UNGARISCHE TRAGÖDIE
In der Anlage übersende ich Ihnen den Leitartikel der »Rheinischen Post«, Zeitung für christliche Kultur und Politik in Düsseldorf, vom 24. November 1956. Da heißt es unter anderem:
...Die Ungarn wurden sich selbst und damit erneut dem System überlassen, gegen das sie sich so leidenschaftlich erhoben hatten. Abgesehen von den Maßnahmen des Roten Kreuzes hatte der Westen nur Worte für sie. Gut gemeinte Worte zuerst, später aber auch böse Worte. Das Böseste stand in einer wenn auch nicht angesehenen, so doch sehr verbreiteten Wochenschrift zu lesen, die zu dem Eingreifen der Sowjets In Ungarn meinte: »Eine Weltmacht in derart prekärer Situation kann es nicht zulassen, daß ihre Truppen über Nacht ultimativ zum Lande hinausgewiesen werden"*, und dieses Vorgehen damit praktisch rechtfertigte ...
Ein Kommentar erübrigt sich wohl.
Idar-Oberstein ERNST BUCH
Amtsgerichtsrat
Ihre Mindszenty-Diagnose fand ich unter dem Datum vom 1. Dezember 1956 in der Londoner Wochenzeitschrift »The New Statesman and Nation« gewürdigt. Dort war zu lesen:
Nach Berichten, die in der »New York Herald Tribune« und in dem gut Informierten Deutschen Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL erschienen sind, suchte unter Führung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Zoltán Tildy eine Delegation von vier Regierungsmitgliedern den Kardinal Mindszenty auf und bat um seine Hilfe bei der Bildung eines übergangsregimes. Der Kardinal lehnte ab und ermutigte dadurch, wie der SPIEGEL meint, diejenigen, die eine Kardinalspartei gründen wollten. Nach der gleichen Quelle führte diese Entscheidung Kardinal Mindszentys die vollkommene Isolierung der Nagy -Tildy-Regierung herbei und ließ deren Sturz unvermeidlich werden.
Wie schon so oft war es auch in diesem Falle für mich als SPIEGEL-Leser eine Freude, feststellen zu können, wie Sie auch im Auslande beachtet und ernst genommen werden.
Frankfurt DR. ALFRED TIETZ
* SPIEGEL 46/1956, Jens Daniel: Die ungarische Tragödie.