sowjetischen Bedrohung - die Stichhaltigkeit der Tellersehen Theorien nur, um die Wasserstoffbombe nicht bauen zu müssen?
Niemand außer ihnen vermochte zu beurteilen, ob Tellers Pläne sich verwirklichen ließen. Daß die Wissenschaftler von ihrer Gewissensnot dazu getrieben wurden, die Realisierbarkeit der H-Bombenpläne zu verneinen, war noch die mildeste aller denkbaren Erklärungen für ihr Verhalten.
Diese Deutung mochte für den biederen Conant und den loyalen Zuwanderer Fermi gelten. Aber Robert Oppenheimer schien in der Sicht der H-Bombenpromoter in Senat und in den Augen der Sicherheitsagenten vom Bundeskriminalamt von unheilvolleren Motiven beeinflußt zu sein. In den Archiven von Herbert Hoovers Bundeskriminalpolizei (FBI) lagerte ein umfangreicher Dossier über den einflußreichsten Atomforscher der Nation. Inhalt: Die Verbindungen des J. Robert Oppenheimer zum Kommunismus.
1936 hatte Robert Oppenheimer einen Flirt mit der roten Weltrevolution begonnen. Eine »schwelende Wut über die Behandlung der Juden in Deutschland« beherrschte ihn, seine Gefühle waren tief verletzt vom Eingreifen der Faschisten in den spanischen Bürgerkrieg und vom sozialen Elend im Amerika der Depressionszeit. Wie vielen jungen Amerikanern seiner Generation schien auch ihm Marxs Lehre der einzige Ausweg aus dem Jammer der Alten wie der Neuen Welt zu sein.
Oppenheimer, der gerade seinen vermögenden Vater beerbt hatte, spendete mehrmals Summen für die Rotspanier, denen er - nicht anders als Hemingway"gefühlsmäßig verbunden« war. Später schrieb er: »Ich betrachtete den Kommunismus damals nicht als gefährlich, und manche seiner erklärten Ziele erschienen mir wünschenswert.«
Sein kalifornischer Freundeskreis - Wissenschaftler und Künstler - schimmerte rosarot. Eine besondere Schwäche entdeckte »Oppie« für Frauen, die sich dem Wohl des einfachen Mannes verschrieben hatten. Seine ersten Erfahrungen mit gläubig blickenden Jeanne-d'Arc-Typen machte er 1936 bei einem Mädchen namens Jean Tatlock, einer eifrigen Kommunistin und Studentin der Psychiatrie. Im Verlaufe einer ideologisch hitzigen Romanze kam er zweimal an den Punkt, »an dem wir uns als verlobt betrachteten«.
Im Sommer 1939 traf Oppenheimer die Frau, die er später heiratete: Katharina Puening, eine brünette Pilzforscherin, die an einem Pflanzen-Laboratorium arbeitete. Sie war zu jener Zeit einem Bekannten Oppenheimers angetraut - und dem Marxismus-Leninismus. Die politische Bindung stammte aus ihrer ersten Ehe mit einem KP-Mann, der in Spanien von Francos Falangisten erschossen worden war.
Oppenheimer spendierte, diskutierte und flirtete, aber er ließ sich von seinen linksgerichteten Sympathien nicht so weit treiben wie sein Bruder Frank, der in die amerikanische KP eintrat. Irgendwie, schrieb er später, blieb ihm das rote Dogma »immer unverständlich«.
Am Tag vor Pearl Harbour nahm er zum letztenmal an einem Wohltätigkeitsball für die spanischen Opfer des Faschismus teil. Dann aber, berichtete er, »glaubte ich, genug für die spanische Sache getan zu haben. Ich meinte, daß es nun andere und dringendere Krisen in der Welt gab.«
1942, als Oppenheimer dem Atomprojekt beitrat, mußte er in einem langen Fragebogen seine ehemalige Mitgliedschaft bei linken Organisationen offenlegen, und von da an mißtrauten ihm die Agenten der Spionage-Abwehr. Sie fingen an, ihn zu beschatten, und als Oppenheimer im Juni 1943 überraschend bei seiner alten Freundin Jean Tatlock nächtigte, glaubten die Abwehr-Schnüffler, einem roten Spionage-Komplott auf die Spur gekommen zu sein. In einem Bericht an das Kriegsministerium in Washington äußerten sie den Verdacht, daß Oppenheimer entgegen seinen Angaben noch immer Verbindungen zu den Kommunisten halte und die Forschungsergebnisse von Los Alamos über Zwischenträger wie die Tatlock nach Moskau weiterleite. Sie forderten Oppenheimers Entlassung.
