WAHLEN Ungültiger Ulk
Wer die Kasse der SPD verwaltet, verliert schnell den Spaß an der Politik. Das geht auch Hans Matthöfer so; der verwaltet neben der Schatzmeisterei noch ein Amt, das ihm bisweilen etwas Humor abverlangt.
Der Ex-Finanzminister gehört dem Bundeswahlausschuß an, einem Gremium der Bonner Parlamentsparteien, das vor jeder Bundestagswahl zu entscheiden hat, welchen anderen Parteien die Kandidatur gestattet wird. Und diesmal hatte sich eine Gruppierung beworben, die den sonderbaren Namen »UngüLtiG« trägt und »weder über Einnahmen noch über Mitgliedsbeiträge« (Matthöfer) verfügt. Auf die Frage, wie er den Wahlkampf finanzieren wolle, antwortete der Vorsitzende der neuen Partei unbekümmert: »Mit Flugblättern und Mundpropaganda.«
Das war den Vertretern der Altparteien offenbar nicht seriös genug. Ohne Gegenstimme entschieden sie Ende November, die finanzschwache Gruppe von der Januarwahl auszuschließen, weil sie »keine Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer Zielsetzung« biete. An der Ernsthaftigkeit anderer Splitterparteien, der »Cosmopolitano-Sozialen Aktion« oder der »Mündigen Bürger«, hegten die etablierten Parteien keinen Zweifel. Bei UngüLtiG hingegen hatte schon der Bundeswahlleiter geargwöhnt, deren Statuten seien geeignet, eine »Parteisatzung ins Lächerliche« zu ziehen.
Der Eindruck ist gewollt, das beginnt beim Namen. UngüLtiG steht für »Union nicht genug überdachten Lächelns trotz innerer Genialität« - eine Bezeichnung, die Parteigründer Hans Arold, 23, Student in Frankfurt, für »genauso ehrlich« hält »wie das Etikett Christlich-Demokratische Union«.
Die genialen Lächler mit inzwischen rund 600 Mitgliedern waren zunächst mit einer Satzung angetreten, in der die Parteigliederungen noch »Banden«, Gangs« und »Sauhaufen« hießen. Nach Intervention des Bundeswahlleiters zeigte sich der Parteivorsitzende Arold kompromißbereit, nannte sich selber »Chef« und seinen Pressesprecher »Großer Bruder«. Weil aber in den Statuten noch mehr Ungewöhnliches steht, etwa die Pflicht eines Parteitages zur sofortigen Veranstaltung von »Abschlußfestivitäten«, rügte der Bundeswahlleiter die »scherzhafte Natur« der Partei.
Die schriftlichen »Bedenken« des Bundeswahlleiters »an der Ernsthaftigkeit Ihrer Vereinigung« stießen bei den UngüLtiGen auf Protest. Es sei »eine ernst zu nehmende Entwicklung«, daß sich »immer weniger Bürger durch Parteien vertreten fühlen«. Diese Entwicklung gelte es zu bekämpfen, indem nicht länger »der unfreiwillige Humor« der Altparteien »anstelle des gewollten tritt«. Hinter den »scheinbar scherzhaften« Äußerungen von UngüLtiG verberge sich ein »ernsthaftes Ziel«.
Die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten erläuterten die Wahl-Bewerber am Beispiel Franz Josef Strauß. Wenn der bayrische Ministerpräsident verkünde, er wolle »Ananas in Alaska« züchten, würde der »Liebe Bundeswahlleiter« doch nicht gleich an der »ernsthaften Natur« des politischen Engagements des CSU-Vorsitzenden »zweifeln wollen«. Grußadresse: »Alles klar?«
Bei der Kommunalwahl im März 1985 in Frankfurt war dies 737 Wählern klar. Sie stimmten für UngüLtiG, laut Eigenwerbung »endlich eine Partei für alle Nichtwähler, die sich ärgern«. Mit »0,2 Prozent aller Stimmen« war die ULk-Liste, wie sie stolz verkündete, stärker als die FDP-Abspaltung Liberale Demokraten. Inzwischen verfügt sie über drei Landesverbände und einen Ableger in Österreich.
Weil die Gruppe der Nichtwähler stets groß ist und bereits bei einem 0,5-Prozent-Stimmenanteil Wahlkampfkostenerstattung - fünf Mark pro Wähler - fällig wird, fiel den Bonner Parteien die Nichtzulassung der UngüLtiG leicht. »Wir sind«, resümiert der Parteivorsitzende Arold, »wegen Humorlosigkeit und mangelnden Geldes« von der Wahl ausgeschlossen worden.
Aber der Parteigründer und seine Bundesvorstandskollegen Michaela Weidemann und Thomas Bagatsch haben sich schon wieder etwas einfallen lassen. Sie wollen die Wahl im nachhinein anfechten.