»UNGEHEURES ÖDLAND«
Mit zunehmender Pressekonzentration verringert sich die Freiheit in der Gesellschaft. Was aber nützt die Freiheit der Presse gegenüber dem Staat und damit die äußere Pressefreiheit, wenn die innere Pressefreiheit verlorengeht? Nicht nur der Staat, sondern auch privates Eigentum und private Macht können die Freiheit der Presse gefährden, einschränken und im Extremfall aufheben.
Kann nun ein Verleger-Fernsehen diese Gefahren mindern? Sicherlich würde es die wirtschaftlichen Gefahren für andere Zeitungen nicht verringern. Insofern ist Axel Springer zuzustimmen, der die Meinung vertreten hat, der Konzentrationsprozeß in der Presse würde durch ein Verleger-Fernsehen nicht aufgehalten. Es ist im Gegenteil damit zu rechnen, daß das Tempo dieses Prozesses zunimmt, da sich die Fernsehwerbung -- in einem ausschließlich durch Werbung finanzierten Fernsehen --
auf Kosten der Anzeigen in den Zeitungen noch stärker ausbreiten würde.
Auch den Journalisten böten sich keine größeren Auswahlmöglichkeiten unter verschiedenen, voneinander unabhängigen Arbeitgebern; die Chancen für einen Stellenwechsel würden sich wahrscheinlich eher noch verringern. Ein Wechsel von der Presse zu Rundfunk und Fernsehen ist nicht so einfach wie innerhalb der Presse selbst.
Ein Verleger-Fernsehen birgt selbst dann staatspolitische Gefahren, wenn es neben unabhängigen Rundfunk- und Fernsehanstalten besteht. Denn je mehr sich das Werbefernsehen beim Publikum durchsetzt, um so geringer wird das Gegengewicht des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gegenüber den Einflüssen einer -- mehr oder minder konzentrierten -- Presse sein.
Die kulturpolitischen Gefahren sind kaum zu überschätzen. Wer das Fernsehen in den Vereinigten Staaten oder in anderen Ländern kennt, weiß, daß das kommerzielle Fernsehen die kulturellen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann und wird, die heute noch in der Bundesrepublik von Rundfunk und Fernsehen der öffentlich-rechtlichen Anstalten übernommen werden. Der Vorsitzende der amerikanischen »Federal Communications Commission«, N. N. Minow, bezeichnete im Jahre 1961 das amerikanische Fernsehen, das ein rein kommerzielles Fernsehen ist, als »ungeheures Ödland«.
Es finden sich »sponsors« für »Krimis«, Freistilringen und ähnliches, aber nicht für Oper oder Schauspiel. Für die Werbung sind solche Sendungen uninteressant. Um es mit den Worten eines Direktors der englischen »Southern Television« zu sagen: Opernaufführungen sind unwirtschaftlich, weil sie keinen Werbeerfolg bringen. Ein kommerzielles Fernsehen richtet sich nach dem Werbeeffekt, wenn der Gewinn maximiert werden soll. Wettbewerb kann Leistungs -- Wettbewerb sein, aber nicht jeder Wettbewerb ist Leistungs -- Wettbewerb. Wenn die Anwärter bei dem Erwerb des Führerscheins ihren Prüfer frei wählen können, werden sie sich in der Regel für den entscheiden, der am leichtesten prüft. Die Verkehrssicherheit wird durch diese Art des Wettbewerbs sicher nicht erhöht. Auch bei Zeitungen und beim Fernsehen führt der Wettbewerb zu einer negativen Auslese, wenn politische Leitartikel durch Sensationsmeldungen oder kulturell wertvolle Sendungen durch Kriminalfilme verdrängt werden.
Eine solche Entwicklung ist in England im Wettbewerb zwischen den Fernsehgesellschaften BBC und ITV zu beobachten gewesen. BBC verlor den größten Teil ihrer Zuschauer an ITV, deren Sendungen stärker auf »Sensationen« abgestellt waren. Um die Abwanderung der noch verbliebenen Zuschauer zu verhindern, mußte die BBC ihre Programme qualitativ verschlechtern und denen der ITV anpassen. Dieses Beispiel illustriert, daß wirtschaftlicher Wettbewerb kein Mittel ist, kulturelle oder politische Aufgaben zu lösen.
Somit ergibt sich: Mit Hilfe des Verleger-Fernsehens kann die Pressekonzentration nicht aufgehalten werden. Ebensowenig ist von ihm eine Verbesserung der politischen Information oder eine Hebung des kulturellen Niveaus zu erwarten. Das Gegenteil wird der Fall sein. Vielleicht ist das Verleger-Fernsehen ein Weg zu größerer Macht, aber es ist kein Weg, um die durch die Konzentration gegebenen Gefahren zu beseitigen.