Der Bericht landete bei Atomgeneral Groves, der »Oppie« zu dieser Zeit bereits in sein Soldatenherz geschlossen hatte. »Oppie« war unentbehrlich: Ohne seine erstaunliche Fähigkeit, einen Haufen skeptischer und eigenbrötlerischer Gelehrter zu einer begeisterten Mannschaft zusammenzuschweißen und zu geistigen Höchstleistungen anzuspornen, konnte Groves nicht hoffen, die Atombombe, wie befohlen, in kürzester Frist, »ohne Verlust eines einzigen Tages«, zu produzieren. Er glaubte den Versicherungen Oppenheimers, der ihm verstört schwor, daß er längst mit den Kommunisten gebrochen habe. Groves pochte zum erstenmal auf seine Sondervollmachten und setzte beim Kriegsministerium durch, daß Oppenheimer bleiben durfte.
Oppenheimer war glücklich, aber er ahnte auch, daß er von Spitzeln umringt war (er wurde sogar heimlich photographiert und gefilmt) und daß ihn eine einzige falsche Bewegung stürzen konnte. In seiner Bedrängnis gewann für ihn ein Vorfall ominöse Bedeutung, den er vorher nicht weiter beachtet hatte, der ihm aber nun das Genick brechen mußte, wenn die Geheimdienstbeamten davon erfuhren.
Ende 1942, als Oppenheimer noch im kalifornischen Berkeley wohnte, besuchte ihn sein Nachbar und Freund, der Universitätsdozent Haakon Chevalier. In der Küche, beim Mixen der Drinks, berichtete Chevalier seinem Freund Oppenheimer von einem gemeinsamen englischen Bekannten namens George Eltenton, der sechs Jahre lang in der Sowjet-Union gelebt hatte. Eltenton habe sich darüber beklagt, daß zwischen den verbündeten amerikanischen und sowjetrussischen Wissenschaftlern keine wissenschaftlichen Informationen mehr ausgetauscht würden, und habe gefragt, ob Oppenheimer nicht dafür zu gewinnen sei, neuere amerikanische Forschungsergebnisse an die Sowjetkollegen zu übermitteln.
Brüsk lehnte Oppenheimer ab. »So geht das nicht«, sagte er (wie Chevalier später erklärte).
Dem Atomboß, der sich plötzlich vom US-Geheimdienst beschattet sah, bereitete die Erinnerung an diesen Dialog nachträglich scharfes Unbehagen. Wenn die Sicherheitsagenten von dem Kontaktversuch Eltentons erführen, würde er in einen diesmal vernichtenden Verdacht geraten, da er den Vorfall nicht gemeldet hatte. Um sich gegen eine solche Entdeckung zu sichern, suchte der panisch erschrockene Oppenheimer unter einem Vorwand die Sicherheitsoffiziere auf und erzählte ihnen beiläufig, er wisse übrigens, daß kommunistische V-Leute versuchten, mit Physikern des Atomprojekts in Verbindung zu kommen. Er nannte George Eltenton als den Drahtzieher, »auf den man acht geben muß«, aber er verschwieg den Namen seines Freundes Chevalier. Er wollte den Freund schon deshalb decken, weil auch Chevalier meinte, daß es so nicht gehe, wie Eltenton es sich dachte.
