Zur Ausgabe
Artikel 38 / 63

ÖSTERREICH Unechter Franzose

Das Dorf Ardagger in Niederösterreich hat sich das umfassendste »Wehrmachtsmuseum« der Welt zugelegt.
aus DER SPIEGEL 23/1979

Vor der Eröffnung am 28. April 1979 gab es postalische »Heil-Hitler«-Grüße von ultrarechts und Bombendrohungen von ultralinks. »Dabei ist unser Wehrmachtsmuseum auf reinem Idealismus aufgebaut«, behauptet Karl Amon, niederösterreichischer Landtagsabgeordneter und Bürgermeister von Ardagger.

Die 2700 Einwohner kleine Donau-Gemeinde Ardagger hart an der Westgrenze Niederösterreichs wurde in der Vergangenheit öfter vom Hochwasser als von Touristen heimgesucht. »Das Leben«, so der offizielle Fremdenverkehrsprospekt, »verläuft hier sozusagen naturbelassen.«

Selbst Hitlers Endkampf 1945 ging an Ardagger fast spurlos vorüber. Am 6. Mai schossen die Amerikaner ein wenig vom Nordufer der Donau herüber. Zurückflutende deutsche Soldaten, Teile der Heeresgruppe Süd, warfen ihr restliches Kriegsgerät weg, legten gleich die Uniformen dazu und machten sich aus dem Staub.

»Bei uns lag das Militärzeug jahrelang herum«, erinnert sich Bürgermeister Amon. »Jeder Nazi-Nostalgiker hätt« daran seine helle Freud« gehabt.«

Die das Zeug letztlich zusammensammelten, waren keine alten Kämpfer, sondern junge Nutznießer der neuen Freizeitgesellschaft: der heute 32jährige kaufmännische Angestellte Harald Werner und der heute 34jährige Tankstellenwart Heinz Gruber. Werner: »Der moderne Mensch will nach der Arbeit ein Hobby.«

Werner begann schon »um die 15« mit dem Waffensammeln, ob Schrotgewehr oder Flakpatrone. Gruber hatte es mit Motoren. Inspirierender Erstlingsfund: ein Militärkrad Puch S 4. Als beider Schlafzimmer bereits mit Beutestücken aus dem Tausendjährigen Reich vollgerammelt waren, kam ihnen die Idee, ein eigenes Wehrmachtsmuseum zu gründen.

Die provisorische Unterbringung der NS-Reliquien im ehemaligen Getreidespeicher des Stiftes erwies sich als unbefriedigend: Das Stift hatte laut Bürgermeister »nur ein primitives Klo und überhaupt keinen Wein-Ausschank«.

Jetzt aber fehlt es diesbezüglich an nichts mehr. Schreiber Max Damböck, nebenberuflich Fremdenverkehrsreferent, und zwei weitere unternehmende Bürger bauten für 200 000 Mark eine

* Unten: MG-Nest mit den Museumsförderern Damböck und Gruber.

1000 Quadratmeter große Fertigteilhalle, die mitten im Freizeitgelände au der Donau steht, flankiert von Bootsverleih und Fischbraterei. Der Wein geht niemals aus.

Bürgermeister Amon stellte sich an die Spitze eines fördernden »Vereins für europäische Heereskunde mit Wehrmachtsmuseum 1914-1945«.

Die Kollektion besteht in Wahrheit zu gut drei Vierteln aus Souvenirs der Hitler-Zeit. Werner bedauernd: »Alles andere ist halt entsetzlich teuer. Eine ungarische Honved-Uniform von 1914 beispielsweise kommt auf 700 Mark.«

Dafür wird auf dem Hauptgebiet durchaus Beachtliches geboten. Zwischen Hitler-Photos, Nazi-Fahnen. SS-Aufrufen, Reichsfettkarten, Durchhalte-Appellen, NS-Orden, Maschinengewehren und Panzerfäusten stehen da angeblich echte Unikate -- etwa ein dreiachsiger Schützenpanzer von Krupp, Baujahr 1941. Die Uniformen von Heer und Waffen-SS sind ihren Trägern -- blondlockigen Schaufenster-Puppen, Typ Herrenmenschen aus den späten 30er Jahren -- passend auf den nordischen Leib geschneidert.

Anfängliche Schwierigkeiten mit den Behörden sind längst ausgeräumt. Wiens Verteidigungsminister Otto Rösch gab sein Plazet ("Lebendiger Geschichtsunterricht"), die Staatspolizei fand keinen Grund einzuschreiten, eine Anzeige der österreichischen Widerstandsbewegung ruht bei den Akten.

Sogar potente internationale Gönner unterstützen das »NS-Memorial« (so das Wochenmagazin »Profil"). Der deutsche Bundesgrenzschutz etwa lieferte einen fahrbereiten VW-Kübelwagen zum Vorzugspreis von 5000 Mark. Derzeit haben Werner, Gruber und Co. eigentlich nur eine Sorge: wie sie den schließlich siegreichen Gegnern Hitlers einigermaßen gerecht werden sollen.

Vorgesehen sind vier korrekt gekleidete alliierte Offiziere. »Der Franzose ist noch unecht«, klagt Werner. »Er trägt ein Generalskäppi zur Gefreiten-Uniform.«

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 38 / 63
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren