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Moritz Pfeil UNHEILBAR GESUND?

aus DER SPIEGEL 14/1964

Der Bundestagsabgeordnete Kalbitzer hat ihn in einem »Offenen Brief« als »korrupt« vermutet; die Illustrierte »Revue« sah ihn in dem Verdacht, »korrupt zu sein oder in die eigene Tasche zu wirtschaften«; die »Zeit« schrieb über ihn: »er nahm das Geld ohne Gegenleistung«; das »Hamburger Echo« rätselte über den Ursprung seines »auf elf Millionen Mark geschätzten Vermögens«.

Die »Welt« munkelte von »einigen Grundstücksgeschäften«; der SPIEGEL nannte ihn einen »der Korruption schuldigen Minister«, der während seiner Ministerzeit »Geld angenommen hatte, das ihm nicht gehörte«. Im SPIEGEL stand, daß der von ihm zum Millionär promovierte »Onkel Aloys« sich gerühmt habe, »dem Mariandl ein Grundstück an der Riviera« zu besorgen.

Im »Stern« stand zu lesen, wie Spezi

»Onkel Aloys« Brandenstein »mit einer halben Million in nagelneuen Fünfzigmarkscheinen« umherfuhr. Der Fahrer des Onkel Aloys: »Ich habe Brandenstein oft - mit oder ohne Gattin - auf den Venusberg zum Haus des Ministers gefahren. Ich mußte jedesmal fünfzig bis hundert Meter vor der Villa den Wagen anhalten. Dr. Brandenstein hatte immer einen Koffer oder eine große Aktentasche bei sich, die ich ihm für einen Moment beim Aussteigen aus der Hand nahm. Wenn Brandenstein eine oder zwei Stunden später rauskam, war der Koffer leer.«

Johannes Kapfinger hat von ihm behauptet, die Fibag-Gewinne halbe halbe mit ihm teilen zu müssen. MdB Kalbitzer warf ihm öffentlich vor, er habe »offenbar dem Rüstungs-Lobbyisten Onkel Aloys ganz außerordentlich hohe Rüstungsaufträge zugeschoben oder zuschieben lassen«. Unwidersprochen werde in der Öffentlichkeit behauptet, er habe ein Vermögen erworben, »wie es ein Politiker seit 1945 nicht auf normalem Wege erlangen konnte«.

Man begreift ein wenig, daß der so bedachte Kämpe alle jene außer Landes wünscht, »denen es bei uns hier nicht paßt«. Man begreift um ein weniges weniger, warum er auf dem christlichen Parteitag in Hannover als »erfolgreicher Wahlkämpfer« gefeiert und beifälliger begrüßt wurde als andere Kampfgenossen. Hindert der Ruch der Korruption einen früheren Rüstungsminister und Oberbefehlshaber so wenig, daß man nur mit ihm als Rammbock eine Mehrheit erstreiten zu können glaubt, die ausreicht, »unser christliches Leitbild« durchzusetzen? Ein Leitbild, durch dessen weitmaschige Raster unser Mann als Finanzminister oder gar Vizekanzler ins Kabinett schlüpfen könnte?

Unser Mann hält nicht mehr viel vom politischen Ehrenschutz, den auch nur noch anzutippen seine christlichen Genossen mit ihm als Galionsfigur nicht mehr wagen können. Er stellt keine Strafanträge mehr, seit ihm die finanzielle Integrität bestritten wird. Einen einzigen der Art hat er gestellt, gegen Braun, Schloß und Augstein in Sachen Fibag, den die Staatsanwaltschaft München bearbeitete - er hat ihn einseitig, zurückgenommen, er will kein »Prozeßhansl« mehr sein.

Freilich, verzichtet er denn aufs Prozessieren? Nicht so ganz. Wenn er einen

mühelosen Sieg wittert, der sich in ein Sauberkeitszertifikat ummünzen ließe, vertraut er sein Schiff sehr wohl noch den Justizpersonen an. Da stand am 1. Oktober 1963 in der »Hessischen Allgemeinen«, Sitz Kassel, Auflage 120 000, folgendes »Eingesandt":

Einsender war der 55 Jahre alte Ingenieur Paul Dennerlein, Vorstand einer Maschinenfabrik. Unser Mann stellte Strafantrag gegen den Einsender und gegen den für die Veröffentlichung verantwortlichen Redakteur.

Staatsanwalt Dr. Tippelt vernahm den Einsender und schlug ihm eine »Wollte ihn nicht beleidigen«-Erklärung vor. Dennerlein lehnte ab. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 1964 reichte er die eingangs zitierten Presseveröffentlichungen ein und etliche mehr (so die »Frankfurter Allgemeine": »... wesentlichen Unterschied zwischen Deutschland und dem Balkan aus dem Auge verloren ...").

Dennerleins Resümee an Staatsanwalt Tippelt: »Die Zusammenstellung dieser Pressestimmen muß jedem unbefangenen Leser das Bild einer Persönlichkeit vermitteln, die keinesfalls geeignet ist, eine führende Rolle im öffentlichen Leben eines Volkes zu spielen, das Wert auf Sauberkeit und Ordnung legt.«

Am 25. Februar 1964 lehnte der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Kassel es ab, die öffentliche Klage zugunsten des Mannes zu erheben, den man, jedenfalls was den Staatsanwalt anlangt, »in der Öffentlichkeit ungestraft als durch und durch korrupt bezeichnen darf«.

Telephonische Auskunft Tippelts an Dennerlein: Der Tenor der Begründung liege auf der Tatsache, daß noch viel schwerwiegendere, in der Öffentlichkeit gegen Strauß erhobene Vorwürfe ungeklärt im Raume stünden. Die von Dennerlein erhobenen Vorwürfe seien im Vergleich dazu so geringfügig, daß sie für ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung nicht ausreichten.

Schriftliche Begründung zu Händen des Strafantragstellers: »Diese Äußerungen sind im Vergleich zu den Angriffen, welchen der frühere Bundesminister Franz Josef Strauß in zahlreichen anderen Presseveröffentlichungen ausgesetzt war, nur unsubstantiierte und von offenbar geringer eigener Kenntnis der Gesamtmaterie getragene Schimpfereien einer für das öffentliche Leben wenig bedeutsamen Persönlichkeit.«

Der Strafantragsteller, Vorsitzender einer im Bundestag mit 50 Mandaten vertretenen Partei, wurde auf den Weg der Privatklage verwiesen.

Moritz Pfeil
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