Aber Oppenheimer hatte sich bei seinem verzweifelten Versuch, aus der Umschlingung von US-Spitzeln und kommunistischen Dunkelmännern zu entkommen, nur noch hoffnungsloser verstrickt. Die USBeamten, die mit ihrem Bericht über »Oppies« Nacht bei Jean Tatlock nicht durchgedrungen waren, witterten eine neue Chance, ihr Opfer endgültig zur Strecke zu bringen. Erbarmungslos versuchten sie, den Namen des geheimnisvollen Zwischenträgers aus Oppenheimer herauszupressen. In dem krampfhaften Bemühen, die Beamten von seinem unschuldigen Freund Chevalier abzulenken, erfand er, wie er später gestand, »ein Lügengewebe« ("a tissue of lies"). Als die Armee ihm schließlich drohte, »seinen Namen, seinen Ruf und seine Karriere zu zerstören«, brach Oppenheimer zusammen und gab Chevalier preis.
Oppenheimers Verdienste und Fähigkeiten wogen in den Augen der Verantwortlichen auch den Chevalier-Zwischenfall auf, aber die Sicherheitsbeamten - darauf dressiert, jeden außergewöhnlichen Menschen für suspekt zu halten - wühlten gegen den Atom-Parzival unablässig weiter. 1947 rückte FBI-Chef Hoover bei dem Chef der neugegründeten Atomenergie-Kommission an, um erneut Zweifel an Oppenheimers Zuverlässigkeit anzumelden.
Atomkommissions-Vorsitzender David E. Lilienthal aber hielt seinen Freund »Oppie« für »den einzigen authentischen Genius, den ich kenne« und holte sich flugs von einer ganzen Reihe hochmögender Männer für seinen Chefberater glänzende Leumundszeugnisse ein, gegen die Hoover nichts auszurichten vermochte.
Als jedoch Edward Teller 1951 beweisen konnte, daß die Wasserstoffbombe sich bauen ließe - und er sie bis zum Herbst 1952 tatsächlich baute -, glaubten die Agenten und die Scharfmacher des Senats in Oppenheimers zähem Widerstand gegen die Superwaffe das Stigma ungeheuren jahrelangen Verrats im Dienste der Sowjet-Union zu erkennen. Denn seit 1949/50 ein hoher Berater im Außenministerium, Alger Hiss (ein charmanter Wunderknabe wie Oppenheimer), als kommunistischer Spion angeklagt worden war, erschien den Patrioten kein Ding mehr unmöglich
Fast gleichzeitig mit Tellers »ganz schönem« Knall auf Elugelab, übernahmen in Washington Eisenhowers Republikaner die Macht. Der Wallstreet-Admiral und H-Bomben-Champion Lewis Strauss wurde Chef der Atomenergie-Kommission. Die Verschwörung gegen Oppenheimer kam zum Zuge. Er verlor einen seiner zahlreichen Beraterposten nach dem anderen; im Jahre 1952 - im großen Washingtoner Revirement der Republikaner - endete auch seine Amtszeit als Vorsitzender des Beratungsausschusses der Atomenergie-Kommission. Lediglich einen Beraterposten behielt er bei der AEC
Den entscheidenden Schlag gegen ihn führte ein junger Scharfmacher namens William Borden, der als Assistent des Senatsausschusses für Atomenergie jahrelang jede Regung Oppenheimers belauert und ihn aus dem Hinterhalt bekämpft hatte. Borden, ein Cohn-und-Shine-Typ, erklärte: »Solange ich für den Ausschuß arbeitete, mußten wir gegen die Lähmung kämpfen, die in der Atomenergie-Kommission und im Pentagon herrschte. Je genauer ich hinsah, desto mehr schien es mir, daß J. Robert Oppenheimer für diese Lähmung verantwortlich war - nicht nur hinsichtlich der H-Bombe, sondern auch hinsichtlich jeden Schrittes, der die militärische und friedliche industrielle Machtposition der Vereinigten Staaten hätte stärken können. Wir gewannen alle unsere Schlachten, aber in jedem Fall verzögerte Oppenheimers Einfluß unsere Erfolge ein bis vier Jahre.«
Borden erhielt von FBI-Chef Hoover Einblick In den Geheimdossier über Oppenheimers Vorleben. Die alten Geschichten, dutzendmal überprüft und abgetan, gaben jetzt den Ausschlag. Es war genau das, was Borden sich ausgemalt hatte. In seiner Logik führte eine ununterbrochene Linie des Verrats von rotspanischen Wohltätigkeitsparties, über Techtelmechtel mit radikalen Damen und dem Chevalier-Zwischenfall bis zur Sabotage an der einzigen Waffe, die den Untergang Amerikas verhindern konnte. Bordens Brief, in dem es hieß, Oppenheimer sei wahrscheinlich ein Sowjetagent«, landete zusammen mit einem Konzentrat aus dem Oppenheimer-Dossier auf dem Schreibtisch Eisenhowers.
