UMWELTMINISTERIUM Unheimlicher Spaß
Der Inhaber eines Kalksandsteinwerks in Niedersachsen, ein Oberstudienrat aus Hessen und ein akademischer Mitarbeiter des milchwissenschaftlichen Instituts an der TU München sollen der Christenunion den Anschluß an die Zukunft sichern.
Der CDU-Abgeordnete Hans Hubrig. sein Parteikollege Christian Lenzer und CSU-MdB Albert Probst sind von ihrer Fraktionsführung ausersehen das Modell eines »Ministeriums für Umwelt und Technologie« zu entwickeln, mit dem die Christdemokraten im Bundestagswahlkampf 1973 gegen Wissenschaftsminister Hans Leussink antreten und um fortschrittliche Wähler werben wollen.
In den nächsten Wochen wollen die drei Amateur-Technologen dem Fraktionschef Rainer Barzel und dem CSU-Obmann Richard Stücklen erste Modellvorschläge für ein neues Ressort präsentieren. Wichtigste Empfehlung Der bislang für Technologie zuständige Bundesminister für Bildung und Wissenschaft -- derzeit Leussink -- soll drei der insgesamt fünf Abteilungen »deines Hauses für das neue Ministerium opfern und sich dann nur noch um die Bildung kümmern.
Auch vom Innenministerium derzeit von dem Freidemokraten Hans-Dietrich Genscher geleitet -- verlangen die CDU/CSU-Planer Kompetenz-Verzicht. Das Ressort soll die Abteilung für Umweltschutz und damit seine publikumswirksamste Aufgabe abtreten, Christdemokrat Hubrig: »Genscher betreibt den Umweltschutz zu sehr von der Gesetzgebung her und kann zuwenig für die Behandlung der Umweltschäden tun.«
Ihr Experten-Wissen erwarben die drei christlichen Volksvertreter, alle Mitglieder des Bundestags-Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, im Schnell-Training. Noch im Januar hatten sie in einer Ausschußsitzung beklagt, »nicht den erforderlichen Sachverstand« zu besitzen, »um sich den für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft bedeutsamen Fragen der technischen Forschung intensiv widmen in können«. Zwei Monate später fühlten sieh die überforderten Laien versiert genug, eine neue Konzeption vorzuschlagen. Wichtigste Idee: Gesetzlicher Umweltschutz und umweltfreundliche Technologie sollen miteinander verbunden werden.
Der umweltverschmutzenden Industrie brächte die neue Ressortkombi-
* In Saarbrücken.
nation ein angenehmes Abfallprodukt: mehr öffentliche Mittel als bisher für die technische Forschung, »um den industriellen Level zu halten und international konkurrenzfähig zu bleiben«, so der Kalk-Erzeuger Hans Hubrig,
Besonderen Anstoß nimmt die Umweltschutztruppe der Christdemokraten an der Industriefreundlichen Praxis des Technologen Leussink, möglichst jede verfügbare Million seines Etats in die Bildung zu stecken und daneben nur wenige Forschungsprogramme gezielt zu fördern. Industriefreund Hubrig: »Wo sollen wir denn hin mit den vielen gut ausgebildeten Leuten, wenn der Staat nicht': mehr für die Wirtschaft tut?«
Bei soviel christdemokratischem Lärm um Technologie und Umwelt sorgt sich inzwischen auch der sozial -- demokratische Politologie-Professor und Vorsitzende des Bildungsausschusses Ulrich Lohmar, daß »bei der ungeheuren Beanspruchung des Bildungssektors zwangsläufig die technische Forschung unter den Schlitten gerät«.
Mit dem Blick aufs Wahljahr 1973 möchte Lohmar den Christdemokraten die Urheberschaft an einem »Ministerium für Umwelt und Technologie streitig machen. Anders als seine Unionskollegen will der Sozialdemokrat freilich »kein reines Industrieförderungsministerium, sondern ein Ministerium mit gesellschaftsplanerischen Funktionen« entwerfen. Was ex darunter versteht, will der Professor noch nicht verraten, aber er weiß schon einen Minister für das neue Ressort: »So was würde mir unheimlich Spaß machen.«
Hinter diesen Forderungen seiner Konkurrenten will der bislang allein zuständige Umweltschützer von Bonn. Innenminister Genscher, nicht zurückstehen. Auch er hält ein Umwelt-Ministerium in der nächsten Legislaturperiode für notwendig. Genschers Ressort-Kreation soll die Umwelt allerdings nicht mit der Technologie, sondern mit der Raumordnung kombinieren. Wie Lohmar hat Genscher noch keine genauen Pläne für den Zuschnitt des Zukunftsministeriums. Doch Personalsorgen plagen auch ihn nicht: »So ein Amt müßte doch jeden Politiker reizen.«