Der erschrockene Präsident, von dem neuen AEC-Chef und H-Bomben-Kämpen Strauss beraten, ordnete am 3. Dezember 1953 an, daß »sofort eine fugenlose Wand zwischen Oppenheimer und allen Regierungsgeheimnissen errichtet werden« sollte. Noch vor Weihnachten überreichte Strauss dem bis dahin ahnungslosen Oppenheimer das Anklageschreiben der AEC. Es hackte seitenlang auf dem jugendlichen Linksdrall Oppenheimers herum - es warf ihm sogar vor, daß er den Verkehr mit seinem kommunistischen Bruder Frank nicht restlos abgebrochen und daß seine Frau es auch 1946 noch gewagt habe, mit Frau Haakon Chevalier Kaffee zu trinken - und rückte erst ganz zum Schluß mit dem Hauptvorwurf heraus: »..daß Sie im Herbst 1949 und danach heftig gegen die Entwicklung der Wasserstoffbombe opponiert haben...«
Weiter hieß es in dem Schreiben: »Es wird ferner berichtet, daß Sie, auch nachdem die Entwicklung der Wasserstoffbombe zu einem Ziel der nationalen Politik erklärt worden war, Ihren Widerstand fortsetzten und es ablehnten, sich mit voller Kraft für das Projekt einzusetzen..., daß Sie sich dazu hergaben, hervorragenden Wissenschaftlern eine Mitarbeit am Wasserstoffbomben-Projekt auszureden und daß die Opposition gegen die Wasserstoffbombe, deren erfahrenstes, mächtigstes und wirkungsvollstes Mitglied Sie waren, die Entwicklung der Bombe entschieden verzögert hat.«
Strauss konfrontierte den bestürzten Oppenheimer mit der Wahl, entweder ohne Widerrede sofort von seinem AEC-Beraterposten zurückzutreten oder sich einem besonderen »Personal-Sicherheitsausschuß« der ABC zur Durchleuchtung zu stellen. Oppenheimer stellte sich.
Am 12. April 1954 begann in einem AEC-Gebäude das Verhör gegen Julius Robert Oppenheimer, die große Gewissenserforschung des Atomzeitalters, vom gleichen geschichtlichen Rang wie das kirchliche Inquisitionsgericht gegen Galileo Galilei, den Urvater der modernen Physik. Vorsitzender des Tribunals war der Zeitungsverleger und Universitätsrektor Gordon Gray. Ihm zur Seite saßen der angesehene Chemieprofessor Ward Evans von der katholischen Loyola-Universität als Vertreter der Wissenschaft und der Großindustrielle Thomas A. Morgan. Das Gremium war kein Gericht, es führte keinen Justiz-Prozeß, sondern eine Art Verwaltungsverfahren. Doch es hatte Vollmacht, Zeugen unter Strafandrohung vorzuladen und unter Eid zu verhören.
39 Männer aus dem Geheimzirkel der Atommacht - Wissenschaftler, Militärs und Staatsbeamte - nahmen nacheinander auf einem alten Ledersofa vor dem Tribunal Platz. Der Anklagevertreter der Atomenergie-Kommission, der hartgesottene Advokat Roger Robb, nahm sie mit der Erbarmungslosigkeit eines Hollywood-Staatsanwalts In die Zange. Robb versuchte, ihnen Aussagen zu entwinden, die bestätigten, daß Oppenheimer jahrelang die Politik der Vereinigten Staaten »im Interesse der Sowjet-Union beeinflußt« habe oder daß er zumindest von krimineller Blindheit gegen die sowjetische Gefahr und die Sicherheit seines Landes beherrscht gewesen sei. Aber Robb scheiterte.
Die respektabelsten Zeugen versicherten unter Eid, daß sich Oppenheimer nach ihrer gewissenhaften Überzeugung nie von etwas anderem habe leiten lassen als von den »besten Interessen« seines Vaterlandes. Selbst sein schärfster Gegner, Edward Teller, sagte: »Ich habe immer angenommen, daß er (Oppenheimer) den Vereinigten Staaten gegenüber loyal ist. Ich glaube das, und ich werde es glauben, bis ich absolut stichhaltige Beweise für das Gegenteil sehe.«
Die Zeugen verbürgten sich nicht nur für Oppenheimers Staatstreue, sie warteten auch mit Informationen auf, die darauf hindeuteten, daß Oppenheimer keineswegs blind gegen die sowjetische Gefahr gewesen war, sondern sie mindestens ebenso früh erkannt hatte wie Lewis Strauss oder irgendeiner der Kommunistenfresser Im Senat. Der brillante Kerntheoretiker Hans Bethe berichtete, daß Oppenheimer schon im Juni 1946 bei dem Streit um die internationale Atomkontrolle vor den Vereinten Nationen eine bemerkenswerte Klarheit über die russischen Absichten gewonnen hatte.
»Woher wissen Sie das, Dr. Bethe?«, fragte der Ankläger Robb.
»Ich habe es im Januar 1947 erfahren... Oppenheimer erzählte mir, er habe jede Hoffnung aufgegeben, daß die Russen einem Kontrollplan zustimmen würden, der uns Sicherheit geben könnte... Er wies besonders darauf hin, wie sehr der russische Vorschlag darauf angelegt war..., uns der einzigen Waffe zu berauben, die sie daran hindern konnte, in Westeuropa einzufallen...
Der ehemalige Atomkommissions-Vorsitzende Lilienthal sagte unter Eid, daß Oppenheimer bei der Arbeit am Baruch-Kontrollplan stärkstes Mißtrauen gegen die Russen offenbart hatte. Er habe am nachdrücklichsten darauf beharrt, daß sogar »periodische Inspektionen der (russischen) Atomfabriken den USA keinen Schutz bieten würden«. Die strikten Kontrollforderungen des Baruch-Plans seien zum großen Teil von Oppenheimer entworfen worden.
Ankläger Robb versuchte, diese Aussagen zu entkräften: Ob Oppenheimer seine anti-sowjetischen Warnungen nicht nur »simuliert« habe, um seine pro-sowietischen Umtriebe zu verschleiern? Die Zeugen blieben fest. Sie hielten es für ganz ausgeschlossen,
Acht Tage nach Beginn des Verfahrens schienen die Motive, die Oppenheimer zum Widerstand gegen die Wasserstoffbombe getrieben hatten, unklarer denn je. Wenn er weder ein Verräter noch politisch blind war - welche Erwägungen konnten ihn dann beeinflußt haben? Daß seine Haltung ausschließlich von moralischen Skrupeln bestimmt war, hatte er selbst geleugnet, ohne jedoch eine bessere Erklärung zu geben.
Dann aber, am 20. April, trat ein Zeuge auf, dessen Aussage die Schleier vor dem Rätsel Oppenheimer zerriß. Er entpuppte sich als der große Unbekannte, als der dritte Mann In dem Anti-Höllenbomben-Komplott Oppenheimers und Lilienthals.
Es war ein Diplomat, dessen politisches Wissen und Handeln gerade im Hinblick auf die Sowjet-Union über dem Zweifel stand. Es war George F. Kenman, der mysteriöse »Mr. X«, der 1947 weltweites Aufsehen erregt hatte, als er in der offiziösen Zeitschrift »Foreign Affairs« als erster die Gefahren des sowjetischen Expansionsdranges in aller Schärfe angeprangert hatte.
Kermans Aussage erst machte verständlich, weshalb sich Oppenheimer seit dem Massaker von Hiroshima gegen das HBomben-Projekt gesträubt hatte. So sind alle bisherigen Darstellungen des Falles Oppenheimer schief und widersprüchlich, weil in ihnen die Bedeutung der Rolle, die Kerman spielte, entweder verkannt oder unterdrückt worden ist. Die beiden Washingtoner »Time« - Korrespondenten Shepley und Blair begnügen sich in ihrem Buch »Die Wasserstoffbombe« mit der flüchtigen Erwähnung von Kermans Namen in der Zeugenliste; zweifellos hätten Kermans Argumente den lückenlosen Anti-Oppenheimer-Trend des Buches erheblich gestört. Robert Jungk nennt in seinem deutschen Bestseller »Heller als tausend Sonnen"* Kerman überhaupt nicht.
George Frost Kerman, der beste Rußlandkenner im Dienst der Vereinigten Staaten, war einer der Freunde, die Robert Oppenheimer nach dem Krieg in Washington gewann. Die beiden Männer lernten sich 1946 kennen und empfanden vom ersten Augenblick an intellektuelle Hochachtung und persönliche Sympathie füreinander. Ihre Beziehungen vertieften sich in der folgenden Zeit, und als Kerman 1952 von seiner kurzen Mission als US-Botschafter in Moskau zurückkehrte und unter der Eisenhower - Regierung keine Verwendung mehr fand, kam er als politischhistorischer Spezialist in Oppenheimers »Institut für Fortgeschrittene Studien« an der Universität Princeton, in dem damals auch Einstein residierte.
Seit Kerman im Winter 1946/47 seine erste Warnung vor einer sowjetischen Expansionspolitik in einem vertraulichen Bericht an den damaligen Marineminister Forrestal ausgesprochen hatte, machten er und Oppenheimer sich Sorgen über die nach ihrer Ansicht gefährlich unzureichende und unangepaßte Strategie der Vereinigten Staaten. So fest Kerman überzeugt war, daß die Sowjets durch begrenzte politisch-militärische Vorstöße an ihrer langen Front versuchen könnten, ihren Machtbereich zu erweitern, so wenig glaubte er, daß sie einen großen Krieg um Leben und Tod gegen Amerika entfesseln würden.
In dem blinden Verlaß auf ihr Atom-Monopol jedoch war die amerikanische Regierung nur für den zweiten Fall gerüstet: für einen Großangriff der Sowjet-Union auf den Westen, ein Ereignis, das Kerman nach zwanzigjährigem Studium der russischkommunistischen Mentalität für kaum
denkbar hielt. Hingegen hatte sich Amerika in den Augen des Rußlandexperten durch die überstürzte Demobilisierung, seiner Armee selbst der Fähigkeit beraubt, einer viel wahrscheinlicheren Gefahr zu begegnen: der Drohung lokal begrenzter Aggressionen entlang der sowjetischen Peripherie. Gerade die Wehrlosigkeit der USA im konventionellen Bereich aber mußte den russischen Hang zu örtlichen Eroberungen noch ermutigen.
Eben weil George Kerman und mit ihm Oppenheimer schon 1947 die »Buschkriege« à la Korea und Indochina kommen sahen, bedrängte der Tanz um den Fetisch der Atomwaffen, wie er in Washington zelebriert wurde, ihr Gewissen immer heftiger. Denn in ihrer Sicht beschwor er ein furchtbares Risiko herauf: Entweder nämlich wurde sich das konventionell abgerüstete Amerika in örtlichen Konflikten vor der mächtigen Roten Armee kampflos geschlagen geben müssen, oder es mußte mit dem großen Atom-Knüppel dazwischenhauen, auch wenn die Sowjets nur mit dem herkömmlichen Pulver schossen.
Je mehr sich die Spannungen des Kalten Krieges verschärften, desto schlimmer wurden Kerman, Oppenheimer und dessen Wissenschaftler vom Gespenst des »unzureichenden Grundes« heimgesucht. Sie fürchteten, daß Amerika sich in seiner Atombomben-Wundergläubigkeit in ein Dilemma manövriere, in dem es dazu getrieben werden könnte, wegen eines lokalen, begrenzten und relativ harmlosen Konflikts mit der Sowjet-Union eine Atom-Katastrophe auszulösen, die Millionen Russen, Europäern und Asiaten den Tod brächte und mithin in keinem berechtigten Verhältnis zum Anlaß stand.
So war das Denken Kermans, Oppenheimers und Lilienthals schon vor der Explosion, der ersten sowjetischen Atombombe im August 1949 von einem Argwohn des Gewissens beherrscht, der sich sowohl gegen die Sowjets als auch gegen die Politik ihrer eigenen Regierung richtete. Sie mißtrauten dem von keinerlei moralischen Skrupeln belasteten Expansionsstreben der Kreml-Herren. Sie mißtrauten aber auch dem Verantwortungsgefühl ihrer eigenen Führung.
Als die Nachricht von der Explosion der ersten sowjetischen Atombombe im Sommer 1949 Washington erschütterte, herrschte in der amerikanischen Verteidigungsplanung das »Billiger-und-besser«-Prinzip der Atomrüstung unangefochtener denn je. Harry Truman hatte 1948 seinen überraschenden Wahlsieg mit dem Versprechen an das Volk gewonnen, daß er den Militär-Etat noch stärker kürzen werde, um Mittel für die soziale Wohlfahrt und die Subventionierung der Landwirtschaft freizubekommen. Und der neuernannte Verteidigungsminister Louis Johnson war gerade im Begriff, »das überflüssige Fett' der Streitkräfte abzusäbeln - »ohne die Muskeln zu beschädigen«, wie er der bekümmerten Generalität versprach. Er tat es im biederen Vertrauen auf die abschreckende Macht des amerikanischen Atom-Monopols.
Die amerikanische Atombombe, die allein das mächtige Sowjetheer in Schach halten sollte, wurde durch Stalins Atombombe »Joe 1« mit einem Schlage,neutralisiert. Das prekäre Gleichgewicht Sowjetheer-US-Bombe brach zusammen, die gesamte Planung der amerikanischen Strategie hing plötzlich in der Luft. Um die Kräfte-Balance wiederherzustellen, schien es nur die eine realistische Möglichkeit zu geben, die Kerman und Oppenheimer schon vorher vertreten hatten: Wiederaufrüstung der Armee, um die immer noch möglichen begrenzten Sowjetvorstöße zurückschlagen zu können, ohne einen Atomkrieg zu riskieren.
Aber der Atomkommissar Strauss war auf einen anderen Ausweg aus dem Dilemma verfallen: Der vertausendfachte Schrecken, den Tellers »Superbomben«-Pläne verhießen, sollte nun die doppelte Drohung von Sowjetheer und Sowjetbombe bannen. Für George Kerman und Robert Oppenheimer war Straussens Idee eine Flucht in den offenen Wahnsinn.
Kerman war damals Chef des Planungsstabes im Außenministerium, der die Grundzüge der amerikanischen Weltpolitik zu entwerfen hatte. Sobald Straussens Memorandum mit der Forderung, die HBombe unverzüglich zu bauen, bekanntgeworden war, gingen Kerman und Oppenheimer zu Außenminister Dean Acheson.
Oppenheimer schien von Anfang an wenig Zweifel an der technischen Realisierbarkeit von Tellers Plänen zu hegen, denn schon in dieser ersten improvisierten Beratung verlangte er zusammen mit Kerman, »daß unsere Regierung ihre Position im Hinblick auf die internationale Kontrolle der Atomenergie neu überprüfen muß, um sicher zu sein, daß von anderer Seite alles getan worden ist, um eine internationale Einigung über diese Waffen zu erzielen, bevor wir an dieses Wasserstoffbomben-Programm herangehen«. Das war in der zweiten Oktoberwoche 1949, drei Wochen bevor Oppenheimers Beratungsausschuß sein Urteil über die Höllenbombe fällen sollte.
Kurz darauf verschwand Oppenheimer für einige Tage in seinem Institut an der Princeton-Universität. Dort besuchte ihn George Kerman. Er fand »einen Mann, der tief beunruhigt war von dem tragischen Ernst dieser Entscheidung, dem klar war, daß man unmöglich vorhersehen konnte, wo wir enden würden, wenn dieses Rennen der Massenvernichtungswaffen unbegrenzt weiterging..."Kerman teilte das Gefühl. Gemeinsam suchten die beiden Männer nach der »klarsten und vernünftigsten Entscheidung, die getroffen werden konnte«.
Kerman sagte über seine Haltung später aus: »Es schien mir, daß in den Räten unserer Regierung Unklarheit hinsichtlich der Gründe herrschte, warum wir diese sogenannten ABC-Waffen überhaupt entwickelten und in Bereitschaft hielten*. Die Unklarheit drehte sich um folgende Frage: Hielten wir sie nur deshalb, um andere Leute davon abzuschrecken, solche Waffen gegen uns einzusetzen und um einen mit solchen Waffen gegen uns gerichteten Angriff vergelten zu können, oder bauten wir sie in unsere Militärmacht in einer solchen Weise ein, daß... wir uns in einem zukünftigen Krieg auf sie verlassen müßten und sie einsetzen müßten ohne Rücksicht darauf, ob sie zuerst gegen uns angewandt würden oder nicht.«
Bei seinem Verhör im Oppenheimer-Verfahren am 20. April 1954 wurde Kerman daraufhin gefragt: »Hat unsere Regierung nicht den Standpunkt eingenommen, daß sie (diese Waffen) nur zum Zwecke der Vergeltung eines Angriffs (mit gleichen Waffen) benutzen werde?«
Kerman: »Das ist nicht mein Eindruck... und es war auch damals nicht mein Eindruck, daß in der Regierung der Vereinigten Staaten ein solcher Beschluß bestand. Überdies (lagen mir damals) Äußerungen unserer hohen Militärs (aus dem US-Stab) und dem NATO-Rat in Europa vor, die sehr stark darauf hindeuteten, daß wir uns in eine Lage brachten, in der wir diese Waffen an der Front würden einsetzen müssen - ganz gleich, ob sie gegen uns angewandt würden oder nicht.«
Kerman und Oppenheimer waren in Princeton überzeugt, daß die konventionell abgerüsteten Vereinigten Staaten bei jedem der zu erwartenden Lokalkonflikte eher noch als bei Hiroshima der Versuchung erliegen würden, Atomwaffen einzusetzen, um die unbemannten Fronten zu halten. Und die Fronten zerfielen bereits in diesem Sommer 1949. Die Nervosität in der amerikanischen Öffentlichkeit wuchs: 460 Millionen Chinesen waren bis auf einen geringen Rest - unter kommunistische Oberherrschaft gefallen, und bei der Berliner Blockade war ein Krieg in Europa mit knapper Not vermieden worden.
In beiden Fällen hatten die Amerikaner das völlige Versagen ihrer allein auf Atombomben gestützten Politik eben noch hingenommen. Kerman und Oppenheimer sahen die Gefahr, daß ihre Landsleute bei dem nächsten Zwischenfall »zu irrationalen und verfehlten Ideen Zuflucht nehmen« könnten.
Solange Amerika das Atombomben-Monopol besaß, war den beiden Männern dieses Risiko noch überschaubar erschienen. Nun aber erfüllte sie die Furcht, daß die Verantwortlichen ihres Landes aus dem entnervenden Dilemma, in das sie durch
»Joe 1« gestürzt worden waren, bei der
Wasserstoffbombe »Zuflucht nehmen« würden.
Kerman und Oppenheimer waren sich in Princeton darüber klar, daß diese menschheitsgefährdende Waffe kein Mittel der Politik und Strategie mehr sein konnte; daß man sie - wenn überhauptnur bauen durfte, wenn man von vornherein fest entschlossen war, alles, aber auch alles zu tun, um zu verhindern, daß sie jemals eingesetzt wird. Dafür aber sahen der Diplomat und der Atomwissenschaftler keine Gewähr.
Fortsetzung folgt.
* Robert Jungk: »Heller als tausend Sonnen«,
Scherz & Goverts Verlag, Stuttgart; 1956; 368 Seiten; 16,80 Mark.
* ABC-Waffen: Atomwaffen, bakteriologische und chemische Kampfmittel.
Atomforscher Oppenheimer: »Der Magen rebellierte«
Wasserstoffbomben-Bauer Teller
Zwei Fragen an den Wahrsager
Wasserstoffbomben-Explosion im Pazifik (1. November 1952): Eine Insel wurde pulverisiert
Rußland-Experte Kerman: Greift Moskau an?